Für den ehrlichen Fußball-Liebhaber oder den gutgläubigen leidenschaftlichen Wetter gehört zum Tippen auch eine gesunde Portion Glück – für die Wettmafia ist es ein Geschäft mit Berechnung. Foto: dpa

Der Fußball im Würgegriff der Mafia: Rund 700 Spiele sollen manipuliert worden sein. VfB-Manager Fredi Bobic glaubt nicht, dass die Bundesliga betroffen ist.

Stuttgart - Man kann nicht gerade behaupten, dass Guido Buchwald einen zuversichtlichen Eindruck gemacht hat, als er vom neuesten Wettskandal gehört hat. „Ich bin geschockt“, sagt das Präsidiumsmitglied der Stuttgarter Kickers. Wie die europäische Polizeibehörde Europol am Montag mitteilte, sollen zwischen 2008 und 2011 weltweit 380 Spiele manipuliert worden sein – in europäischen Top-Ligen genauso wie in der Champions League und in der WM- sowie EM-Qualifikation. In rund 300 Fällen laufen zusätzlich noch Ermittlungen. „Das ist ein trauriger Tag für den europäischen Fußball“, sagt Europol-Direktor Rob Wainwright. Ein Skandal ähnlichen Ausmaßes gab es bisher nicht, der Fußball befindet sich im Würgegriff der Wett-Mafia.

Deutschland ist nicht betroffen – zumindest mit nichts, was nicht schon bekannt war. Der vom Bochumer Landgericht abgehandelte Skandal um den Wettpaten Ante S. – 51 Spiele waren betroffen – ist in den Zahlen von Europol enthalten. „Von neuen Fällen weiß ich derzeit nichts“, sagt der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek.

Die beiden Bundesligen sollen nach Erkenntnissen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht betroffen sein. „Es bringt jetzt aber nichts, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen. In Deutschland ist mit dem Fall Hoyzer ja auch schon einiges passiert“, sagt Fredi Bobic, Manager des VfB Stuttgart. Der Schiedsrichter Robert Hoyzer wurde 2005 verurteilt, weil er von ihm geleitete Partien beeinflusst haben soll. Bundesligaspiele waren damals nicht betroffen. Dass in der ersten Liga betrogen wird, hält Bobic auch für unwahrscheinlich: „Dafür sind wir wirtschaftlich viel zu gut aufgestellt. Aber natürlich kann man nicht von vornherein für jeden die Hand ins Feuer legen“, sagt er.

Mehr als zwei Millionen Euro Bestechungsgeld

Wie schnell es gehen kann, haben vor sieben Jahren die Stuttgarter Kickers erlebt. Zwei Spielern des damaligen Regionalligisten wurden zwischen 5000 und 15.000 Euro geboten, falls sie im nächsten Spiel für ein Unentschieden oder eine Niederlage sorgen würden. Sie schlugen das Angebot aus, meldeten das Vorkommnis dagegen dem Verein. So läuft es jedoch nicht überall.

Im aktuellen Fall sollen insgesamt mehr als zwei Millionen Euro Bestechungsgeld an Spieler und Offizielle geflossen sein, europaweit strichen die Gauner Profite in Höhe von acht Millionen Euro ein. Hinter dem Wettskandal soll Europol zufolge ein asiatisches Verbrechersyndikat stecken, das auch in Europa aktiv sei. „Das Problem wird immer größer, weil immer mehr kriminell veranlagte Leute erkennen, dass sie mit geringem Risiko viel Geld verdienen können. Es gibt mittlerweile Täter, die wechseln vom Drogenhandel zu den Manipulationen“, sagt der für Deutschland zuständige Bochumer Kriminalhauptkommissar Friedhelm Althans: „Legale Fußballwetten kommen niemals an den Umsatz heran, den die Kriminellen aus Asien mit ihren Wetten erzielen. Die Spieler sind dabei nur die Hilfsarbeiter.“ Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reagierte zunächst zurückhaltend. „Im ersten Moment ist es schockierend, aber es sind noch keine offiziellen Zahlen“, sagt Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff: „Wenn die Zahl echt wäre, wäre es beängstigend.“

Angesichts der Dimensionen des Skandals mahnte der Weltverband Fifa eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Ermittlungsbehörden an. „Spielmanipulationen sind ein globales Problem und keines, das morgen wieder verschwinden wird“, sagt Fifa-Sicherheitsdirektor Ralf Mutschke. IOC-Vizepräsident Thomas Bach forderte für die Täter „drastische Strafen zur Abschreckung“. Das Internationale Olympische Komitee habe der Bedrohung durch Wettmanipulation bereits vor Jahren hohe Priorität eingeräumt. „Wir haben seitdem eine enge Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, die zu diesen Fahndungserfolgen beigetragen hat“, sagt Bach.

Zuversichtlich kann aber auch das in diesem Fall nicht stimmen.