Heimatgeschichte: 1945 Transport ins Lager Rudolfsgnad / Mit Hilfe des Roten Kreuzes 1953 nach Deutschland

Leser erinnern sich an das Kriegsende im Jahr 1945 und die anschließende, schwere Nachkriegszeit. Die Lebensgeschichte von Martin Schick, geboren 1936 in Mramorak (Banat), klingt für heutige, mitteleuropäische Verhältnisse unvorstellbar.

Wellendingen. Mein Vater ist 1944 gefallen. Im Frühjahr 1945 kamen zwei Partisanen zu uns in Haus. Wir mussten mit den Kleidern, die wir vom Vortag am Leibe trugen, auf die Straße. Dort waren schon alle Nachbarn versammelt. Wir mussten runter ins Dorf, wo meine Mutter sowie alle anderen Frauen ihren Schmuck und Wertsachen abgeben mussten.

Sodann kamen wir in eine Wirtschaft in einen großen Saal. Dann wurden wir auf leerstehende Häuser verteilt. Hier mussten sich mehrere Familien einen einzigen Raum teilen. Dort waren wir einige Monate. Wir Kinder mussten Hühner und Kleingeflügel sammeln und auf einem großen Hof abgeben. In einem Viehwagen der Eisenbahn wurden wir nach Rudolfsgnad verfrachtet. Ein Tag und eine Nacht dauerte die Fahrt. In diesem Lager waren 21 000 Deutsche untergebracht. Davon ist die Hälfte qualvoll verhungert.

In Rudolfsgnad angekommen, teilten sich erneut drei Familien einen kleinen Raum. Dort waren wir etwa sechs Monate. Dann kamen wir in ein anderes Haus, wo sich vier Familien ein Raum teilten – so 15,16 Personen. Dort mussten wir in der Mensa Essen holen.

Auf allen Vieren gekrochen

Es gab eine Woche Erbsensuppe, nur mit Wasser zubereitet, ohne Salz und Fett. In der Suppe schwammen noch kleine Würmer rum. In der zweiten Woche gab es Gerstensuppe, ohne Salz und Fett zubereitet. In dieser Suppe schwammen "Spraien" herum.

Nach einem Jahr war ich so geschwächt (zehn Jahre), dass ich nicht mehr laufen konnte. Ich konnte mich nur noch auf allen Vieren fortbewegen. Dann kam ich in ein Heim, um aufgepäppelt zu werden. Dort gab es Brei aus Maisschrot und Milch von Milchpulver. Dann, nach vier Wochen, kam ich wieder zurück zu meiner Familie nach Rudolfsgnad. Ich weiß noch wie die Frauen im Zimmer zu meiner Mutter sagten: "Jetzt lebt er nicht mehr lange, jetzt hat er Wasser." (Mein Bauch war aufgebläht voller Wasser.)

Nach drei Jahren, 1948, kamen meine Mutter und mein Bruder in Zwangsarbeit ins Ried. Ich und meine Schwester waren noch zu jung, wir blieben zuhause. Ein Jahr danach wurden wir eingeschult, meine Schwester und ich. Es war eine serbische Schule, wir beherrschten diese Sprache jedoch nicht, weder in Wort noch in Schrift. (Bei uns zuhause wurde deutsch gesprochen.)

Nach der vierten Klasse – inzwischen beherrschte ich die Sprache – kam ich für ein Jahr auf die "Höhere Schule". Vom Frühjahr 1948 bis 1953 besuchte ich die Schule.

Im August 1953 kamen wir mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Deutschland. Wir kamen nach Bitting bei Bad Reichenhall ins Lager. Von dort nach Ulm, dann nach Balingen und von dort nach Schloss Lindich bei Hechingen.

Arbeit bei Josef Hafner

Im November 1953 kamen wir nach Wellendingen in eine Wohnung. Wir hatten weder Tisch noch Stuhl noch Bett. Aus diesem Grund hießen uns gleich die Vertreter eines Möbelhauses willkommen. Sie wollten uns Mobiliar verkaufen. Mit der kleinen Witwenrente meiner Mutter konnten wir uns jedoch nichts leisten.

Da habe ich mich im Ort kundig gemacht. Da kam ein Herr auf mich zu und sagte: "Was machst du da?" Ich sagte: "Wir sind soeben hier angekommen, und ich mache mich im Ort kundig." Er fragte mich, ob ich arbeiten möchte. Dies bejahte ich. Er sagte: "Dann komm mit mir."

Zwei Straßen weiter befand sich die Fabrik des Herrn Josef Hafner – eine Metallwarenfabrik. Ich hatte keine Ahnung von Metallbearbeitung und dergleichen, wurde dann aber gut und schnell eingearbeitet. Dort war ich siebeneinhalb Jahre beschäftigt. Dann war ich sieben Jahre in einer Zimmerei beschäftigt. Dann kam ich in den Betrieb von Paul Hafner, wo ich bis zu meiner Rente gearbeitet habe.

Im Jahre 1959 lernte ich meine Frau Maria kennen. 1961 haben wir ein Haus gebaut. 1962 haben wir geheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor. Im Jahre 1994 verstarb meine Frau nach schwerer Krankheit.

Beim Tanz lernte ich meine jetzige Lebensgefährtin kennen. Nach meiner Pension kam ich nach Straßberg, wo ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin wohne. Hier fühle ich mich wohl und komme mit allen gut zurecht. Trotz der vielen durchlebten Strapazen erfreue ich mich heute noch guter Gesundheit. Arbeite viel im Garten und freue mich über jeden neuen Tag in Gesundheit.