Die Forschung trägt sehr viel zum Erfolg des Schweizer Familienunternehmens bei, das unter anderem in Weil am Rhein einen Standort hat. Foto: zVg/Endress + Hauser

Mehr als 275 Millionen Euro steckt Endress+Hauser in Entwicklung und Forschung. Etwa eine Erfindung pro Werktag ist das Ergebnis der 1300 beschäftigten Forscher.

Gut 275 Millionen Euro hat das weltweit agierende Unternehmen Endress+Hauser (E+H) im vergangenen Jahr für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das entspricht immerhin 7,4 Prozent des Gesamtumsatzes. Dabei herausgekommen sind 285 Erfindungen – also in etwa eine Innovation pro Werktag. Für diese wiederum wurden von verschiedenen Behörden 701 Patente erteilt. 81 Produkte kamen im vergangenen Jahr neu auf den Markt.

 

Seit vier Jahren leitet Christine Koslowski die Patentabteilung bei Endress+Hauser. Nach ihrem Chemiestudium wechselte sie ins Patentwesen und bildete sich zur Patentanwältin weiter. Seit mittlerweile 16 Jahren arbeitet sie nun bei Endress+Hauser. Im Gespräch mit unserer Zeitung hat sie die Patentstrategie des schweizerischen Familienunternehmens näher erläutert.

Frau Koslowski, das sind ja enorme Zahlen. Die Patentabteilung muss für E+H eine bedeutende Rolle spielen. Wer steckt eigentlich hinter all diesen Erfindungen?

Mehr als 1300 Personen sind bei Endress+Hauser in der Forschung und Entwicklung beschäftigt. Es sind beispielsweise Ingenieure, Elektrotechniker, Maschinenbauer, Physiker, Chemiker oder Informatiker. Ein Schwerpunkt bei den Erfindungen liegt auf den Standorten im Dreiländereck. Aber auch aus den Standorten in den USA oder China kommen einige Ideen. Erstmals haben wir im vergangenen Jahr auch eine Erfindung eines Kollegen von unserem Standort in Indien zum Patent angemeldet. Normalerweise sind es aber keine Einzelpersonen, die etwas Neues entwickeln. Die meisten Patente gehen auf kleine Teams mit mehreren Personen zurück.

Wie läuft so ein Entwicklungsprozess ab?

Wir gehen sehr systematisch vor. Neue Ideen werden gesammelt, gemeinsam besprochen und bewertet. Dann wird entschieden, ob sie als Patente Aussicht auf Erfolg haben, also geschützt werden können und dies oft weltweit. Nach spätestens 20 Jahren verfällt ein solcher Patentschutz, manchmal verliert er aber schon früher an wirtschaftlicher Relevanz, etwa wenn der technologische Vorsprung eingeholt wird.

Solange das Patent besteht, müssen dafür Gebühren entrichtet werden. Im Gegenzug wird das geistige Eigentum, die Innovation, geschützt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Erfindungen, sondern beispielsweise auch für Produktmarken und Designs.

Gibt es auch Fälle, in denen der Patentschutz durch Nachahmungen unterlaufen wird?

Das kommt vor. Manchmal sehen wir Produkte, etwa in China, die unseren ähneln. Das ist dann oft geschickt gemacht, indem sie zwar im Design an unsere Produkte angelehnt sind, aber in ihrer Funktion auf älterer Technik basieren, die nicht mehr patentgeschützt ist. Den größeren Ärger haben wir aber im Markenbereich, wenn sich im Internet zum Beispiel jemand als Endress+Hauser ausgibt. Erfahren wir von solchen Fällen, können wir meist mit einer formellen Abmahnung zügig und wirksam dagegen vorgehen.

Können Sie – ohne dabei zu viel zu verraten – Beispiele für Innovationen aus ihrem Haus geben?

