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Traubenklau: Während der Lesezeit streifen Vollzugsbeamte durch Weinberge der Region.

Stuttgart/Fellbach - Die Weinbaubetriebe in der Region holen derzeit einen ausgezeichneten Jahrgang in ihre Keller. Damit Traubendiebe die Wengerter nicht um den Lohn ihrer Arbeit bringen, wachen Angehörige der städtischen Vollzugsdienste in den Weinbergen. Besonders umfangreich fällt dieser Feldschutz in Stuttgart aus.

"Nein, es ist kein Kavaliersdelikt", sagt der Einsatzleiter des Stuttgarter Vollzugsdienstes aus Überzeugung. In diesem Fall meint Udo Steinicke nicht die Falschparker, die sich in der Stuttgarter City ganz in Gedanken auf einen Behinderten-Parkplatz gestellt haben. Steinickes Entrüstung gilt ertappten Traubendieben, die nicht einsehen wollen, dass es strafbar ist, wenn sie Trauben gleich tütenweise mitgehen lassen. "Erst am vergangenen Dienstag hatten wir einen solchen Fall", erinnert sich der Stuttgarter Vollzugsbeamte. Im abgelegenen Weinberg beim Stadtteil Burgholzhof hat eine Weinbergstreife einen Mann erwischt, der sich mit Trollingertrauben zwei Tragtüten gefüllt hatte. Sein Unrecht habe er nicht einsehen wollen. "Die Wengerter brauchen doch gar nicht alles, was bei ihnen wächst", hat der Dieb behauptet. Er meinte damit die mittlerweile weit verbreitete Qualitätspflege im Weinberg. Dabei schneiden die Eigentümer lang vor der Lese unreife Trauben aus und lassen sie auf dem Boden liegen. Einerseits verhindern sie dadurch, dass die Erntemenge zu groß wird. Auf der anderen Seite erhöht sich durch weniger Trauben an einem Stock die Qualität.

Verstärkte Präsenz in den Weinbergen

Ob der Dieb am Burgholzhof durch diese Erklärung seine Tat in einem anderen Licht sieht, weiß Steinicke nicht. Seine Leute haben jedenfalls die Personalien des Mannes aufgenommen und an den Besitzer des Weinbergs weitergegeben. Es sei dessen Sache, den Diebstahl zur Anzeige zu bringen. Seit 2006 zeigt der städtische Vollzugsdienst in den insgesamt 400 Hektar großen Weinberglagen der Landeshauptstadt verstärkte Präsenz. Zusätzlich zum normalen Außendienst sind 16 Leute der Innenstadtgruppen zu Fuß oder im Auto in den Weinbergen zwischen Mitte September und Ende Oktober nahezu rund um die Uhr unterwegs.

Die Präsenz zeigt Wirkung. Während sich die Wengerter früher scharenweise darüber beklagten, dass sich Spaziergänger immer hemmungsloser an den Reben bedienten, gibt es diese Hinweise in diesem Herbst nicht. "Diebstahl ist bei uns kein Problem", meint der Geschäftsführer der Weinmanufaktur Untertürkheim, Stefan Hübner. Und gegen Spaziergänger, die hin und wieder eine Traube probieren, habe niemand etwas. Hauptsache sei, es komme zu keinen größeren Diebstählen. Wie zum Beispiel im Jahr 2009. Ende Oktober klauten Unbekannte unterm Rotenberg insgesamt 1500 Kilo Trollinger. Bis heute gibt es keine Hinweise auf die Täter.

Nachereien werden toleriert

Auch in Fellbach und im Remstal spielt das Thema Traubendiebstahl im großen Stil keine Rolle. "Die kleinen Naschereien am Wegesrand tolerieren wir seit Jahren", berichtet Friedrich Benz von den Fellbacher Weingärtnern. Manfred Felger, Vorstandsvorsitzender der Remstalkellerei in Weinstadt, gewinnt dem Traubentest während eines Spaziergangs sogar positive Seiten ab. "Wer den Trollinger oder Riesling als Traube im Weinberg probiert, trinkt auch unseren Wein", ist Felger überzeugt. Benz verrät in diesem Zusammenhang einen Kniff seiner Kollegen. An den Hauptspazierwegen des Kappelbergs würden die ihre Bestände einfach weniger stark ausdünnen. Werden diese Trauben dann weggenascht, falle dies nicht ins Gewicht.

Der Fellbacher Klaus Bauerle, der auf dem Schmidener Feld Gemüse und Obst im großen Stil anbaut und vermarktet, stößt dagegen in ein anderes Horn. "Die Diebstähle auf den Feldern nehmen stark zu", behauptet er. Geprägt ist seine Aussage von einem Einbruch in seine Anlage für Tafeltrauben. In der vergangenen Woche wurden ihm dort nach Schätzungen der Polizei rund 400 Kilogramm dieser Früchte gestohlen. Von den Tätern gibt es keine Spur.

Dieses Schicksal teilt Bauerle mit dem Weingutsbesitzer Roland Vollmer aus Sachsenheim, Kreis Ludwigsburg. Aus einem seiner Weinberge verschwanden in der vergangenen Woche rund 2500 Kilogramm Trollingertrauben. Wert der Beute: rund 6000 Euro. Vollmer geht davon aus, dass seine Früchte bereits verkauft sind. Hagel und Frost hätten in manchen Weinbaugebieten Württembergs einen Totalschaden angerichtet. "Wer in dieser Lage ist, stellt keine großen Fragen, wenn ihm Trauben zum Kauf angeboten werden", erklärt sich Vollmer die vergebliche Suche nach den Traubendieben.