Das letzte Grundbuchamt Württembergs in Wildberg wird geschlossen. Gertrud Kern, Christa Kalb-Stiefl, Stefan Kalscheuer und Edith Sautter (von links) auf dem von Aktenschränken gepflasterten Dachboden. Foto: Buck Foto: Schwarzwälder-Bote

Notariatsreform: Das Grundbuchamt in Wildberg wird als letztes seiner Art in Württemberg aufgelöst

In Wildberg greift dieser Tage Wehmut um sich. Das Notariat schließt endgültig. Am Mittwoch werden die Grundbücher ins Archiv umgezogen. Zum Jahresende ist Schluss, dann macht das letzte Grundbuchamt Württembergs für immer dicht.

Wildberg. Es ist frisch auf dem Dachboden des Wildberger Amtsnotariats – aber vor allem brechend voll. Hunderte Akten lagern dort, alle parat für den Umzug ins neue Zentralarchiv nach Kornwestheim. Die Räume sind derart zugestellt, dass sich Notar Stefan Kalscheuer ernsthafte Sorgen um die Statik des Gebäudes macht. Doch der Dachboden hält der kurzen Besichtigung Stand. Am Mittwoch kommen sämtliche Akten weg. Das sind 240 Meter laufendes Papier, verteilt auf 670 Kartons, 28 Paletten und drei Lastwagen.

"Wir sind schon so was wie ein gallisches Dorf"

Christa Kalb-Stiefl, die nicht nur für das Grundbuchamt Wildberg Eingliederungsmanagement betreibt, ist einerseits traurig über die Schließung, andererseits froh, es hinter sich zu haben. "Ich weiß nicht, wie viele zig Tausend Kisten ich seit Beginn der Reform im Herbst 2014 gepackt habe", blickt Kalb-Stiefl zurück. Als Eingliederungsmanagerin kam sie im "Ländle" durchaus herum. Vom Grundbuchamt Reutlingen bis nach Hechingen und Baden. Erlebt und gesehen hat Kalb-Stiefl in dieser Zeit Einiges: "Da findet man 117 Jahre alte Akten, die in feuchten Kellern lagern. Auch sind welche in lateinischer Sprache dabei. Das ist teils schon chaotisch, aus rein archivarischen Gründen ist die Reform überfällig." Doch in Wildberg lief alles gesittet und geordnet ab. Alles hat geklappt, zum Stichtag 18. Dezember ist alles verpackt und für den Transport vorbereitet.

Auch Notar Kalscheuer trauert dem Wildberger Grundbuchamt nach, das als letztes überhaupt in Baden-Württemberg geschlossen wird: "Das besteht seit rund 200 Jahren, der Umzug heute ist also historisch. Wir sind schon so was wie ein gallisches Dorf."

Doch in Wildberg hat man, anders wie die Gallier um Asterix und Obelix, keinen Zaubertrank, um sich der Reform irgendwie zu entziehen: Zum Jahresende wird der Schlüssel endgültig herumgedreht und das Notariat somit endgültig geschlossen. Nachlass- und Betreuungssachen wandern ins Amtsgericht nach Nagold, Beurkundungen werden von freien Notaren übernommen und das Grundbuch wird elektronisch in Böblingen fortgeführt (wir berichteten mehrfach).

Aus 654 Grundbuchämtern werden 13 gemacht – und genau in dieser Zentralisierung sieht Kalb-Stiefl auch das Problem: "Da wird viel Wissen zerstört. Und bürgernah ist die Reform auch nicht." Denn in Wildberg wird es keine Einsichtsstelle geben, die Bürger müssen sich fortan also in Böblingen Auskünfte holen. Neue Eintragungen ins Grundbuch laufen über die freien Notare, die Gebühren bleiben gleich – einzig eine Zahlung für die elektronische Übermittlung wird fällig. Die orientiert sich am jeweiligen Geschäftswert, kann mitunter also teuer werden.

Fakt ist, die Abwicklung wird komplizierter, wie Stefan Kalscheuer verdeutlicht. Man könne jetzt nicht mehr alles zentral bei ihm abwickeln, sondern müsse zu verschiedenen Stellen gehen.

Er und sein Team, darunter auch die langjährigen Mitarbeiterinnen Edith Sautter und Gertrud Kern, werden fortan den freien Notaren in Nagold unter die Arme greifen. Kalb-Stiefl wird nach 40 Jahren im Grundbuchamt nun ins Amtsgericht Nagold eingegliedert.

"Schade, dass es den Beruf so jetzt nicht mehr gibt, ich habe ihn wirklich geliebt", meint sie wehmütig und klappt quasi symbolisch den Karton mit dicken Büchern auf dem Dachboden wieder zu. Auch die letzte Grundbuch-Bastion in Wildberg ist damit gefallen.