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Obwohl das Gehirn bei Schlaganfällen am meisten betroffen ist, liegt der Ursprung des Hirninfarkts oft im Herzen. Experten erklären am Weltherztag, warum das so ist.

Stuttgart - Ein kleiner Blutpfropf, nicht viel größer als der Kopf einer Stecknadel, hat das Leben der 67-Jährigen auf einen Schlag verändert: Das Gerinnsel hatte sich in der mittleren Gehirnarterie der Stuttgarterin festgesetzt und den Blutfluss gestoppt. „Es wurde der Notruf gewählt, da die Frau plötzlich den rechten Arm nicht mehr richtig bewegen und auch nicht mehr sprechen konnte“, sagt Hansjörg Bäzner, der Ärztliche Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum Stuttgart, wo die Frau eingeliefert worden war.

 

Bei der Untersuchung in der Stroke Unit, der auf Schlaganfall spezialisierten Abteilung des Klinikums, zeigt sich die Ursache für das Blutgerinnsel: Die Patientin leidet an einer bestimmten Form der Herzrhythmusstörung – dem sogenannten Vorhofflimmern. „Doch das hat sie nicht gewusst“, sagt Bäzner.

Es trifft oft Menschen mit Herzrhythmusstörungen

So wie der älteren Frau ergeht es vielen Patienten: 260 000 Bundesbürger erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. Etwa weil ein Gefäß im Gehirn reißt oder ein Blutpfropfen es verschlossen hat. „Die Folgen sind in allen Fällen oft gravierend“, sagt Hansjörg Bäzner. So ist der Hirninfarkt der häufigste Grund einer im Erwachsenenalter erworbenen Behinderung. Auffallend ist dabei auch: Er trifft oft Menschen mit Herzrhythmusstörungen.

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Rund ein Viertel der Schlaganfälle geht auf Vorhofflimmern zurück, vermeldet die Deutsche Herzstiftung. Sie will den Weltherztag am 29. September dazu nutzen, über die Risiken dieser Erkrankung besser aufzuklären: „Der Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern ausgeht“, sagt der Herzspezialist Gerian Grönefeld vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. „Vor allem ältere Patienten ab 60 Jahren, bei denen gehäuft Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und koronare Herzkrankheiten auftreten, haben ein hohes Risiko, Vorhofflimmern zu bekommen, und sollten sich schützen.“

Die Zeit bis zur Behandlung ist entscheidend

Das Herz gerät bei diesen Patienten völlig außer Takt, chaotisch folgen die Herzschläge aufeinander. Der Puls rast. Der Herzmuskel ist nicht mehr in der Lage, das Blut rhythmisch in den Körperkreislauf zu pumpen. Die Fließgeschwindigkeit des Bluts verringert sich, und es kann sich im linken Vorhof ein Gerinnsel bilden. Gelangt dies bei einem Pumpstoß in die Halsschlagader und von dort ins Gehirn, kann es dort ein Gefäß verstopfen. „Teile des Gehirns werden dann nicht mehr mit Blut versorgt – und damit auch nicht mit Sauerstoff und wichtigen Nährstoffen“, sagt der Stuttgarter Neurologe Bäzner. „Time is brain“, heißt es unter Neurologen deshalb. Die Zeit bis zur Behandlung entscheidet darüber, ob der Betroffene hilfebedürftig wird oder sich wieder vollständig erholt.

Thrombolyse oder Kathetereingriff

Der schnellen Reaktion ihres Ehemannes verdankt die Patientin ihr Leben: „Wir konnten ihr eine Blutverdünner-Therapie verabreichen und den Blutklumpen so auflösen“, sagt Bäzner. Thrombolyse nennt sich dieses Verfahren. Doch das funktioniert nicht immer: Sind die Blutgerinnsel größer als acht Millimeter, können sie mithilfe der Lyse meistens nicht mehr entfernt werden. In solchen Fällen braucht es einen Kathetereingriff. Ein dünner Schlauch wird über eine Schlagader in der Leiste durch den Körper bis ins Gehirn geführt. Hat der Katheter die Stelle erreicht, schiebt sich ein Drahtgeflecht um das Gerinnsel wie ein Kescher um einen Fisch – und kann rausgezogen werden.

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Bluthochdruck steigert das Risiko für Vorhofflimmern

Wenige Stunden nach dem Zusammenbruch konnte die 67-Jährige wieder ihren Arm bewegen, die Aussprache hat sich verbessert. Nun lässt sie die Ursache ihrer Herzrhythmusstörungen beim Kardiologen behandeln. So sind Rhythmusstörungen teils angeboren, aber meist entstehen sie durch eine Erkrankung: eine Verengung der Herzkranzgefäße etwa, eine Herzschwäche oder eine krankhaft vergrößerte Schilddrüse. Ganz erheblich steigert der Bluthochdruck das Risiko für ein Vorhofflimmern. „Wichtig ist auch, dass Patienten, bei denen mehrere Risikofaktoren zusammenspielen, gerinnungshemmende Medikamente verordnet werden“, betont die Herzstiftung.

Regelmäßiges Pulsmessen ist empfehlenswert

Das Problem ist nur: Zwar leiden rund 1,8 Millionen Menschen an Vorhofflimmern und sind teils auch in Behandlung. Doch die Dunkelziffer, davon sind die Experten der Herzstiftung überzeugt, ist weitaus höher: Nur bei etwa der Hälfte der Patienten macht sich die Rhythmusstörung mit spürbaren Beschwerden wie Herzstolpern und Herzschlag bis zum Hals, Druckgefühl im Brustkorb, Angst, Luftnot, Schwindelgefühl und Leistungsschwäche bemerkbar.

Bei der anderen Hälfte tritt Vorhofflimmern meist ohne Symptome auf. Die Herzstiftung empfiehlt Menschen ab 60 und Herzkranken, regelmäßig den Puls zu messen – etwa beim Arzt, in der Apotheke oder mit Messgeräten zu Hause. Grönefeld: „Ist der Puls unregelmäßig oder liegt er in Ruhe über 100 Schläge pro Minute, sollte man einen Arzt aufsuchen, um klären zu lassen, ob ein Vorhofflimmern vorliegt.“

Wie sich ein Schlaganfall bemerkbar macht

Symptome
 Mit der FAST-Methode können die Anzeichen eines Schlaganfalls erkannt werden: 1. Face (Gesicht) – Hängt ein Mundwinkel herab? 2. Arms (Arme) – Können die Arme nach vorne gestreckt und die Handflächen nach oben gedreht werden? 3. Speech (Sprache) – Klingt sie verwaschen, oder ist ein Nachsprechen eines Wortes unmöglich? 4. Time (Zeit) – Trifft einer der Punkte zu, sollte sofort der Notruf 112 gewählt werden.

Weltherztag
 Auf die Wichtigkeit der Herzgesundheit möchte der Weltherztag am 29. September aufmerksam machen. Der Tag ist eine Initiative der World Heart Federation (WHF), in der sich die Herzstiftungen und kardiologischen Fachgesellschaften von mehr als hundert Ländern zusammengeschlossen haben. www.herzstiftung.de/weltherztag

Deutsche Herzstiftung
Die Herzstiftung stellt ihre Aktionen in diesem Jahr unter das Motto „Herz aus dem Takt“ und legt den Fokus auf die Ursachen, Diagnose und Therapie bei Vorhofflimmern. www.herzstiftung.de/vorhofflimmern