Jürgen Off, Kellermeister der Weinmanufaktur Untertürkheim, mit Weinkolumnist Michael Weier beim Abfüllen des Lembergers Foto: Max Kovalenko

Ein Jahr im Weinberg, zwei Jahre Wartezeit: Nach reiflicher Reifung im Holzfass ist das Stuttgarter-Nachrichten-Wein-Projekt abgefüllt. Das Ergebnis schmeckt nicht nur dem Autor, sondern auch Experten. Für die Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten wird Herrn Weiers Lemberger nun verkauft.

Stuttgart - Guerilla-Marketing nennt man das. Phönixhalle im Römerkastell in Cannstatt: Grinsend greift Andrea Gehrlach in ihre Tasche und zieht aus den Tiefen einen Korkenzieher hervor, mit dem Werkzeug der Chefin selbst öffne ich meine Flasche. Herrn Weiers Lemberger!

Frei nach dem Motto: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du ohne ihr. Ich gehe an die Öffentlichkeit, bei Stuttgarts beste Weine. Und die Resonanz ist wahrlich nicht schlecht. Vorzeige-Wengerter Hans-Peter Wöhrwag sagt scherzhaft: „Ich nenne ihn jetzt nur noch Kollege.“ Und sein Freund Gert Aldinger meint, als ich seinem Sohn Hansjörg und Moritz Haidle einschenke, mit Schalk in der Stimme: „Über den Antrag zur Aufnahme in den VDP (Verband der Prädikatsweingüter) entscheide immer noch ich!“ Sagt’s und hält sein Glas hin. Auch er sagt: „Einwandfrei.“ Eine solche Beurteilung aus dem Mund eines Schwaben klingt schon fast nach Euphorie.

Meine Antworten gleichen sich nach jedem neuen Schluck, den Weinmacher von mir erhalten: „Der Jürgen Off versteht sein Handwerk auch.“ Denn der Kellermeister der Weinmanufaktur Untertürkheim hat den Tropfen ausgebaut, mit ihm habe ich die Flaschen abgefüllt, in erster Linie ist die Qualität sein Verdienst. Obwohl? Sagt nicht jeder Winzer, die Qualität entsteht im Weinberg? Und dort war ich schließlich, von den Anleitungen von Bernd Munk, dem Vorstand der Weinmanufaktur, abgesehen, auf mich allein gestellt.

Kurze Rückblende. Nachdem ich mein Experiment mit Chardonnay bei Christel Currle in Uhlbach abgeschlossen hatte, wollte ich unbedingt einen Rotwein keltern. Lernen, wie rot geht. Ich habe in der Flaschenpost einen Aufruf geschrieben, Bernd Munk antwortete als Erster. Er stellte mir vier Reihen aus einem Weinberg mit Lemberger zur Verfügung, knapp drei Ar.

Ein Jahr lang habe ich alle Schritte selbst erledigt, außer den Pflanzenschutz (in Chemie war ich schon in der Schule unterirdisch schlecht). Ich habe die Reben geschnitten – und dieses Mal den Ehering vorher abgestreift, was mir blutige Blasen erspart hat. Ich habe die Reben gebogen und festgebunden. Ich habe die Triebe dann zwischen die Drähte gebracht, damit die Pflanze ordentlich wächst. Ich habe dies leider mit einiger Verspätung gemacht, was eine deutliche Mehrarbeit war. Schon Christel Currle zitierte in solchen Fällen immer ihren Lehrer: „Die Rebe ist ein Lianengewächs.“

Ich habe dann die Trauben reduziert, auf sieben an jedem Stock. Später habe ich die einzelnen Trauben halbiert (nicht zu verwechseln mit den einzelnen Beeren), damit ich beim Ertrag auf 50 Liter vom Ar komme. Ich habe geerntet – und bin auf 70 Liter vom Ar gekommen, weil das Jahr so wunderbar schön war. Deshalb schüttete mir Hans-Peter Wöhrwag ein bisschen Wasser in den Wein: „In so einem Jahr kann’s jeder.“

Ich habe zugeschaut, wie Jürgen Off die Trauben eingemaischt hat, ins Fass füllte er sie ohne meine Hilfe. Da meine Menge nicht für ein Barrique-Fass von 225 Litern gereicht hat, wollte ich eigentlich mit Glaskugeln auffüllen. Denn ein Fass muss immer ganz voll sein. Als ich aus dem Urlaub zurückkam, war mein Fass voll. Und Jürgen Off grinste mich nur an. Das mit den Glaskugeln war ihm wohl zu kompliziert. Er hat stattdessen mit einem anderen guten Tropfen aufgefüllt.

Ganz ehrlich, was in den nächsten beiden Jahren im Keller passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe probiert und war immer begeistert. Jürgen Off sagte mir, er kontrolliere nur. Dafür ist das Ergebnis echt erstaunlich! 300 Flaschen sind es geworden, für die Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten, also für in Not geratene Menschen in der Region, verkaufe ich einen Teil davon. Für 20 Euro darf jeder eine (oder mehrere) Flasche(n) samt exklusivem Etikett vom Stuttgarter Top-Illustrator Thilo Rothacker erstehen. Die Weinmanufaktur hilft mir dabei erneut: Bei der Präsentation ihrer neuen Edeltropfen bekomme ich ein Plätzchen im Keller. Die neuen Spitzenprodukte mögen ein bisschen wertvoller sein als mein Lemberger, aber mein Wein ist seltener!