Zum Ausgleich des Ergebnishaushalts fehlen der Stadt Wildberg fast 600 000 Euro. Foto: dpa/Reinhardt Foto: Schwarzwälder Bote

Finanzplanung: Der Wildberger Gemeinderat verabschiedet mehrheitlich den ersten Haushalt nach "Doppik"-System

Einen historischen Haushalt hat der Wildberger Gemeinderat bei seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl im Bürgersaal des Rathauses verabschiedet. Den ersten nach der neuen "Doppik" – und deshalb: den spätesten.

Wildberg. Historisch fand Gerhard Ostertag diesen Etat auch noch aus einem anderen Grund. Der Finanzexperte der CDU war der erste der Fraktionssprecher, die jeweils vor der Abstimmung über die Haushaltssatzung im Rat traditionell ihre Grundsatzrede einbringen. Alle Redner lobten den Kämmerer Andreas Bauer und Finanzfachfrau Simone Erdrich, die das Zahlenwerk für das Jahr 2019 mit viel Fleiß nicht nur nach völlig neuer Bilanzierung aufgestellt hatten, sondern die Räte auch geduldig in die ganz andere Rechnungslegung eingewiesen hatten.

Gerhard Ostertag stellte früh klar, dass seine Fraktion nicht einheitlich über den Etat, die Eigenbetriebe und die Finanzplanung abstimmen werde. Er selber gilt über seine Partei hinaus als penibel rechnender Sparkommissar und als stets mahnendes Finanzgewissen. Dem ersten "Doppik"-Haushalt bescheinigte Ostertag, es sei "der erste nicht ausgeglichene Haushaltsplan in der Geschichte der Stadt". Gerade angesichts guter Konjunktur und sprudelnder Steuern gab er zu bedenken: "Haushalte werden in guten Jahren ruiniert."

Einem Minus von 0,6 Millionen im Ergebnishaushalt und 1,6 Millionen Euro – nach neuer Rechnung – im Finanzhaushalt könne er selbst nicht zustimmen. Man habe zu viele Großvorhaben gleichzeitig angepackt. Stattdessen müsse man "maßhalten, nur Zug um Zug investieren und sparen" in Wildberg. Denn: "Wir leben über unsere Verhältnisse" bei einem Rekord-Schuldenstand von 27 Millionen Euro. Persönlich vermisse er hingegen seit Jahren die Sanierung des ersten Wildberger Neubaugebiets Markstraße.

Angesichts der Deckungslücke von 1,6 Millionen Euro, die in den kommenden zwei Haushalten ausgeglichen werden müsse, so schloss sich Rolf Dittus für die Freien Wähler an, seien Forderungen wie die Gebührenfreiheit für Betreuung "völlig deplatziert". Andererseits verteidigte er die großen Wildberger Projekte der vergangenen Jahre wie Ortskernsanierungen, Feuerwehrhaus oder Bauhof als sinnvoll und notwendig: "Die Stadtentwicklung darf nicht stagnieren." Deshalb stimme seine Fraktion dem vorgelegten Etat zu.

Dem pflichtete für die SPD Dieter Dannenmann bei: "Wir haben kräftig, ein bisschen mutig, aber auch nachhaltig investiert", sagte er. Die wachsenden Belastungen vonseiten des Kreises, die Bürgermeister Ulrich Bünger so nicht mehr weiter zumutbar findet, hält Dannenmann nicht einfach für fremdbestimmt. Die Hessebahn oder sanierte oder neue Krankenhäuser in Calw oder Nagold kämen direkt auch den Wildberger Bürgern zugute – zumal bei den berechtigten Klagen über schlechte ärztliche Versorgung jenseits der großen Städte: "Die sind doch auch für uns!"

Die SPD sei zwar für die Abschaffung aller Kita-Gebühren, "aber erst, wenn das möglich ist". Auch angesichts sinkender Erlöse beim Verkauf von Baugrundstücken empfahl der SPD-Fraktionschef ein verstärktes Augenmerk der Stadt auf die Innenentwicklung, also Nutzung von Baulücken oder Aufstockung. Insgesamt aber könnten die Sozialdemokraten dem Entwurf zustimmen.

Man habe "keinen Euro weniger in der Kasse" durch die neue Doppik-Rechnung, merkte für die bündnisgrüne Fraktion Michael Gasser an. Neu sei hingegen der Grundsatz der Generationengerechtigkeit, wonach bezahlen sollte, wer auch nutze: "Investition heißt jetzt Abschreibung", so Gasser. Dabei müsse man aber "Schwerpunkte setzen statt Gießkanne oder Rasenmäher".

Priorität habe für ihn nach wie vor auf Bildung und Betreuung, wobei die Gebühren nicht sofort abgeschafft werden könnten, sondern "durch Einkommensstaffelung gerechter gemacht" werden müssten. Die Dringlichkeit von Klimaschutz vergaß er nicht zu betonen und verwies auf die Ausrufung des Klimanotstandes in immer mehr Kommunen. Ökologiches Bauen, E-Mobilität, Carsharing und verbesserten Nahverkehr benannte er in Antwort auf die jugendlichen "Fridays-for-Future"- Proteste als lokale Aufgaben.

Insgesamt aber sei die Stadt trotz der Finanzierungslücken auf dem richtigen Weg, sagte der aus dem Rat scheidende Bündnisgrüne: "Das kriegen wir hin!" Die klare Mehrheit der Rätinnen und Räte sah das auch so. Bei der Haushaltssatzung gab es nur die eine angekündigte Gegenstimme von Gerhard Ostertag und eine Enthaltung. Die Finanzplanung sahen vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen kritischer, die vor allem aus der CDU-Fraktion kamen.