Eine Infektion mit Mykoplasmen äußert sich meist wie ein grippaler Infekt mit Husten, Schnupfen, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Schluckbeschwerden. (Symbolfoto) Foto: © Africa Studio - stock.adobe.com

Mykoplasmen-Infektionen nehmen aktuell zu. Auch in Baden-Württemberg sind die Bakterien aktiv. Wie schätzen Verantwortliche in den Kreisen Rottweil und Zollernalb die Erkältungskrankheit ein?

Der Herbst ist da und damit die Erkältungszeit. Eine zuvor in der Öffentlichkeit wenig beachtete Erkrankung ist aktuell auf dem Vormarsch: Infektionen mit Mykoplasmen.

 

Mykoplasmen sind kleine Bakterien, welche die Atemwege befallen. Sie lösen Erkältungen und in schlimmen Fällen Lungenentzündungen aus.

Das baden-württembergische Gesundheitsministerium spricht aktuell im Südwesten von einer „erhöhten Mykoplasmen-Aktivität“. Laut Ministerium machen Mykoplasmen-Infektionen seit Mitte August zwischen zwölf und 22 Prozent der im Labor untersuchten Erkältungskrankheiten (Patienten mit respiratorischer Symptomatik) aus. Und auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Baden-Württemberg registriert aufgrund von Rückmeldungen aus den Praxen eine erhöhte Erkrankungswelle durch Mykoplasmen.

Wie gefährlich ist eine Infektion?

Aber wie gefährlich ist eine Infektion durch Mykoplasmen? Zwei Landratsämter in der Region geben Entwarnung. So erklärt etwa Andrea Schmider vom Landratsamt Rottweil: „Auch wenn der Krankheitsverlauf ohne Behandlung oft langwierig sein kann, ist eine durch Mykoplasmen verursachte Atemwegsinfektion oder Lungenentzündung meist weniger ernst als eine durch Pneumokokken oder SARS-CoV-2 Viren verursachte Lungenentzündung. Letztere kommt zudem häufiger vor.“

Ferner seien die Krankheitszeichen bei Mykoplasmen häufig mild und die allermeisten Erkrankten würden wieder vollkommen gesund, so die Sprecherin. Schwerwiegende Verläufe oder Komplikationen kommen laut Schmieder äußerst selten vor und betreffen überwiegend ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen. Dem pflichtet Marisa Hahn vom Landratsamt Zollernalb bei. „Bei guter Immunität ist die Krankheit in vielen Fällen nicht schwer verlaufend“, erklärt sie unserer Redaktion.

Wie ist die Lage in der Region?

Wie viele Infizierte es in den Landkreisen gibt, ist unklar. Das liegt daran, dass die Krankheit in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig ist. Lediglich in Sachsen besteht eine länderspezifische Meldepflicht für Nachweise von Infektionen durch Mycoplasma pneumoniae - darauf weist das baden-württembergische Gesundheitsministerium hin. Und berichtet: „Die Anzahl der dort gemeldeten Zahlen für das Jahr 2024 (Anfang September: 10.000 Fälle) ist etwa 20 Mal so hoch wie im Vergleichszeitraum des vorpandemischen Jahres 2019 (ca. 500 Fälle).“

Wie verläuft die Krankheit?

„Die Erkrankung äußert sich meist wie ein grippaler Infekt mit Husten, Schnupfen, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Schluckbeschwerden“, erklärt Schmider vom Landratsamt Rottweil. Laut der Sprecherin sind Mykoplasmen außerdem häufig für atypische Lungenentzündungen verantwortlich. Die Inkubationszeit ist mit zwei bis vier Wochen vergleichsweise lang, so die Auskunft. Besonders oft treten Mykoplasmen laut Schmider bei höheren Außentemperaturen im Spätsommer und Frühherbst auf. Kinder seien dabei häufiger betroffen als Erwachsene. Die Übertragung erfolge mittels Tröpfchen.

Wann sollte ein Arzt aufgesucht werden?

Bei länger anhaltenden Krankheitssymptomen mit hartnäckigem Husten und schwerem Krankheitsgefühl oder bei den Zeichen einer (atypischen) Lungenentzündung empfiehlt das Rottweiler Gesundheitsamt dringend eine ärztliche Abklärung. Laut AOK stehen bei der atypischen Lungenentzündung Kopf- und Gliederschmerzen im Vordergrund, auch untypische Symptome wie trockener Husten können auftreten. Schüttelfrost und Atemnot kommen dagegen selten vor. Häufig geht die Erkrankung ohne oder mit nur geringem Fieber einher.

„Wenn sich die Atemwegssymptome deutlich verschlechtern, kann auch eine stationäre Behandlung notwendig werden“, berichtet Pressesprecherin Schmider. Neben den Symptomen einer Atemwegsinfektion könnten dann weitere Organe betroffen sein. Bei Kindern komme es laut Schmider häufig zu einer Beteiligung von Haut und Schleimhäuten, außerdem sei eine Bindehautentzündung oder eine Mittelohrentzündung möglich. Allerdings seien schwere Krankheitsverläufe bei Kindern trotzdem sehr selten.

Wie werden Infektionen festgestellt?

Laut den Sprecherinnen der beiden Landratsämter können Mykoplasmen mittels PCR-Test festgestellt werden. Marisa Hahn vom Landratsamt Zollernalb ergänzt: „Ein Nachweis im Blutserum ist möglich, jedoch aufgrund der hohen Durchseuchungsrate (Stichwort: vorhandene Antikörper) teils dann nicht sehr aussagekräftig.“

Warum gibt es mehr Fälle?

Das baden-württembergischen Gesundheitsministerium macht zwei mögliche Ursachen für den Anstieg von Mykoplasmen-Infektionen aus: zum einen Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie, und zum anderen ein regelmäßiges Auftreten (alle drei bis sieben Jahre) von erhöhten Infektionswellen durch Mykoplasmen-Varianten.

Wieso gibt es keine Meldepflicht?

Laut Andrea Schmider vom Landratsamt Rottweil ist das deutsche Infektionsschutzgesetz (IfSG) schwerpunktmäßig darauf ausgerichtet, Krankheiten zu bekämpfen, die eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen. Mykoplasmen-Infektionen verliefen in der Regel moderat und verschwänden oft ohne Behandlung. Demnach fielen Mykoplasmen nicht in die Kategorie der ernsthaften Bedrohungen, so Schmider.