Ukrainerinnen und Ukrainer können hierzulande wertvolle Arbeitskräfte sein – bisher arbeiten 75 Prozent der beschäftigten ukrainischen Geflüchteten in einfachen Tätigkeiten, die keine formale Qualifikation erfordern. Foto: Oliver Berg/dpa/Oliver Berg

Die Unternehmen im Südwesten sollten Geflüchteten eine Chance geben, obwohl diese in der Ukraine noch beim Wiederaufbau gebraucht werden, meint unser Autor.

Die Ukraine muss sich nicht nur militärisch der russischen Angriffe erwehren und benötigt dafür noch mehr Soldaten. Sie hat auf der zivilen Seite, perspektivisch betrachtet, ein kaum minder gravierendes Problem: Für den Aufbau des vom Krieg zum Teil zerstörten Landes fehlen ihr die Arbeitskräfte. Denn weiterhin verlassen deutlich mehr Menschen das Land als wieder zurückkehren. In diesem Jahr soll der Abfluss noch 500 000 Personen netto betragen haben.

 

Beteiligung am Braindrain in der Ukraine

Dies geht auch die deutsche Wirtschaft an: Denn einerseits sind die Unternehmen jetzt zu Recht gehalten, möglichst vielen Ukrainerinnen und Ukrainern eine qualifizierte Anstellung statt nur einfache Tätigkeiten zu verschaffen – anderseits beteiligen sie sich auf diese Weise am sogenannten Braindrain in der Ukraine, weil ihr so die Fähigkeiten und Kompetenzen der Geflüchteten verloren gehen. Eine klassische Zwickmühle. Je länger dieser Zustand anhält, desto unwahrscheinlicher wird die Rückkehr – wer eine gute Arbeit gefunden hat und seine Kinder nach erfolgreich beendeter Schule in einer Ausbildung weiß, der wird aller Heimatliebe zum Trotz möglicherweise doch lieber für immer in Deutschland bleiben wollen, anstatt daheim bei der Erneuerung mit anzupacken.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer den Jobcentern zu überlassen, kann jedenfalls keine Lösung sein. Viele von ihnen werden am Arbeitsmarkt gebraucht und haben ihre Chance über irgendwelche Hilfsjobs hinaus verdient – zumindest bis der Krieg vorbei ist. Diese zwiespältige Aussicht schon jetzt zu vermitteln, ist insbesondere eine Aufgabe der Politik in Deutschland und Kiew.