Hoher Besuch in Wellendingen (von links): Peter Freyberg, Christoph Freyberg, Volker Schmeh, Thomas Albrecht, Pater Hubertus Freyberg, Hildegard und Josef Leibold. Fotos: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Drei Herren von Freyberg besuchen Wellendingen, das Rathaus und St. Ulrich

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich vier Schlossherren in Wellendingen im Schloss, also im Rathaus, treffen: der aktuelle, Bürgermeister Thomas Albrecht, und drei aus dem Geschlecht derer von Freyberg, die es sein könnten, wenn die Geschichte Anfang des 19. Jahrhunderts anders verlaufen wäre.

Wellendingen. Seit einigen Jahren treffen sich die drei Brüder Peter, Christoph und Hubertus Freyberg einmal im Jahr, um gemeinsam einen Ausflug oder eine kleine Reise zu unternehmen. In der Regel geht es in Städte oder Gemeinden, die sich im Besitze der Freiherrn befanden. In diesen Tagen schauten sie in Wellendingen vorbei.

Der Kontakt kam durch die Familie Josef und Hildegard Leibold zustande. Pater Hubertus Freyberg (Spiritual des Tagungshauses Regina Pacis, Leutkirch; Priester und Philosoph, bekannt durch monatliche Fernsehgottesdienste auf EWTN.TV und auf Radio Horeb) traute im Oberschwäbischen ein Familienmitglied; und der herzliche Kontakt blieb mit der aus Wilflingen stammenden Familie. Während Hubertus Freyberg in Leutkirch wirkt, wohnt Peter Freyberg in Allmendingen und Christoph Freyberg in Neu-Ulm. Die von Freyberg sind eine alte, weitverzweigt lebende Familie, in etwa 350 Gemeinden und Städten aufgeteilt, erfahren die Wellendinger.

Das Rathaus in Wellendingen war einst das Schloss, erbaut in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie Heimatforscher Volker Schmeh berichtet, der den Besuch beim Gang durch das "alte Gemäuer", das Anfang des Jahrtausends aufwendig renoviert wurde, begleitet. Und: Im jetzigen Bürgerhaus wohnte einst der Vogt.

In Wellendingen gab es so manche Herrscher, doch allzu lange blieb keiner. Die von Freyberg machten in gewisser Weise eine Ausnahme; ihre Gegenwart ist etwa zwei Jahrhunderte lang belegt. Eine Tochter des Hans von Humpiß, der keinen männlichen Nachkommen hatte, heiratete einst einen von Freyberg.

Die Gäste stoßen beim Betreten des Rathauses auf das Familienwappen von 1722 im Eingangsbereich. Dank Bürgermeister a. D. Erich Koch kam es einst von Allmendingen nach Wellendingen. Weil der Besuch damals mit einigen Turbulenzen angereichert worden war, blieb er in Erinnerung.

Einst drohte der Konkurs

Sie erfahren aber ebenso, dass damals, also im 17. und 18. Jahrhundert, das Verhältnis der Schlossherren mit dem Volk wahrlich kein ungetrübtes gewesen war. (Ob Wellendinger Bürger nun Rückhalt durch Österreich hatten oder generell einer selbstbewussten Art entstammten – darüber schweigt sich die Forschung aus.) Volker Schmeh spricht Unstimmigkeiten an, Kämpfe und schließlich einen drohenden Konkurs, der mit der Veräußerung der Wellendinger Besitzungen nicht spruchreif geworden sei. Die Gemeinde habe den Grundbesitz 1823/24 ge- und an die Bürger weiterverkauft. Bestes Land zum Beispiel die Neuwiese, angrenzend an das Schloss. Wo heute Friedhof, Kindergarten, Schule, Hallen stehen.

Die Gäste betreten das Arbeitszimmer des aktuellen Schlossherrn und bewundern den freigelegten Stuck an der Decke. Sie verweilen im Sitzungssaal, direkt unter der Bühne, wo das Archiv seinen Platz gefunden hat.

Sie blicken aus Fenstern: mit Blick auf den Ortskern – und auf Wilflingen. Wie Thomas Albrecht betont. Der Bürgermeister stellt kurz seine Gemeinde vor. Eine finanziell unabhängige. Mit etwa 1500 Arbeitsplätzen, so Albrecht. Und mit Gewerbesteuereinnahmen von 6,6 Millionen Euro (Stand Kalenderwoche 20). Rekord.

Beim Wunsch, die Kirche St. Ulrich zu besuchen, kommt das Epitaph mit dem Wappen der Freyberger zur Sprache, das an der Kirche angebracht ist (Duplikat) und an einer nicht so repräsentativen Stelle im Rathaus (Original). Im Gotteshaus erklärt Volker Schmeh den Bau von 1937 und die Vollendung 1945. In Zeiten von Not und Pein, in denen es nicht selbstverständlich war, Kirchen zu bauen.

Märtyrer Bonus

Die Verbindung mit den Freiherrn von Freyberg stellt Volker Schmeh her, als er über Geschehnisse spricht, die am Ende des 17. Jahrhunderts passierten. Phantastisches wird erzählt: über den Heiligen Bonus, über eine Reliquie, darüber, dass Wellendingen damals beinahe ein Wallfahrtsort geworden wäre, wenn nicht die hohe Geistlichkeit Einhalt geboten hätte, und über einen Ausdruck, den Josef Leibold als kleiner Bub, begründet auf seine bleiche Haut, immer wieder gehört hat. Auf Hochdeutsch: Du siehst aus wie der Märtyrer Bonus.

Ein Gastgeschenk rundet die Visite ab. Aufzeichnungen eines Onkels der drei Freyberger, der 100 Jahre alt geworden war und einst seinen Flug- vor seinem Führerschein gemacht hatte.