Michelangelo aus Italien ist bereits der vierte Austauschschüler, den die Familie Stumpf beherbergt. Foto: Schwarzwälder Bote

Austausch: Wildberger beherbergen mit Michelangelo aus Italien schon zum vierten Mal einen ausländischen Gastschüler

Auch die vierte Auflage in Sachen Schüleraustausch scheint für die Familie Stumpf in Wildberg ein Volltreffer zu werden. Nach Momoko aus Japan, Hector aus Mexiko und Pärtel aus Estland wurde die Schäferlaufstadt Wildberg im August vergangenen Jahres für Michelangelo aus Italien zur vorübergehenden Wahlheimat.

Wildberg. Treibende Kraft beim Abenteuer Schüleraustausch ist dabei Alexandra Stumpf. Die Mutter der sechsköpfigen Familie Stumpf, die selbst berufstätig ist, sprüht nur so von Tatendrang. Und sie ermöglichte es auch den eigenen Kindern, die Welt zu erkunden. Mittlerweile ist sie – die mittlerweile reichen Erfahrungsschatz gesammelt hat – in die ehrenamtliche Arbeit bei der Austauschorganisation YFU eingestiegen. Sie betreut Elterntreffen und übernimmt bei den vorbereitenden Auswahlgesprächen für interessierte Schülerinnen und Schüler die Information der Eltern rund um das Thema "Mein Kind im Ausland". Für Ende April war eine Abschlussfahrt mit den Austauschschülern der Landesgruppe Südwest ins Allgäu und an den Bodensee geplant – Kultur und landschaftliche Besonderheiten sollten zusammengebracht werden. Diese ist, wie so vieles, dem Coronavirus zum Opfer gefallen.

Von der Begegnung mit Jugendlichen aus diversen Ländern haben alle profitiert. Während man zunächst Kindern aus fernen Ländern mit komplett anderer Kultur ein Zuhause bot, kann man jetzt auch Austauschprogrammen innerhalb Europas viel abgewinnen. "Ein solcher Austausch ist nachhaltiger", stimmt auch Nesthäkchen Jannica mit der Mutter überein. Sie verbrachte ein Jahr in Paris und pflegt noch heute engen Kontakt mit ihrer Familie in Frankreich. Es ist unkompliziert, sich einfach einmal für wenige Tage zu besuchen, und die Herausforderung des Auslands mit anderer Sprache und neuen Lebensgewohnheiten hat man allemal.

Michelangelo besucht das Hermann-Hesse-Gymnasium in Calw und hat sich dort gut eingelebt. Die deutsche Sprache ist für ihn keine Barriere. Ihm fiel es leicht, Freunde zu finden und Kontakte aufzubauen – und auch in der Schule klappt es gut. Er genießt das Zuhause in Wildberg und liebt die schwäbische Variante der Pasta: Spätzle.

Es gebe so viele Möglichkeiten des Engagements, schwärmt der junge Italiener, der beruflich später in Richtung Fremdsprachen gehen möchte. Unter anderem sorgt auch die Austauschorganisation "Youth for Understanding" immer wieder für Abwechslung. So gab es vor der Anreise in die Gastfamilien ein Einsteiger-Seminar in Hamburg – vor kurzem hat Michelangelo das Mittelseminar in Dresden absolviert.

Diese einwöchigen Treffen in einer deutschen Metropole dienen der Kommunikation und dem Erfahrungsaustausch der Gastschüler untereinander.

Doch auch mit der Gastfamilie gab es tolle Unternehmungen, die nicht immer so weit gehen müssen wie beispielsweise im Herbst 2019 der Trip nach Paris. Ein Besuch im Porsche-Museum, ein Nachmittag im Mais-Labyrinth oder auch der Besuch des Karlsruher Weihnachtsmarkts sind bleibende Erinnerungen. Auch der Weltweihnachtszirkus in Stuttgart und die Eishockeyspiele beim Deutschland-Cup in Krefeld haben einige Seiten im Reisetagebuch des jungen Mannes gefüllt.

Und wie steht eine Gastfamilie mit vier eigenen Kindern ab Teenager-Alter, einem beruflich stark engagierten Vater und einer berufstätigen Mutter zu einem solch aufregenden Leben? "Wir holen uns so die Welt ins Haus", lautet das knappe Fazit von Alexandra Stumpf, die diesen interkulturellen Austausch als großen Gewinn für beide Seiten sieht und einer nochmaligen Wiederholung durchaus Charme abgewinnen kann.

Sie gibt allerdings zu, dass es unterschiedlich schwer oder leicht war, die jungen Leute in die Familie zu integrieren. Momo aus Japan war eher zurückhaltend, Hector aus Mexiko mit seinem offenen und sonnigen Wesen wurde schnell zum großen Bruder für die Mädels, und bei Pärtel aus Estland kam es sogar zum Familienwechsel. Gesundheitliche Probleme machten einen weiteren Verbleib in der Wildberger Familie unmöglich. Aber auch in einer solchen Situation hilft YFU unbürokratisch, eine andere Lösung zu finden.

Noch heute pflegt die Familie Stumpf sehr freundschaftliche Kontakte zu ihren Familienmitgliedern aus fernen Ländern. Héctor aus Mexico besuchte die Familie im vergangenen Jahr erneut für knapp zwei Wochen und die Japanerin Momoko war im März diesen Jahres wieder in Wildberg zu Gast. Die drei Töchter der Familie denken ebenfalls gerne an ihre Austauschjahre in Kalifornien, Irland und Frankreich zurück. Es sind bleibende Erinnerungen und echte Lebenserfahrungen.

Das Austauschprogramm wurde aufgrund der Coronapandemie offiziell zum 16. März beendet, Familie Stumpf jedoch sorgte dafür, dass Michelangelo in Deutschland bleiben und sein Austauschjahr beenden kann. "Ich kann meinen italienischen ›Sohn‹ doch nicht jetzt in dieser Situation nach Italien zurückschicken", sagt Alexandra Stumpf und hat in Abstimmung mit Michelangelos Eltern und YFU einen Weg gefunden, dem jungen Italiener den weiteren Verbleib in der Wildberger Familie zu ermöglichen.