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Wetterkapriolen lassen die üblichen Erntemengen um ein Drittel schrumpfen - dafür Top-Niveau.

Stuttgart - Im Mai sorgte Nachtfrost für erhebliche Ausfälle, im Frühsommer zerfetzte der Hagel die Trauben am Rebstock. Doch der Rest bringt Württembergs Wengerter eine überdurchschnittlich gute Ernte. Der Weinbauverband spricht schon vor der Lese von einem "denkwürdigen Jahrgang 2011".

So nah wie in diesem Jahr lagen Frust und Freude im Weinbau selten beisammen. Denn einerseits gönnt die Natur den Wengertern in Württemberg beim Jahrgang 2011 einen Platz auf der Sonnenseite. Üppig und prall hängen vom Stromberg bis ins Remstal die Trauben in den Rebzeilen. Das gut zwei Wochen früher als üblich reife und vor allem kerngesunde Lesegut weckt berechtigte Hoffnungen auf außergewöhnlich gute Qualität im Glas. Weil die Vegetation ihrer Zeit weit voraus ist, beginnt die Lese der frühen Rebsorten schon in diesen Tagen, von Fäulnis und Pilzbefall bleiben die Weintrauben in diesem Jahr offenbar weitgehend verschont.

Erhebliche Frostschäden, weniger Ertrag

Dass dennoch nicht allen Wengertern zum Jubeln zumute ist, liegt an den längst absehbaren Einbußen bei der Erntemenge: Statt der im Durchschnitt gekelterten 110 Millionen Liter werden auch dieses Jahr nur etwa 75 Millionen Liter Wein in die Fässer kommen. Wie 2010 bleiben die Erträge weit hinter den Erwartungen zurück.

Der Grund sind die teilweise erheblichen Frostschäden in den Weinbergen im Frühjahr. Anfang Mai hatten nächtliche Minusgrade den Wengertern verheerende Ausfälle beschert. Vor allem im Taubertal, aber auch im Heilbronner Unterland und im Bottwartal überlebte kaum eine Knospe den Kälteeinbruch.

"In Württemberg ist etwa ein Drittel der Rebfläche durch den Frost ganz zerstört oder zumindest stark geschädigt", erklärt Karl-Heinz Hirsch Direktor des Weinbauverbands. Zumal im Frühsommer vielerorts der Hagel die frostgeschädigten Rebhänge traf. Was die Kälte überstanden hatte, rafften die vom Himmel prasselnden Eiskörner hinweg. Dieter Weidmann, Chef der Möglinger Wengerter-Zentralgenossenschaft (WZG), rechnet gar mit einem Ernteausfall von bis zu 40 Prozent in den Weinbergen der 61 Mitgliedsbetriebe. Vor allem Weißwein wird ein äußerst knappes Gut.

Bereits der Jahrgang 2010 war mengenmäßig schwach

Den Weinbau in Württemberg treffen die erneuten Ertragseinbußen ins Mark. Bereits der Jahrgang 2010 war mengenmäßig als schwächste Ernte der vergangenen 25 Jahre in die Annalen eingegangen. Wegen diverser Wetterkapriolen lag die in die Keller gebrachte Weinmenge bei nur 75,3 Millionen Litern - ein Minus von gut 35 Prozent im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt. Schon jetzt sitzen die Wengerter deshalb auf leeren Fässern. Weil auch beim Jahrgang 2011 keine größeren Mengen in Sicht sind, müssen sich die Erzeuger erneut auf sinkende Erlöse einstellen. An der Preisschraube drehen können nämlich höchstens Weingüter, die von treuen Stammkunden leben. Wer wie viele Genossenschaften auf den Verkauf im Einzelhandel angewiesen ist, kommt schnell unter die Räder, wenn er die Preise erhöht. Mehr noch: Auch die Gefahr, dass Wein aus Württemberg aus dem Supermarkt-Regal verschwindet. Wer nicht genug Rebensaft einer Sorte liefern kann, wird bei Lidl & Co schnell ausgelistet.

"Wir wissen bereits jetzt, dass wir die Nachfrage nicht decken können", sagt Ulrich Maile, Vorstandschef der Lauffener Weingärtner. Die Genossenschaft gilt bundesweit als größter Produzent von Schwarzriesling. Gut 30 Prozent ihrer Rebhänge hat der Frost in diesem Jahr zerstört. Ein Trost ist für Maile die "außergewöhnlich gute Qualität" der von der Kälte verschonten Weintrauben.

Sieben Millionen Euro für Frostschäden

Auch Hermann Hohl, der Präsident des Weinbauverbands, ist guten Mutes, dass die Klasse des Rebensafts die fehlende Masse ausgleicht: "Während sich der Müller-Thurgau auf Normalniveau bewegt, liegen spätreife Sorten wie Riesling und Lemberger bereits jetzt im Qualitätsweinbereich jenseits der 75-Oechsle-Grad-Marke", sagt er.

Das Land hat für die vom Frost besonders betroffenen Wengerter sieben Millionen Euro in Aussicht gestellt. Laut Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) werden bis zu 80 Prozent der Schäden finanziell ausgeglichen, bis Ende Oktober können Anträge gestellt werden. Bonde regt auch an, dass von Kälte und Hagel betroffene Betriebe erlaubt wird, sich in anderen Regionen mit Weintrauben einzudecken - auch wenn der "Württemberger" dann nicht mehr aus Württemberg kommt.