Hohe Luftfeuchtigkeit führt oft zu Gelenkschmerzen, ungewöhnlich warmes Wetter sorgt für Kopfweh. Aber muss das so sein? Foto: Adobe Stock/Brazhyk

Kopfschmerzen, Müdigkeit, fehlender Antrieb: Die Hälfte der Deutschen leidet laut einer Umfrage an Wetterumschwüngen. Büroarbeit trägt dazu bei. Man kann aber etwas dagegen tun.

Stuttgart - Man kann sich nicht konzentrieren, der Kopf tut weh, und man plagt sich durch den Arbeitstag. Wenn es dann stürmt, regnet oder Föhn die Gegend übermäßig erwärmt, muss oft das Wetter als Sündenbock für diese Leiden herhalten. Das sind die Fakten zur Wetterfühligkeit.

Wie reagiert der Körper auf Wetterveränderungen?

Menschen können bei 20 Grad minus genauso leben wie bei 40 Grad plus. Das geht nur, weil der Körper sich anpassen kann: Kälte- und Wärmerezeptoren auf der Hautoberfläche melden über Nervenzellen dem Gehirn, wie es den Körper regulieren soll. Bei Hitze wird beispielsweise die Durchblutung angeregt, um die Körperwärme von innen nach außen an die Haut zu transportieren, wo Schweiß sie wieder kühlen kann. Bei Kälte dagegen ziehen sich die Blutgefäße zusammen, das Blut wird vermehrt ins Körperinnere geleitet, wo es warm bleibt und die lebenswichtigen Organe am Laufen hält.

Dann sind wetterbedingte Kopfschmerzen oder Antriebslosigkeit also nur Einbildung?

Nein. Dann würde rund die Hälfte der Deutschen unter dieser Einbildung leiden. Denn einer Umfrage des Deutschen Wetterdienstes zufolge verspüren rund 50 Prozent der Bundesbürger Kopf- oder Gelenkschmerzen, Müdigkeit oder Schlafstörungen, wenn das Wetter umschlägt. Sie fühlen sich matt, müde, antriebslos, deprimiert oder gereizt. Kurz: Sie sind wetterfühlig.

„Solche Befindlichkeitsstörungen treten auf, weil dem modernen Büromenschen das Anpassungstraining an Wetteränderungen fehlt“, sagt Angela Schuh, Professorin am Lehrstuhl Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Wer dank Heizung und Klimaanlage winters wie sommers 20 Grad im Büro hat, nimmt dem Körper die Möglichkeit, Temperaturveränderungen selbst zu regeln. Die Folge: Diese Fähigkeit zur Anpassung verkümmert langsam. Auch wer regelmäßig gegen seinen Biorhythmus lebt, also zu wenig Tageslicht abbekommt oder zu wenig Schlaf, hat in der Regel eher Probleme, mit Wetterveränderungen zurechtzukommen.

Und was ist mit wetterbedingten Gelenkschmerzen?

„Ich spüre es in den Knochen, das Wetter schlägt um!“, hört man immer wieder. Auch solche Aussagen sind keine Einbildung. „Zwar können Wetterwechsel nicht krank machen“, sagt Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizinmeteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Aber sie können bei Menschen mit Vorerkrankungen ein weiterer Faktor sein, der ihre Krankheitssymptome verstärkt. „Ein Wetterumschwung bringt dann quasi das Fass zum Überlaufen“, sagt Matzarakis. Denn wenn durch Rheuma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Blutdruckprobleme die Regulationsfähigkeit des Körpers eingeschränkt ist, kann dieser sich auch schlechter an einen Wetterwechsel anpassen. „Man geht davon aus, dass etwa 20 Prozent der Deutschen zu dieser Gruppe der wetterempfindlichen Menschen gehören“, sagt die Wissenschaftlerin Angela Schuh. In der Altersgruppe ab 60 Jahren sind sogar mehr als 70 Prozent betroffen.

Aber wie genau kann das Wetter nun beispielsweise Kopfschmerzen auslösen?

Dazu gibt es bislang nur Mutmaßungen. Experten vermuten, dass möglicherweise Luftdruckschwankungen die Ursache sein könnten. Sie entstehen, wenn zwei Luftmassen aufeinander treffen – etwa bei Föhn oder beim Durchzug von Fronten. Wie der menschliche Körper diese minimalen Luftdruckschwankungen aber wahrnehmen soll, da tappen die Forscher noch im Dunkeln.

Und welche Wetterlagen lösen gesundheitliche Beschwerden aus?

Besonders bei stürmischem Wetter und wenn es kälter wird, klagen viele Menschen über Beschwerden. Eine höhere Luftfeuchtigkeit ist schlecht bei Gelenkproblemen. Nähert sich eine Warm- oder Kaltfront, haben Menschen häufiger Kopfschmerzen. Bei einer stabilen Hochdrucklage haben die wenigsten Menschen Probleme mit der Gesundheit. Das hat die Umfrage des DWD ergeben. Weil sich bei einem Wetterumschwung viele verschiedene Wettervariablen wie Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchte gleichzeitig ändern, sind die genauen Ursachen schwer zu erforschen.

Was hat es mit dem Biowetter auf sich?

Die sogenannte Biowetterkarte zeigt, in welchen Regionen Deutschlands mit Wärme- oder Kältereizen zu rechnen ist oder wo Schwüle droht. Um eine solche Karte zu erstellen, greifen die Meteorologen auf verschiedenste Mess- und Beobachtungsdaten zurück. Anhand des sogenannten Klima-Michels, einem fiktiven Durchschnittsmenschen des DWD, der das Wärmeempfinden des Menschen wiedergeben soll, werden aus den Werten dann gesundheitlich relevante Wetterverhältnisse wie Kältereize oder Wärmestress erstellt. Die Medizinische Klimatologin Angela Schuh hält die Aussagekraft des Biowetters aber für begrenzt.

Muss man Wetterfühligkeit einfach so hinnehmen, oder kann man etwas dagegen tun?

Egal, ob es eiskalt ist, wie aus Kübeln schüttet oder eine Hitzewelle droht: Statt sich vor dem Wetter zu verkriechen, lieber rausgehen. „Regelmäßige Bewegung im Freien ist die beste Empfehlung“, sagt Wissenschaftlerin Angela Schuh. Denn dabei bekommt der Körper Gelegenheit, die Anpassung an veränderte Wetterlagen zu trainieren. Auch kann man Wetterwechsel simulieren: durch Wechselduschen, Kneipp-Anwendungen oder Saunagänge. Wer dann noch genug schläft sowie gesund und regelmäßig isst, dem sollte ein Wetterumschwung künftig deutlich seltener zu Kopf steigen. Bei wetterempfindlichen Menschen, die aufgrund einer Vorerkrankung auf Wetterumschwünge reagieren, ist die Situation schwieriger. „Hier kann es hilfreich sein, die Biowettervorhersage zu beachten und seine Aktivitäten entsprechend zu planen“, sagt Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis.