Wissenschaftler forschten im Auftrag der WHO. Foto: imago images/Cadu Rolim

Auf gut 120 Seiten beschreiben Wissenschaftler im Auftrag der WHO ihre Suche in Wuhan nach dem Ursprung des Coronavirus. Fündig wurden sie nicht. Die USA betrachten den Bericht mit Skepsis.

Genf - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will sämtliche Thesen zum Ursprung des Coronavirus weiter verfolgen. Das erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag in Genf. Er äußerte sich nach der Publikation des Abschlussberichts der ersten umfassenden Untersuchung Anfang des Jahres in China.

Die Mission war politisch äußerst heikel. China setzt alles daran, nicht als Sündenbock für die weltweite Coronavirus-Pandemie an den Pranger gestellt zu werden.

In dem Bericht kommt das Team aus je 17 chinesischen und ausländischen Wissenschaftlern zu dem Schluss, dass das Virus außer in Fledermäusen auch in Schuppentieren seinen Ursprung haben könnte. Es empfiehlt auch weitere Studien, ob das Virus womöglich schon vor den ersten in der chinesischen Stadt Wuhan entdeckten Fällen in anderen Ländern kursierte. Die Theorie, dass es aus einem Labor entwichen sein könnte, bezeichneten sie dagegen als „extrem unwahrscheinlich“.

Kritiker argwöhnen, China habe großen Einfluss auf die Endversion des Berichts genommen. Die Behörden hatten die Untersuchung monatelang hinausgezögert. Teammitglieder sagen, es habe keinen Druck gegeben.

„Ursprung des Virus noch nicht gefunden“

Die US-Regierung sieht eine Reihe ungeklärter Fragen. „Ich denke, wir müssen die Methodologie von diesem Bericht besser verstehen“, sagte der ranghohe Corona-Berater des Weißen Hauses, Andy Slavitt, dem Sender CNN. „Wurde den Ermittlern, die den Bericht geschrieben haben, vollständiger Zugang zu allem gewährt? Wurden sie in irgendeiner Weise von der Regierung Chinas beeinflusst, als sie diesen Bericht schrieben? Bis wir die Antworten auf diese Fragen kennen, denke ich, ist es das beste, wenn wir den Bericht mit einer gesunden Skepsis, nicht zwangsläufig mit Zynismus, betrachten.“

„Was die WHO angeht, bleiben alle Hypothesen auf dem Tisch“, sagte Tedros. Dieser Bericht ist ein wichtiger Anfang, aber nicht das Ende. Wir haben den Ursprung des Virus noch nicht gefunden.“ Es werde alles getan, um das Rätsel zu lösen, um das Risiko, dass sich eine ähnliche Pandemie entwickeln kann, zu reduzieren.

Die Experten schließen in dem Bericht die Möglichkeit nicht aus, dass das Virus schon vor der Entdeckung im Dezember in der chinesischen Stadt Wuhan in China bereits in anderen Ländern zirkulierte. Die Qualität bisheriger Studien zu dem Thema ließen aber zu wünschen übrig, es müsse weiter untersucht werden.

Weitere Tierarten als mögliches Reservoir?

Nach Angaben der Wissenschaftler könnten neben Fledermäusen und Schuppentieren auch Nerze und Katzen Wirte des Virus sein. Viren, die dem Sars-CoV-2-Virus am ähnlichsten sind, seien zwar in Fledermäusen und Schuppentieren gefunden worden, heißt es weiter. „Aber keines der Viren, die bis jetzt in diesen Säugetieren identifiziert wurden, ist dem Sars-CoV-2 so ähnlich, dass er als direkter Vorläufer in Frage kommt.“

„Zudem deutet die hohe Anfälligkeit von Nerzen und Katzen für Sars-CoV-2 an, dass weitere Tierarten als mögliches Reservoir in Frage kommen“, heißt es. Die Wissenschaftler gehen von einem Zwischenwirt aus, von dem das Virus auf den Menschen übertragen wurde. Er wurde aber bislang nicht gefunden. „Mögliche Zwischenwirte könnten Nerze, Schuppentiere, Hasen, Marderhunde und Hauskatzen (...) umfassen oder Arten wie Zibetkatzen, Dachse oder verwandte Marderarten, die während des Ausbruchs in der Provinz Guangdong in China nachweislich mit Sars-Coronaviren infiziert waren.“

Ob der Huanan-Markt in Wuhan, der im vergangenen Jahr im Zentrum des Ausbruchs stand, tatsächlich Ausgang der Pandemie war, sei nicht klar, berichten die Forscher. Es seien auch Fälle bekannt, die nichts mit dem Markt zu tun hatten. Die Ergebnisse könnten nahelegen „dass der Huanan-Markt nicht die ursprüngliche Quelle des Ausbruchs war“, heißt es in dem Bericht.