Der 47 Jahre alte Mann hat gestanden, den Bub aus Weil im Schönbuch getötet zu haben.
Böblingen - Fast elf Jahre nach dem Mord an einem Jungen in Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen) hat die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Der 47-Jährige aus dem Landkreis Esslingen hat bereits gestanden, den elfjährigen Schüler Tobias D. erstochen zu haben, wie die Polizei am Donnerstag in Böblingen mitteilte. Tobias sei vor seinem Tod jedoch nicht sexuell missbraucht worden. Die Situation sei dem Täter entglitten und er habe daraufhin den Jungen umgebraucht.
Mann hatte Täterwissen
Die Beamten kamen dem 47-Jährigen bei Recherchen im Bereich Kinderpornografie im Internet auf die Spur. Der Mann sei auf einschlägigen Seiten unterwegs gewesen. In der Wohnung des Tatverdächtigen hatten die Ermittler Zeitungsausschnitte zum Fall Tobias gefunden. Bemerkungen des 47-Jährigen während der Wohnungsdurchsuchung hätten die Beamten stutzig gemacht, erläuterte der Böblinger Kriminaldirektor Rüdiger Winter: "Der Mann hatte Täterwissen, das zuvor noch nicht kommuniziert war."
Der 47-Jährige habe zuerst behauptet, er habe bei einer Fahrradtour den Jungen leblos hinter einer Fischerhütte am Weiher gefunden. Im Verlauf der Ermittlungen habe er diese Aussage aber wieder zurückgezogen und gestanden, den elfjährigen Tobias hinter die Hütte gezogen und mit mehreren Stichen mit einem Messer getötet zu haben.
Der Mann war der Polizei unbekannt. „Er war ein unbeschriebenes Blatt“, so Winter weiter. Die DNA-Analyse sei schließlich der Schlüssel zum Fahndungserfolg gewesen. Der Mann habe sich in den Vernehmungen als pädophil bezeichnet, sagte Winter. Der 47-Jährige sei ledig und berufstätig. Er lebte schon vor dem Jahr 2000 im Raum Esslingen.
Bürgermeister Lahl: "Die wichtigste Nachricht der letzten Jahre"
In Weil im Schönbuch sorgte die Nachricht von der Festnahme für Erleichterung: „Für die Gemeinde ist das die wichtigste Nachricht der letzten Jahre“, sagte Wolfgang Lahl, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde mit 10.000 Einwohnern. Die Ungewissheit habe die Bürger über Jahre belastet. „Der Mordfall Tobias war im Hinterkopf immer da.“ Für die Eltern des Jungen sei die Festnahme ein wichtiger Schritt zur Trauerbewältigung. „Ich weiß, dass sie auch aufgrund dieser Unsicherheit nicht mit dem Fall abschließen konnten.“
Die Leiche des elfjährigen Jungen war am 30. Oktober 2000 mit zahlreichen Messerstichen an einem Teich in Weil im Schönbuch entdeckt worden. An der Kleidung des Kindes wurden zwei fremde DNA-Spuren sichergestellt. Eine der größten DNA-Analysen im Land, bei der 13.000 Männer und Jugendliche überprüft wurden, lieferte den Ermittlern keine Hinweise. Immer wieder wurden Verdächtige überprüft, die einen Bezug zu dem Opfer oder dem Tatort hatten: Angler, Waldarbeiter, Jäger, Pilzsammler, Grundstücksbesitzer, Pendler, Automatenaufsteller und Vertreter - ohne Erfolg.
Über die Jahre versandeten viele Spuren
Zwei Wochen nach der Tat wurde ein 16-Jähriger festgenommen. Er hatte durch auffällige Antworten die Aufmerksamkeit der Ermittler auf sich gezogen. Eine Untersuchung der Speichelprobe des Jugendlichen erbrachte aber keine Übereinstimmung mit dem gefundenen Spurenmaterial - er kam nach vier Wochen wieder frei. Das wollten die Eltern von Tobias nicht akzeptieren, scheiterten aber 2007 mit einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
Soko-Leiter nahm sich 2004 das Leben
Auch Plakataktionen und Aufrufe im Fernsehen führten zu keinem Erfolg. Die einst bis zu 60 Mann starke „Soko Weiher“ wurde schließlich aufgelöst. Nur noch ein Sachbearbeiter war seitdem vornehmlich für den Mordfall zuständig. Sein Vorgänger, der ehemalige Soko-Leiter, ließ sich zur Bereitschaftspolizei versetzen und beging im Frühjahr 2004 Selbstmord. Die Polizei wollte zwar keinen Zusammenhang zwischen seiner Ermittlungsarbeit und dessen Freitod ziehen. Aus dem Umfeld verlautete jedoch, die erfolglose Suche nach dem Mörder von Tobias habe den Polizisten verbittert.
Bei der Suche nach dem Kindsmörder wurden auch Profiler des Landeskriminalamts eingeschaltet. Das Ergebnis: Der Täter hat einen Bezug zum Tatort. Das heißt, dass er entweder in der Nähe wohnt oder arbeitet. Begründet wurde dies unter anderem mit der Abgeschiedenheit der Anglerhütte am Dörschachsee. „Dass sich dorthin jemand verliert, ist sehr unwahrscheinlich“, erklärte die Polizei damals. Die Festnahme des Tatverdächtigen aus dem benachbarten Kreis Esslingen scheint den Ermittlern jetzt recht zu geben.