Na so was: Für den Mann von heute

In jedem Mann schlummert ein Entdecker. Beim einen mehr, beim anderen weniger. Da die Möglichkeiten, Abenteuer zu erleben, in der modernen Welt schrumpfen, greift so mancher nach jeder Gelegenheit. Eine bietet sich seit einigen Tagen: in Frittlingen und in Wellendingen.

Wellendingen/Frittlingen. Nennen wir unseren "Entdecker" Theo. Theo kommt mit seinem Fahrzeug aus Richtung Spaichingen, er möchte Richtung Schömberg fahren und erhält urplötzlich die Gelegenheit für ein Abenteuer. Heißt es doch im Weiler Neuhaus "OD Frittlingen für LKW gesperrt". Eigentlich ein klares Signal.

Da Theo keinen Lkw unter sich hat, zögert er keine Sekunde, doch Richtung Frittlingen abzubiegen. Nach einigen Minuten erreicht er den Außenposten des Landkreises Tuttlingen und peilt die Fahrt Richtung Wellendingen an. Kein Wunder, dass er das große Transparent, das über der Ortsdurchfahrt gespannt ist ("Achtung Baustelle! Durchfahrt für LKW nicht möglich!!!") als nette Dekoration sieht und weiter Richtung Norden fährt. Pulsiert da altes Wikingerblut in seinen Adern?

Das ist sehr wohl hilfreich, da die Bauarbeiten in Frittlingen und entsprechende Umleitungsausschilderungen es erforderlich machen, dass Theo zwei Runden in einem Wohngebiet mit Tempo-30-Zwang drehen muss, bis er dann doch endlich in einem Gewerbegebiet landet mit dem verheißungsvollen Hinweis: Wellendingen.

Pioniere zögern nicht

Schön, dass er nicht der einzige ist. Ein Lastkraftwagen mit polnischem Kennzeichen, ein Motorrad und ein "Sprinter" haben den gleichen Gedanken und das gleiche Blut in ihren Adern fließen. Vorwärts. Während der Lkw-Fahrer am Ortsausgang ins Grübeln kommt, als er die Schilder "OD Wellendingen gesperrt", "bis Baustelle frei" und "Keine Wendemöglichkeit" wahrnimmt, und wendet, zögert Theo keine Sekunde. Genauso wenig wie Motorrad und "Sprinter".

Auf erfrischend ebenen Belag wird die Kreisgrenze passiert. Dann wartet auf Theo die nächste Herausforderung. Während es freundlich rechts der Landesstraße "Willkommen in Wellendingen" heißt, ist eben jene wirklich (!) nicht mehr befahrbar. Alles aufgerissen, schweres Baustellengerät blockiert ein mögliches Weiterfahren. Sogar Geräusche von Arbeiten und Arbeitern sind zu hören. Endet so schnöde die Fahrt?

Natürlich nicht. Amundsen hat sich vor mehr als 100 Jahren im Nordpolarmeer von solchem Kleinkram auch nicht beeinflussen lassen. Und Theo ist aus dem selben Holz geschnitzt. Rechts der Straße geht es weiter. Sogar zwei Chancen hat er.

Gleich wieder links ist – relativ durchschaubar für echte Entdecker – ein "Sackgassen"-Verkehrszeichen angebracht, das garantiert nicht der Chef der Straßenverkehrsbehörde oder gar der Landrat montiert hat. Weiter geht’s.

Weit und breit kein Deutz

Doch nicht lange. Die Garage eines Anwesens stoppt die Fahrt relativ bald. Theo wendet und probiert den rechten Weg. Obwohl dort zu Beginn die Schilder-Botschaften lauten "Durchfahrt verboten. Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Landwirtschaftlicher Verkehr frei", scheint der rechte der bessere zu sein, ein Fahrzeug mit Reutlinger Nummer kommt ihm flott entgegen.

Was die Wellendinger Landwirte auch für Autos haben. Derzeit scheinen Traktoren, Mähdrescher oder die formschönen Deutz-Oldtimer woanders im Einsatz zu sein.

Theo, weiterhin guten Mutes, erklimmt das "Hoarn". Selbst etliche Passagen mit ekligem Gestein statt des fortschrittlicheren Asphalts stoppen ihn und die Suche nach der Nordpassage nicht. Wer fährt schließlich auf Schotter, wenn es rechts auf Feldern einfacher geht.

Und recht hat er. Kaum den Hügel erklommen, geht es auf der anderen Seite hinab. Erste Zeichen der Zivilisation sind zu erkennen. Ein Feldkreuz. Und einige Meter weiter einen modernen Abfallbehälter für Hunde-Hinterlassenschaften. Theo atmet durch. Zwar ist er jetzt doch nicht der erste, der diesen neuen Kontinent entdeckt hat, aber sein Ziel hat er erreicht. Rein ins schöne Wellendingen.

Kurz bei einem Kreisverkehr einen Blick auf das andere Ende der Baustelle geworfen ("bis Baustelle frei"). Guter Scherz. Ein Container gleich hinter diesem Schild sagt mehr als diese drei Worte. Theo schüttelt den Kopf. Wer wird auch so unbeholfen sein, da weiter zu fahren!

Er jedenfalls nicht. Er vollendet die Kreisverkehrrunde und fährt dann zügig beim anderen, dem "Adler"-Kreisel, Richtung Schömberg. Mit dem guten Gewissen, im durchgetaktetem Alltag ein kleines Abenteuer erlebt zu haben.