Großer Bahnhof in Mainz: Daimler stellt seinen ersten vollelektrischen Bus vor. Foto: dpa

Vier Jahre hat Daimler an der Entwicklung seines ersten vollelektrischen Busses gearbeitet. Ende des Jahres läuft nun die Serienfertigung des eCitaro in Mannheim an. Die Verkehrsbetriebe in Mannheim, Berlin und Hamburg sind die ersten Kunden.

Stuttgart - Rund vier Jahre hat Daimler an der Entwicklung seines ersten Elektrobusses gearbeitet. Nun feiert das Fahrzeug seine Weltpremiere in Mainz: Mit viel Pomp rollt der E-Citaro vor rund 130 internationalen Journalisten auf die Bühne. Die Serienfertigung in Mannheim, wo eines der großen Buswerke von Daimler angesiedelt ist, soll Ende 2018 anlaufen. „Daimler startet eine Innovationsoffensive für Elektromobilität in Städten“, sagt Till Oberwörder. Der gebürtige Hamburger verantwortet seit April das weltweite Busgeschäft von Daimler. Wie viel der Konzern in die Entwicklung des E-Citaro gesteckt hat, wird nicht verraten. Nur so viel: Insgesamt 200 Millionen Euro sei in elektrisches, vernetztes und automatisiertes Fahren investiert worden. Mit 1,85 Millionen Euro wurde die Entwicklung des elektrischen Busses bisher mit öffentlichen Geldern gefördert.

Mit einer Reichweite von 150 Kilometern im Sommer könne der E-Citaro – ohne Zwischenaufladung – bereits heute 30 Prozent der Fahrten von Stadtbussen ersetzen, verspricht Oberwörder. Und in wenigen Jahren und nach weiteren technologischen Fortschritten werde der E-Citaro, der Platz für 88 Fahrgäste bietet, auf allen Routen eingesetzt werden können. Fortschritte bringen laut Daimler bessere Batteriezellen, aber vor allem Brennstoffzellen. Oberwörder: „Dann kann der E-Citaro den Verbrennungsmotor nahezu vollständig ersetzen.“ Der neue Bus-Chef ist überzeugt: „Im Jahr 2030 werden etwa 70 Prozent der neu gekauften Busse einen Elektromotor haben.“ Sein Traum ist eine spezielle Busspur in den Städten, damit die Busse ihre Batterieladung optimal nutzen und nicht im Stau verplempern. Welche Absatzziele sich Daimler für den E-Citaro gesetzt hat, will er allerdings nicht verraten.

Mannheim ist der erste Kunde

Der erste Kunde für den E-Citaro ist – soweit bekannt – die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH. „Das freut uns besonders“, so Oberwörder, nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe zum Werk. Die ersten Fahrzeugen sollen Ende des Jahres ausgeliefert werden; wie viele es sind, will Daimler nicht verraten. Auch die Verkehrsbetriebe in Hamburg und Berlin stehen auf der Kundenliste für den vollelektrischen Bus. Hamburg hat 20 E-Citaro geordert, die etwa doppelt so teuer sind wie klassische Citaro mit Verbrennungsmotor. Die ersten zwei davon könnten ebenfalls Ende des Jahres in der Hansestadt unterwegs sein.

Die Berliner haben, nachdem sie erst kürzlich 950 Stadtbusse mit Dieselantrieb bei Daimler geordert haben, nun eine Bestellung über 15 vollelektrische Fahrzeuge nachgeschoben, die vom ersten Quartal 2019 an ausgeliefert werden sollen. Auch aus Norwegen habe Daimler bereits einen Auftrag ergattert. „Für uns ist das ein europäisches Thema“, so Oberwörder, der sich selbst als Familienmensch bezeichnet. Stuttgart gehört offenbar noch nicht zu den Kunden für den E-Citaro. Oberwörder: „Wir sind mit Stuttgart ständig in intensiven Gesprächen über alternative Antriebe, darunter auch den Elektrobus.“ Er weiß, dass sich alle Städte mit dem Thema Elektromobilität beschäftigen. Der Dieselskandal und drohende Fahrverbote für den Selbstzünder dürften das kommunale Interesse steigern.

Daimler und andere deutsche Bushersteller wie MAN gehören beim Thema Elektrobusse nicht eben zu den Vorreitern. Zeitweise wurde gar die Frage aufgeworfen, ob hiesige Konzerne den Markt für Elektrobusse verschlafen haben. In deutschen Kommunen sind nämlich bereits einige vollelektrisch betriebene Busse unterwegs, die aber allesamt von ausländischen Herstellern stammen: von Ebusco und VDL (beide Niederlande), von Solaris (Polen) oder dem Sileo-Konzern, der in Salzgitter produziert und dessen Mutter ihren Sitz in der Türkei hat.

Ausländische Anbieter sind schon da

Insgesamt 40 000 Busse sind im öffentlichen Nahverkehr deutschlandweit unterwegs. Lediglich 170 davon sind vollelektrisch betriebene Busse. Und dazu gehören auch noch gut 70 mit Oberleitung, wie sie auch in Esslingen im Einsatz sind. Fahrzeuge mit alternativen Antrieben – wie Hybride und Elektrobusse – sind ein Nischenthema, geht aus einer Studie der Unternehmensberatung PwC denn auch hervor. Hamburg und Köln gelten als Vorreiter bei den modernen vollelektrischen Bussen.

„Zuverlässigkeit vor Geschwindigkeit“

Oberwörder lässt sich davon nicht beirren. Er weist von sich, dass Daimler den Markt verschlafen habe. „Allein das Fahrzeug zu liefern war uns nie genug“, sagt der bekennende HSV-Fan, der seit 20 Jahren im VfB-Land lebt. Er sagt, dass Wettbewerb jedem Markt guttue. Und er nimmt Worte in den Mund wie „Zuverlässigkeit vor Geschwindigkeit“. Dies sei ihm auch von den Kunden signalisiert worden. Und er verweist darauf, dass vollelektrische Busse „sehr beratungsintensiv“ seien. Die Busfahrer müssen geschult und die Werkstätten der Verkehrsbetriebe entsprechend umgerüstet werden. Auch die Ladeinfrastruktur muss vorbereitet sein. Das Daimler-Konzept sieht vor, dass die Fahrzeuge nur in den Depots der Verkehrsbetriebe selbst – und nicht unterwegs – Strom zapfen. Zwischen 1,5 und zwei Stunden dauert es, bis die Batterien des E-Citaro, die vom Batteriespezialisten Akasol in Darmstadt stammen, aufgeladen sind. Auch der Elektromotor wird zugekauft; er stammt von ZF in Friedrichshafen. Daimler selbst fertige solche Motoren nicht – auch nicht bei EM-Motive in Hildesheim, einem Joint-Venture mit Bosch.

Im digitalen Zeitalter will Daimler künftig ständig über das Internet im Kontakt zu seinen vollelektrischen Bussen stehen. So soll frühzeitig erkannt werden, wenn es Probleme mit dem Fahrzeug geben könnte. Zudem könnten anstehende Wartungen besser geplant werden.