Markus Lanz bezieht derzeit überall Prügel Foto: dpa

Eigentlich hätte sich Markus Lanz gern in Ruhe auf die erste Folge "Wetten, dass..?" im Jahr 2014 vorbereitet, die Samstag aus Karlsruhe gesendet wird. Stattdessen wird er wieder angegangen. Wann wirft er das Handtuch?

Eigentlich hätte sich Markus Lanz gern in Ruhe auf die erste Folge „Wetten, dass . . .?“ im Jahr 2014 vorbereitet, die an diesem Samstag aus Karlsruhe gesendet wird. Stattdessen wird er mal wieder scharf angegangen. Wann wirft er das Handtuch?

Karlsruhe - Was hat dieser Mann eigentlich verbrochen? Befingert er Kinder? Handelt er mit Waffen? Selbstverständlich nichts dergleichen. Er macht Fernsehen. Einfach nur Fernsehen. Und dennoch: Egal, was Markus Lanz (44) anpackt, er bezieht dafür Prügel. Zunächst stand er lediglich für die Moderation der ZDF-Samstagabendshow „Wetten, dass . . .?“ in der Schusslinie. Nun brachte er auch mit seinem ZDF-Talk „Markus Lanz“ die Öffentlichkeit gegen sich auf. Wie lang kann man ständiger Kritik standhalten? Anders gefragt: Verliert Lanz demnächst die Nerven? Kündigt er seinen Rücktritt vielleicht schon in der ersten „Wetten, dass . . .?“-Sendung des Jahres 2014 an, die an diesem Samstagabend aus Karlsruhe kommt? Man könnte es ihm nicht verdenken.

Die neueste Klatsche: Vor wenigen Tagen startete eine Internet-Petition mit dem Titel „Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr!“ Bis Freitag hatten sich dort rund 170 000 Menschen registriert und damit das ZDF aufgefordert, sich von dem Moderator zu trennen. Die Resonanz ist erstaunlich. Für weitaus wichtigere und nützlichere Aktionen kommt meist nur ein Bruchteil an Unterschriften zusammen. Dem Branchendienst Meedia zufolge gibt es inzwischen zwar Zweifel, ob sich dahinter tatsächlich eine so große Anzahl an Zuschauern verbirgt – viele registrierten sich doppelt, anonym oder mit Spaßnamen. Trotzdem verwundert, wie viel Hass Lanz auf sich zieht.

Der heftige Protest hatte sich an der Talk-Ausgabe vom 16. Januar entflammt. Zu Gast war unter anderem Sahra Wagenknecht. Im Gespräch mit der Linken-Politikerin ließ es Lanz nach Ansicht der Petitionsverfasserin Maren Müller, eines ehemaligen Linken-Mitglieds, „an einem Mindestmaß an Höflichkeit“ fehlen. Wer die Sendung gesehen hat oder sich Ausschnitte im Netz anschaut, stellt fest: Lanz fällt Wagenknecht oft ins Wort und stellt penetrant dumm-dreiste Fragen. Von einem Moderator darf der Zuschauer besseres Benehmen und mehr Fachkenntnis erwarten. Doch rechtfertigt ein auf Krawall gebügelter Fragestil derartige Anfeindungen? Machen es die Talk-Kollegen anders? Ist die Gesprächsführung einer Maybritt Illner, einer Sandra Maischberger oder eines Johannes B. Kerner subtiler und damit besser?

Inzwischen hat sich Lanz entschuldigt und Fehler eingeräumt: „Wenn das energische Nachfragen zu rustikal und sogar persönlich war, dann bedaure ich das“, sagte er dem Branchendienst DWDL.de. Dies habe er Wagenknecht bereits in einem längeren Telefonat erklärt. Auch das ZDF ließ wissen: „Die Kritik nehmen wir ernst und haben das auch intern diskutiert. Die Redaktion und der Moderator hatten im Nachgespräch mit Frau Wagenknecht nicht den Eindruck, dass sie mit der Sendung unzufrieden war.“ Wagenknecht allerdings korrigierte flugs über den Kurznachrichtendienst Twitter: Nach dem breiten Protest zu behaupten, sie sei zufrieden gewesen, sei „doch etwas arg frech“. Von weiteren Besuchen bei „Markus Lanz“ wolle sie vorerst absehen.

