Allein unter Männern? Nein. Chefin Patricia Seibert-Klöck ist stolz auf ihre drei Männer im Kinderzentrum Wellendingen und froh, dass sich gleich ein Trio mit den 23 Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen um die derzeit 130 Kinder kümmert: Robin Frydek, Jannik Frey und Leon Fuchs (von links). Foto: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Emanzipation: Über Berufsfindung, Wertschätzung und Akzeptanz in einer weiblichen Domäne

Die Emanzipation des Mannes schreitet unaufhörlich voran. Ein gelungenes Beispiel für diese Entwicklung lässt sich im Kinderzentrum Wellendingen antreffen: Erzieher und Kinderpfleger. Und zwar gleich drei.

Wellendingen. Das Schöne beim Besuch im relativ neuen, freundlichen und großzügig ausgestatteten Kinderzentrum ist die Beobachtung, dass Frauen und Kinder sehr froh über die Mitarbeit von Robin Frydek (26 Jahre), Jannik Frey (22 Jahre) und Leon Fuchs (20 Jahre) sind. Drei Männer unter 23 Frauen. Gibt es in Deutschland im Schnitt sechs Prozent männliche Erzieher in Kindertagesstätten, sind es somit in Wellendingen prozentual etwa doppelt so viele.

Waren Männer vor etwa zehn Jahren noch Exoten in Kindergarten und Kinderkrippe, scheint sich allmählich eine Trendwende anzudeuten. Wo sich einst Nonnen, Schwestern und Erzieherinnen nahezu uneingeschränkt um das Wohl der jungen Erdenbürger gekümmert haben, entdecken immer mehr Männer dieses Berufsfeld. Wie Robin, Jannik und Leon.

Leon, Robin und Jannik

Bei Leon hat die Orientierung in der Schulzeit eingesetzt. Mit etwa 14 oder 15 Jahren hat er ältere Kinder während der Ferienzeit betreut. Dies habe ihm gefallen. Nach der Schulzeit sei für ihn nur ein Beruf als Erzieher in Frage gekommen, berichtet der Winterlinger. Er schätzt das Abwechslungsreiche. Vieles lasse sich nicht planen. Es gelte, auf die Individualität der Kinder einzugehen.

Bei Robin hat die Berufsfindung etwas länger gedauert. Mehrere Praktika habe er gemacht und schließlich für sich beschlossen, dass seine Berufung eine Arbeit im Kindergarten sei. Er findet es spannend, wie sich die Kinder unterschiedlich entwickeln. Es bereite ihm das Soziale, die Arbeit im Kinderzentrum Wellendingen, unheimlich viel Spaß.

Als Jannik festgestellt hatte, dass eine Tätigkeit im Handwerk wegen seiner zwei "linken Hände" nicht das beste sei und er mittels Praktika in verschiedenen sozialen Berufen hineinschnuppern konnte (Altenheim, Kindergarten, Ergotherapie), war schließlich für ihn schnell klar, dass seine Berufung der Kindergarten sei. Er bekomme viel von den Kindern zurück, strahlt der Benzinger. Er berichtet von positiven Rückmeldungen von Eltern und Erzieherinnen, von Wertschätzung und Akzeptanz.

Wichtig sei, dass die Kinder männliche Ansprechpartnern haben, betonen alle drei Männer – und die Leiterin des Kinderzentrums, Patricia Seibert-Klöck.

Wie äußert sich in der tägliche Praxis die Tatsache, dass Männer im Haus sind? Ganz selten spielen Frauen im Außenbereich Fußball mit den Kindern, ist Seibert-Klöck aufgefallen. Und: Zwar seien Frauen im Werkraum ebenfalls kreativ, aber Jungs gehen nun mal anders zu Werke.

Dass Buben ihre Kräfte miteinander messen wollen und es zu Tobereien kommt, ist Bürgermeister Thomas Albrecht aus seiner Kindheit noch in guter (?) Erinnerung. Bis zu einem gewissen Grad sollen sie es auch dürfen, sind sich die Erzieher einig. Und hier helfe die Einschätzung der Situation der männlichen Erzieher weiter.

Dass sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas in der Erziehung geändert hat, zeigt eine weitere Beobachtung des Bürgermeisters und Vaters zweier Kinder: Früher seien die Jungs an der Hobelbank gewesen, und jetzt stricken sie Socken. Da kann also mehr männlicher Einfluss in der Erziehung durchaus als Bereicherung angesehen werden.

Generell ist die Resonanz auf die drei Erzieher bei den Eltern des Wellendinger Nachwuchses positiv, teilt Patricia Seibert-Klöck mit. Männliche Ansprechpartner werden bevorzugt, habe sie beobachtet. Beim Abholen der Kinder komme es nicht immer nur zu einem knappen Gespräch. Mit dem einen Vater oder anderen Opa werden schon mal mehrere Sätze gewechselt, ergänzt Leon.

Während der kleinen Gesprächsrunde wird deutlich, dass es im Kinderzentrum im Prinzip wie in einer großen Familie mit Mutter und Vater zugeht. In einer modernen Familie, in der der Vater Windeln wechselt und die Mutter im Werkraum den Hammer schwingt.

Weil es in heutigen Zeiten mit den erweiterten Betreuungsangeboten nicht immer einfach ist, Personal zu finden, setzen die Gemeinde Wellendingen und das Kin- derzentrum verstärkt auf Ausbildung. Derzeit werden fünf Azubis beschäftigt, sagt Seibert-Klöck. Bis jetzt seien alle übernommen worden. Dieses Angebot gilt somit gleichfalls für Jannik, Robin und Leon, die seit 2017 die Vorzüge in Wellendingen kennenlernen und deren Ausbildung beziehungsweise Verträge bis August 2019, Oktober 2019 und August 2020 laufen.

Die Drei – alle (noch) ohne eigene Kinder – wollen – trotz den teils beachtlichen Anfahrtswegen nach Wellendingen – gerne hier bleiben, sagen sie unisono. Da motiviert eine Eins, die Jannik kürzlich bei einem Praxisbesuch (Thema Bewegungsangebote) erhalten hat, zusätzlich.

Mit dem Traktor nach Haus

Dass in Wellendingen die Uhren hin und wieder anders gehen als anderswo, zeigt ein weiteres, nicht alltägliches Detail. Als zur Mittagszeit Kinder abgeholt werden, fällt auf dem Autoparkplatz ein Deutz-Traktor auf. Kurze Zeit später wird er gestartet – von einer Oma, die mit ihrem Enkel heimtuckert.