Ein gutes Jahr ist es her, dass Oberbürgermeisterin Diana Stöcker in ihr Amt eingeführt wurde. Zeit, mit ihr gemeinsam zurückzuschauen.
Polierte Tischplatten aus heimischem Holz, selbst fotografierte Aufnahmen amerikanischer Urwälder: In ihrem Oberbürgermeisterbüro im Weiler Rathaus hat Diana Stöcker in ihrem ersten Amtsjahr sichtbar eigene Akzente gesetzt.
Ein Blick in die vergangene Woche: Am Montag ging es im Finanzausschuss um den Wald und einen neuen Standort für DRK und DLRG, am Dienstag stand im Kultur-, Sport- und Verwaltungsausschuss das Thema Kindergartenplätze auf der Tagesordnung, am Mittwoch hatten Sie Weiler Unternehmer beim Weiler Wirtschaftstreffen bis spät am Abend im Rathaus zu Gast und am Donnerstag haben Sie mit Kulturamtsleiter Peter Spörrer das Programm für das 3-Länder-Stadt-Festival im August vorgestellt. Wie halten Sie diese hohe Schlagzahl durch?
Das ist seit zwölf Monaten so. 70 bis 80 Stunden pro Woche sind nicht selten. Ich habe mich beruflich immer hoch engagiert. Ich muss aber auch sagen: Mir macht diese Arbeit unglaublich viel Spaß. Ich merke, dass ich etwas bewirken kann. Und dafür erhalte ich viel positive Resonanz. Das gibt mir Energie. Ich brauche aber auch Auszeiten und bin froh, wenn ich dann Urlaub habe.
Wie ist Ihr persönliches Resümee nach diesen ersten zwölf Monaten?
Ich ziehe gerne selbst Bilanz und meine, ich konnte bereits einiges erreichen. In meinem Wahlkampf habe ich einen „#vollerchancen“-Plan mit neun Themenschwerpunkten festgelegt, von „Bürgerschaftlichem Engagement“ bis „Gelebte Trinationalität“. Für mich ist dies mein Leitfaden durch die acht Jahre meiner Amtszeit. Daran werde ich mich messen.
Welche Devise leitet Sie?
Mein Credo heißt „Stärken stärken“. Es leitet mich bei den Zielsetzungen für Weil am Rhein. Es ist aber auch meine Einstellung etwa im Umgang mit Mitarbeitenden oder bei der Kindererziehung.
Wo konnten Sie denn schon größere Pflöcke einschlagen?
Ein Thema ist die Innenstadtentwicklung. Grundsätzlich ist das ein langfristiges Thema, nichts, was von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Oft höre ich, Lörrach sei ein Vorbild. Man muss aber bedenken, dass viele Entscheidungen, die sich heute dort auswirken, vor 40 Jahren getroffen wurden. Wir wollen die Entwicklung in der Innenstadt mehr steuern und auf ein breiteres Angebot hinwirken.
Als erste Schritte haben wir eine Vorkaufsatzung erlassen und ein Haus in der Hauptstraße gekauft. Dafür gab es viele positive Rückmeldungen. Wir stehen nicht schlecht da: Wir haben einen sehr hohen Markenbestand und große Verkaufsflächen – eher wie eine Stadt mit 100 000 Einwohnern. Unser Problem ist die lange Hauptstraße, und dass wir kein echtes Zentrum haben. Um herauszuarbeiten, wo man Handlungsansätze hat, haben wir die Fortschreibung des Märkte- und Zentrenkonzepts in Auftrag gegeben.
Wo noch?
Beim Thema Sicherheit und Sauberkeit. Da kann man schneller etwas bewirken, braucht dennoch Geduld. Wenn es dreckig ist, fühlen sich die Menschen unsicherer. Ein gutes Beispiel ist die Hardstraße in Friedlingen, wo immer wieder illegal Müll abgeladen wurde. Hier konnten wir mit der Bahn eine regelmäßige Reinigung vereinbaren und säubern im Umfeld der Glascontainer selbst.
Trägt die neue Vorkaufsatzung Früchte?
Die Vorkaufsatzung zeigt Wirkung. Potenzielle Käufer, die sich für eine Immobilie in der Hauptstraße interessieren, melden sich bei uns, um ihr Konzept vorzustellen. Wenn uns dieses zusagt, verhandeln wir einen städtebaulichen Vertrag über die künftige Nutzung.
Was konnten Sie noch erreichen?
Wir haben einen neuen Standort für das DRK und die DLRG. Das war eines meiner Wahlkampfversprechen an die beiden Blaulicht-Organisationen. Die neue Feuerwache-Nord ist in Planung. Was die neue Polizeiwache in Weil am Rhein betrifft, für deren Bau sich der Gemeinderat schon lange ausgesprochen hat, ziehen das Polizeipräsidium Freiburg und wir an einem Strang. Wir warten seit mehreren Monaten auf ein vom Landesbetrieb Vermögen und Bau erstelltes Raumbuch, um Genaueres über die benötigten Räume zu erfahren. Ich habe schon Ideen, wie es dann schneller gehen könnte.
Eines ist sicher: Ich lasse nicht locker! Die Zustände unserer jetzigen Polizeiwache sind entwürdigend.
Stichwort Wohnraum: Im Friedlingen sind viele Bauprojekte im Gang. Aus Ihrer Sicht: Wie wird sich der Stadtteil dadurch verändern?
