Der Bau der John-Cranko-Schule steht unter keinem guten Stern: Das Nachwuchszentrum der Stuttgarter Ballett-Eleven wird nicht nur teurer, sondern auch später fertig. Der Regelbetrieb im Internat verzögert sich um ein Jahr.
Stuttgart - Der Bau der John-Cranko-Schule für die künftigen Ballettstars wird langwieriger und teurer als erwartet. Der Regelbetrieb wird erst zum Schuljahr 2019/2020 aufgenommen werden können – ein Jahr später. Und die Kosten, die schon im Lauf der Projektgeschichte gestiegen waren, werden noch einmal um 5,1 Millionen Euro und einen Risikopuffer von 500 000 Euro auf dann 52,5 Millionen Euro klettern. Das hat das Finanzministerium des Landes am Dienstagnachmittag öffentlich eingeräumt, nachdem Staatssekretärin Gisela Splett am Montag OB Fritz Kuhn (beide Grüne) angerufen und mit ihm das weitere Vorgehen abgestimmt hatte.
Die Angelegenheit ist den Beteiligten unangenehm, denn nach Kostenerhöhungen bei anderen Vorhaben in der Regie der Landesbauverwaltung sollte es diesmal garantiert keine bösen Überraschungen geben. Deswegen hatte beispielsweise Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vor dem Projektstart darauf gedrängt, dass ein externer Projektsteuerer hinzugezogen wird. Nun gab Staatssekretärin Splett zu: „Wir haben auf eine externe Projektsteuerung gesetzt, um Probleme frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können. Das hat offensichtlich nicht funktioniert.“
Ein unbekanntes Bauwerk gefunden
Die Landesregierung wurde kalt erwischt. Noch Ende Mai hatte eine Sprecherin des Finanzministeriums nach zwei Jahren Bauzeit dieser Zeitung versichert, man sei im Zeit- und Kostenplan. Der Eröffnungstermin im Herbst 2018 solle eingehalten werden. Da war der Rohbau der Schulgebäude schon zu rund 80 Prozent fertig. Nun werden Probleme, die bereits 2016 aufgetreten waren und zusätzliche Kosten verursacht hatten, zur Begründung für die Hiobsbotschaft herangezogen: Auf dem abschüssigen und schwierigen Baugelände seien stark verunreinigtes Erdreich und ein bis dahin unbekanntes Bauwerk gefunden worden. Es handelt sich um Erde mit starkem Dieselgeruch, schadstoffbelastetes Stauwasser in der Erde sowie Asphaltbelag und altes Abdichtungsmaterial. Das Bauwerk stammt aus den 1950er Jahren, die Nutzung konnte nicht ermittelt werden. Diese Umstände hätten Umplanungen nötig gemacht, zu Verzögerungen und zur Verteuerung geführt. So sei die Verankerung des Gebäudes im Boden aufwendiger geworden als vorgesehen. Beim Rohbau habe es statische Probleme gegeben. Bis in die Sommerferien 2017 hinein habe man angenommen, dass die Mehrkosten aus dem Risikopuffer von 3,5 Millionen Euro bestritten werden könnten. Er reiche jetzt aber nicht mehr aus. Die Verzögerung sei auch nicht mehr wettzumachen.
Neue Risikovorsorge von einer halben Million Euro
Nun bildet das Land eine neue Risikovorsorge von einer halben Million Euro, die in den geschätzten Mehrkosten von 5,1 Millionen noch nicht enthalten ist. Zwei Millionen werden von den Stuttgarter Staatstheatern, dem künftigen Hausherrn mit seiner John-Cranko-Schule, übernommen. Dieses Geld werde einer Rücklage entnommen, erfuhren die Ratsfraktionen, die Oberbürgermeister Kuhn am Dienstagvormittag informieren ließ. Bei den Fraktionen löste das Erstaunen aus. Grund: Den Staatstheatern habe man doch jüngst auch das Budget aufbessern müssen – und für die Staatstheater kommen aufgrund eines Vertrags üblicherweise Land und Stadt je zur Hälfte auf. Weshalb die Rücklage verfügbar ist, blieb zunächst im Dunkeln. Der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks fand am Dienstagnachmittag keine Zeit, um Stellung zu nehmen.
Wer den Rest der Mehrkosten in Höhe von 3,1 Millionen und die Risikovorsorge von 500 000 Euro bezahlt, wird Verhandlungssache. In der Frage werde „das Land das Gespräch mit der Stadt suchen“, ließ das Finanzministerium wissen. Das OB-Büro teilte den Fraktionen allerdings mit: „Wir gehen davon aus, dass der städtische Beitrag zur John-Cranko-Schule gemäß des Vertrages zwischen Stadt und Land vom Oktober 2014 gedeckelt ist.“ Anders als beim grundlegenden Staatstheater-Vertrag greift hier eben nicht zwingend eine 50:50-Finanzierung. Die Stadt hatte im Fall John-Cranko-Schule bereits Jahre zuvor nur die Hälfte der früher geschätzten Baukosten von 32 Millionen Euro zugesagt und sich später um einen Beitrag des Ballettsponsors Porsche bemüht. Dieser beträgt zehn Millionen Euro. Die Frage, ob die Stadt jetzt bis zu 1,8 Millionen Euro nachschießt, dürfte die Fraktionsvorsitzenden und OB Kuhn noch beschäftigen.