Wegen mehrerer Vergehen war ein 26-jähriger Albstädter vor dem Amtsgericht angeklagt, unter anderem wegen Beleidigung und Bedrohung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verbreitung von Jugendpornografie.   Foto: Kistner

Die Beweisaufnahme war "anstrengend und interessant", wie die Richterin zusammenfasste. Doch auf einen grünen Zweig ist das Amtsgericht Albstadt nur bei zwei der insgesamt vier Anklagepunkte gekommen.

Albstadt - Wegen gleich vier Vergehen saß ein 26-jähriger Albstadt auf der Anklagebank des Amtsgerichts Albstadt. Der junge Mann scheint zwei Gesichter zu haben. Ein anständiges und besonnenes, aber auch ein aufbrausend aggressives.

Zunächst einmal galt es zu klären, wer das mehrminütige Video auf eine Pornoplattform gestellt hatte, das den Angeklagten beim Geschlechtsverkehr mit seiner damals minderjährigen Ex-Freundin zeigte. Der Angeklagte bestreitet vehement, es gewesen zu sein. Zwar habe er gelegentlich mit der damals 16-Jährigen, mit der er zwischen Sommer 2018 und Frühjahr 2019 eine Beziehung unterhielt, solche Filmchen gedreht – einverständlich, wie er betonte, doch habe er sie keinem Fremden gezeigt. Er geht davon aus, dass seine Ex-Freundin die Videos online gestellt habe – so etwas habe sie schon früher gelegentlich getan, um ihre Urlaubskasse aufzubessern.

Kumpels haben die junge Frau auf das Video aufmerksam gemacht

Davon will die junge Frau aber nichts wissen – sie habe nie Zugang zu der Plattform gehabt, versicherte sie. Später, kurz nach der Trennung vor knapp zwei Jahren, sei sie von gemeinsamen Kumpels darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Videos im Internet zu finden seien. Wer sich hinter dem Nutzernamen, der auf mythische Fabelwesen anspielte, verbarg, blieb am Ende unklar; das Verfahren wurde in dieser Sache eingestellt.

Licht ins Dunkel hätte möglicherweise der damalige gemeinsame Freund des Paares bringen können, der die Sexfilmchen online entdeckt hatte, hätte er es nur für nötig gehalten, zum Prozess als Zeuge zu erscheinen. Schließlich spielte er auch beim zweiten Anklagepunkt eine entscheidende Rolle. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, bewusstem Freund im April 2019 scheinbar grundlos Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und zudem eine Frau auf den Hinterkopf geschlagen zu haben – dabei sei ihr Smartphone auf den Boden gefallen und zu Bruch gegangen.

Situation provoziert

Bei der Zeugenvernehmung wurde allerdings klar, dass zu einem Streit meist zwei gehören. Besagter Freund soll den Angeklagten über mehrere Wochen hinweg drangsaliert, beschimpft und ihm nachgestellt haben, angeblich weil dieser im einen geringen Geldbetrag schuldete; mit sieben Freunden im Schlepptau sei er vor die Wohnung des Angeklagten gezogen, um ihn "aufzumischen". Darauf habe sich dieser mit Pfefferspray bewaffnet und zudem im Eifer des Gefechts zu einer Harke gegriffen, um sich den "Mob" vom Leib zu halten. Der Angeklagte will, am Boden liegend, mit Füßen getreten getreten worden sein; er sieht sich in dieser Sache als Opfer, nicht als Täter.

Was tatsächlich passiert ist, ließ sich aber auch mit Hilfe von Videoaufnahmen nicht rekonstruieren. Das Gericht war sich jedoch einig, dass der junge Mann, der die Anzeige erstattet hatte und unentschuldigt der Verhandlung fern blieb, die Situation provoziert hatte. Auch diese Beweisaufnahme führte am Ende in eine Sachkagasse; auch dieses Verfahren wurde eingestellt. Einziges Resultat: Die Frau, deren Handy beschädigt wurde, bekommt vom Angeklagten 800 Euro.

Selbstbeherrschung nicht seine Stärke

Dritter Anklagepunkt: Am selben Abend im April 2019 hatten vier Polizisten, die von den Nachbarn gerufen worden waren, dem Angeklagten einen Besuch abgestattet, um die Umstände der vorausgegangene Rangelei aufzuklären. Ihnen, so die Anklage, sei der junge Mann aggressiv entgegengetreten. "Ein Riesengeschrei auf unterstem Niveau", resümierte ein Polizist vor Gericht. Was heißt "unterstes Niveau"? Er sehe tagtäglich mit Beschimpfungen gegen seinen Berufsstand konfrontiert, erklärte der erfahrene Beamte, und sei gewohnt, Beschimpfungen wie "Scheißbulle" oder "Arschloch" stoisch wegzustecken. "Scheißhaufen voller Idioten" und "Du bist doof" könne man sich aber nicht einfach gefallen lassen. Immerhin, in der Verhandlung hatte der Angeklagte seine Aggressionen im Griff; er räumte die Beleidigungen ein und entschuldigte sich kleinlaut.

Indes scheint Selbstbeherrschung nicht seine stärkste Seite zu sein.. Im September 2020 – Anklagepunkt vier – soll er mit seinem Nachbarn in Streit wegen einer Sicherung geraten sein und seiner dabei mit recht kreativen, aber definitiv strafwürdigen Wortschöpfungen Ausdruck verliehen haben. Schließlich bedroht er sein Gegenüber sogar verbal an Leib und Leben haben. Sätze wie "Ich hol meine Knarre und schieß dir ins Gesicht" lassen sich schwerlich leugnen, denn es gibt Videoaufnahmen, die zeigen, wie der Angeklagte vor der Tür seines Nachbarn wütet.

Mildes Urteil: Drei Monate Haft auf Bewährung

Die Quittung für dieses Verhalten: drei Monate Haft auf Bewährung – was milde erscheint angesichts des Umstands, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand. Indes hatten Richterin, Oberstaatsanwalt und Verteidigung den Eindruck, dass die anständige Seite des Angeklagten die aufbrausende derzeit dominiere, dass Dr. Jekyll Mr. Hyde einigermaßen im Griff habe. Er habe Arbeit und eine Ausbildung in Aussicht, sei also offenbar auf dem richtigen Weg.