Friedlingen hat sich durch die Tram bereits verändert. Viele Leute dort sagen, es sei sauberer, strukturierter geworden. Was auffällt ist, dass immer mehr Akademiker dorthin ziehen, die in der Schweiz arbeiten, aber auch junge, diverse Menschen, die das „Großstadtflair“ und die Nähe zu Frankreich und der Schweiz schätzen. Der Wert der bestehenden Wohnungen steigt. Die neuen, hochwertigen Wohnungen mit neuen Kindergärten werden zu weiteren Zuzügen führen.
Stichwort Schulen und Betreuung: In Weil am Rhein fehlen – statistisch gesehen – 134 Kindergartenplätze. Was liegt hier im Argen? Wie gehen Sie damit um, dass 2026 ein Rechtsanspruch für Nachmittagsbetreuung in den Grundschulen eingeführt wird?
Das ist ein statistischer Wert. Bei den über Dreijährigen stehen zur Zeit 30 Kinder konkret auf der Warteliste. Wir bauen kontinuierlich Betreuungsplätze aus. Dass wir für sie keinen Kindergartenplatz haben, liegt auch daran, dass es einfach zu wenig pädagogische Fachkräfte gibt. Hinzu kommt, dass es viel mehr auffällige Kinder gibt als früher. Teilweise ist eine Eins-zu-Eins-Betreuung notwendig. Um Personal zu finden, haben wir ein Projekt mit einer Freiburger Agentur gestartet, die indische Fachkräfte rekrutiert, die wir dann ab 2027 ausbilden.
Die Betreuung in den Grundschulen macht mir weniger Sorgen. 45 Betreuungskräfte haben wir bereits, da wir das Angebot bisher schon entsprechend der Nachfrage ausbauen.
Stichwort Kultur: Zuletzt gewann man den Eindruck, dass es im Bereich der Kultur nicht so glatt lief. Kulturamtsleiter Peter Spörrer musste sein ursprünglich geplantes ESC-Festivalprogramm abspecken. Patrick Luetzelschwab, seit zwei Jahren Leiter der Galerie Stapflehus, verließ die Stadt wegen Unstimmigkeiten. Woran liegt das?
Beim ESC-Festival traten Komplikationen auf, die man nicht vorhersehen konnte, sowohl beim geplanten Gelände im Rheinpark als auch bei der Sicherheitslage. Viele der Acts, die wir gern gebucht hätten, haben lange gezögert, ihre Verträge zu unterschreiben, in der Hoffnung auf einen Vertrag in Basel.
Wir haben zusammen mit dem Gemeinderat die Entscheidung für eine kleinere Festival-Variante getroffen – die sich letztlich als richtiges Programm zum richtigen Zeitpunkt entwickelt hat. Das Medienecho war außerordentlich positiv. Zudem hatten die Veranstaltungen ein hohes Niveau.
Was den Abschied von Patrick Luetzelschwab betrifft, führten unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Leitungstätigkeit dazu, dass sich beide Seiten nicht auf eine Verlängerung des auf zwei Jahre befristeten Vertrages einigen konnten. Mit der lückenlosen Übergabe an Frau Balzer sehen wir das Stapflehus aber weiterhin in sehr guten Händen.
Stichwort Finanzen: Wegen struktureller Probleme in der Finanzplanung gilt es den Gürtel enger zu schnallen. Wo setzen Sie den Rotstift an?
Was wir für den laufenden Betrieb ausgeben müssen, ist so viel, dass wir uns weniger Projekte leisten können. Wir müssen daher bei den Investitionen Prioritäten setzen. Welche dies sein können, erarbeiten wir zur Zeit bei Klausurtagungen mit dem Gemeinderat. Zwei davon haben schon stattgefunden, im März und im Mai, eine weitere folgt im Juli. Es wurden zudem Prüfaufträge an alle Ämter erteilt, welche Einsparungen möglich wären.
Große Politik im Fokus: Zur Zeit steht Weil am Rhein wegen der verschärften Grenzkontrollen besonders im Licht der Öffentlichkeit. Wie stehen Sie dazu?
In Weil am Rhein mit seiner EU-Außengrenze zur Schweiz zeigt sich die Problematik wie in einem Brennglas. Ich stehe zu den Kontrollen und finde sie richtig. Es kamen viele Menschen illegal über die Grenzen, so dass Handlungsbedarf bestand. Die Zahlen der illegalen Einwanderung sind deutlich zurückgegangen auch hier im Landkreis Lörrach. Kriminelle werden festgenommen.
Sie kennen die Stadt ja nun schon länger und haben Sie im Wahlkampf und bis jetzt in alle Ecken ausgeleuchtet. Gibt es dennoch etwas, was Sie überrascht hat?
Die Stadt Weil am Rhein ist mir ans Herz gewachsen ist. Auffällig ist, wie viele Menschen hier an ihrer Stadt hängen. Das zeigt sich in einem überaus hohen Engagement und einer hohen emotionalen Bindung. „Die Stadt sind wir“, da stehen viele dahinter. Es ist ihnen nicht egal, was in ihrer Stadt passiert. Viele Leute erkennen und grüßen mich auf der Straße, ich bin hier sehr gut aufgenommen worden.
Zur Person:
Diana Stöcker (55) lebt seit 26 Jahren in der Region und ist seit dem 3. Juni 2024 Oberbürgermeisterin der Stadt Weil am Rhein.
Die Mutter einer Tochter gehörte von 2021 bis 2024 als direkt gewählte Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Sie ist Mitglied der CDU.