Oft geht es darum, den Aufwand für unsere Kunden möglichst gering zu halten. Viele unserer Messgeräte gehen – auch aufgrund von gesetzlichen Vorgaben – mit einem hohen Wartungsaufwand einher. Die Innovation besteht dann darin, Geräte zu erfinden, die sich selbst überprüfen können. Ein weiteres großes Thema ist die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit. Unsere Forscherinnen und Forscher machen sich viele Gedanken darüber, wie beispielsweise Stahl eingespart werden kann, der ja in der Herstellung sehr energieaufwendig ist. Auch wird verstärkt versucht, die Wiederverwertung der Geräte mitzudenken.

Nicht zuletzt geht es darum, die vielen Daten, die unsere Messgeräte liefern, so aufzubereiten, dass sie auch einen Mehrwert für Nutzer haben, beispielsweise bei der Überwachung von sicherem und sauberem Trinkwasser.

Viele denken bei Erfindungen an seltene Glücksfälle. Bei E+H werden sie offenbar in Serie produziert. Gibt es eine Formel für diesen Erfolg?

Es gibt auf jeden Fall Rahmenbedingungen, die dabei helfen können. Dazu gehören Fachwissen und Mut, die Freiheit, etwas Neues auszuprobieren und die Fähigkeit, das Bestehende zu hinterfragen. Auch sollte man sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Denn das Entwickeln ist oft ein Prozess. Wenn diese Bedingungen gegeben sind, ist eine Erfindung kein reiner Zufall mehr, der vom Himmel fällt.

Darüber hinaus braucht es bereichsübergreifendes Denken: die experimentierfreudigen Entwickler zusammen mit einem Vertrieb, der weiß, wo bei den Kunden der Schuh drückt, das Marketing, das erkennt, welche Ideen sich gut verkaufen lassen und die Fertigung mit ihren Kenntnissen darüber, was sich in der Praxis auch umsetzen lässt.

Und dann läuft alles wie von selbst?

Manchmal ist es gar nicht so leicht einzuschätzen, welche Ideen innovativ genug für einen Patentschutz sind. Mancher Vorschlag entpuppt sich als zu naheliegend, um schützenswert zu sein. Bei dieser Einschätzung spielt Erfahrung eine große Rolle. Hier kommen wir als Patentabteilung ins Spiel, welche die Erfinder beraten kann – eine gute und vertrauensvolle Beziehung ist hierzu sehr wichtig.

Was tun Sie, um diese gute Beziehung aufzubauen?

Verlässlichkeit und gute Zusammenarbeit zwischen uns als Patentabteilung sowie den Erfinderinnen und Erfindern ist die Basis. Hinzu kommen ein paar Extras: Einmal im Jahr veranstaltet Endress+Hauser ein Innovatorentreffen, zu dem weltweit alle Mitarbeitenden eingeladen werden, die an Patentanmeldungen beteiligt waren. Dieses Jahr fand das Treffen im Stadion des SC Freiburg statt. Im Mittelpunkt stehen bei diesem Anlass auch das gesellige Zusammensein und der wissenschaftliche Austausch. Darüber hinaus gibt es Anerkennungsprogramme mit Prämien und Würdigungen für erfolgreiche Entwickler.

Generell legen wir einen großen Wert auf unsere Innovationskultur. Im besonderen Maß ist eine solche an unserem Standort im Freiburger Innovationszentrum FRIZ gegeben. Hier haben unterschiedliche Teams die Möglichkeit, losgelöst von den Produktionsprozessen auch mal ungewöhnliche Dinge auszuprobieren – ohne Rücksicht darauf, dass es schiefgehen kann.

Auf einen Blick

Christine Koslowski
arbeitet seit vier Jahren als Leiterin der Patentabteilung bei Endress+Hauser. Nach ihrem Chemiestudium wechselte sie ins Patentwesen und bildete sich zur Patentanwältin weiter. Insgesamt arbeitet sie seit 16 Jahren bei den Schweizer Familienunternehmen.

Die 51-Jährige
lebt im Markgräflerland. Bevor sie zu Endress+Hauser kam, arbeitete sie im IP-Bereich bei der Zeiss Group in Oberkochen. Studiert hat Koslowski an der Universtität Karlsruhe (TH). Promoviert hat sie im Jahr 2002.