Klar ist, der Sender steht trotz allem hinter seinem Moderator. Zumindest noch. Klar ist auch, die Zahl der von Lanz genervten Zuschauer wächst – womit es für ihn so langsam enger wird. Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen.

Lanz, der die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, wuchs in Südtirol auf. In einem Dorf im oberen Pustertal. In ärmlichen Verhältnissen, wie er kürzlich im Interview dem „Stern“ sagte: „Da willst du raus. Ich hatte keinen Bock, für den Rest meines Lebens arm zu bleiben.“ Und so arbeitete er unermüdlich an seiner Karriere, am Aufstieg.

Sein Handwerk hat er beim Privatsender RTL gelernt, als Moderator des Magazins „Explosiv“, wo er 1998 zunächst seine Kollegin Barbara Eligmann während ihrer Babypause vertrat, dann aber fest engagiert wurde. Von 2004 an leitete er zudem vier Jahre lang die Redaktion. Sein Vorbild sind die amerikanischen Talkshows. Dort wisse man, worauf es ankommt, sagte er mal – nämlich auf eine gute Performance, eine knackige Story.

Im knallharten Boulevard präsentierte sich Lanz geschmeidig. Immer höflich, immer adrett. Der Traum aller Schwiegermütter. Hinter den Kulissen überließ er jedoch nichts dem Zufall, brachte sich gar selbst als Kandidat ins Spiel, wenn es galt, Jobs zu besetzen. So auch, als Thomas Gottschalk 2011 die Moderation des Samstagabendklassikers „Wetten, dass . . .?“ abgab.

Im April 2008 war er zum ZDF gewechselt. Ein Schritt, den er 2009 im Interview mit unserer Zeitung so beschrieb: „Ich denke, dass er nicht verkehrt war. Auch deshalb, weil ich raus wollte aus der täglichen Mühle.“ Weniger fleißig war Lanz deshalb noch lange nicht. Beim Mainzer Sender bekam er nicht nur seine eigene Talkshow, inzwischen dienstags bis donnerstags zu sehen, sondern war plötzlich allgegenwärtig.

Ob Kochshow, Geschichtsquiz oder Abenteurer-Doku über eine Südpol-Expedition – stets hatte er traumhafte Einschaltquoten. Das änderte sich mit der Übernahme von „Wetten, dass . . .?“. Die Sendung ist noch immer die größte Unterhaltungsshow Europas, doch im November 2013 sackten die Quoten auf historischen Tiefstand: Nur 6,55 Millionen Zuschauer schalteten ein.

Was Lanz dem Sinkflug entgegenhält? Wenig. Witzig, weltläufig, spontan – das ist er nun mal nicht. Wäre er aber so gern. Krampfhaft versucht er, sein braves, biederes Image abzulegen. Und da liegt vermutlich das Problem. Lanz ist nicht authentisch. Mit flachen Witzen und pubertären Streichen (Wettpaten, denen man Eiswürfel in die Hose kippt oder die man im Häschenkostüm herumhoppeln lässt) rettet man keine Sendung. Da kann man noch so oft „Sensationell!“ rufen.

Lanz ist für eine Unterhaltungsshow eher ungeeignet. Auch das Konzept von „Wetten, dass  . . .?“ mag antiquiert sein. Doch wem Moderator und Sendung nicht gefallen, der kann ab- oder umschalten. Es gibt zig andere Programme. Wo allerdings auch nicht unbedingt Besseres läuft. Vielleicht erzürnt sich genau daran der Unmut. Vielleicht macht sich Fernsehverdrossenheit breit. Vielleicht schaltet irgendwann kaum noch einer ein. Viele Jugendliche schauen schon jetzt lieber You-Tube-Clips oder beziehen übers Internet Video-on-Demand-Angebote.

Und wie wird Markus Lanz am Abend reagieren? Vermutlich wird er – wie schon nach einigen anderen Angriffen – souverän auf die Kritik eingehen und sich entschuldigen. Aber hinwerfen? Sich dem Vernichtungswillen der Netzgemeinde beugen? Er sollte sich besser an seine Worte von Dezember erinnern: „Jetzt aufzuhören wäre uncool.“ Schon um „ein paar Leute aus der Meute zu ärgern“, müsse er weitermachen. Ob die Strategie auch diesmal aufgeht? In Karlsruhe hat Lanz unter anderen Komiker Atze Schröder, Sängerin Yvonne Catterfeld und Fußballer Max Kruse zu Gast. Mit denen muss er immerhin nicht über Politik reden.