Gespalten: Die Studenten an den Stuttgarter Hochschulen. Foto: Max Kovalenko/PPF

Zwischen fünf und 15 Euro sollen die Studenten an Stuttgarts Hochschulen in Zukunft pro Semester bezahlen. Die neue Verfasste Studierendenschaft, deren Einführung der Landtag beschlossen hat, soll von diesen Einnahmen finanziert werden – manch einem stößt das sauer auf.

Stuttgart - Bei der Hochschulgruppe der Stuttgarter Jusos herrscht dieser Tage gute Laune. Vor wenigen Wochen haben die Studenten der Universität Stuttgart ihre neue Satzung zur Verfassten Studierendenschaft mit rund 96 Prozent Zustimmung gewählt. Eine neue Chance sei das, sagen sie bei den Jusos, die die Studenten wahrnehmen müssen. „Auch auf Druck der Juso-Hochschulgruppen wurde im Koalitionsvertrag die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft beschlossen. Die Urabstimmung über eine neue Satzung war daraus nun die konkrete Folge“, fasst Raimund Kaiser aus dem Stuttgarter Juso-Kreisvorstand zusammen.

Er studiert selbst an der Universität Stuttgart und freut sich, „dass die Studierenden wieder eine starke Stimme bekommen haben und sich für Verbesserungen bei ihren Studienbedingungen einsetzen können“.

Die Verfasste Studierendenschaft (VS) gab es in Baden-Württemberg bis 1977. Sie bezeichnet den Zusammenschluss aller Studenten an einer Universität. Statt einem losen Verbund hat eine VS aber grundlegende Hoheiten, wie Rechtsfähigkeit, Beitrags- und Finanzhoheit, politisches Mandat und Selbsthilfe und die Satzungshoheit.

Angst vor Instrumentalisierung

Die VS ist also so etwas wie ein eigenes Parlament der Studenten an einer Hochschule. Wie in der Politik finden Wahlen statt, samt dem dazugehörigen Wahlkampf. Und an dieser Stelle sehen die Studenten Probleme. „Wir fürchten, dass die Parteien die VS durch ihre Hochschulgruppen instrumentalisieren könnten“, sagt Dominik Schlechtweg, der der Projektgruppenleitung angehört, die an der Uni Stuttgart die VS-Einführung vorbereitet hat.

Schenkt man den Vertretern der Jungen Union (JU) Glauben, haben sie das nie vorgehabt. Aus den Reihen des CDU-Nachwuchses sind überwiegend kritische Stimmen zu hören: „Wir waren von Beginn an gegen die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft“, schimpft Benjamin Völkel, der Kreisvorsitzende der JU. „Wir haben eine Urwahl über die Studierendenschaft gefordert“, sagt er. „Stattdessen wurde sie einfach eingeführt. Abgestimmt wurde nun lediglich über die Verfassung.“ Was die Junge Union vor allem an der Verfassten Studierendenschaft stört, sagt er, ist die „Zwangsmitgliedschaft“ der Studenten und der „Zwangsmitgliedsbeitrag“ pro Semester. „Wenn ich privat in einem Sportverein Mitglied sein will, möchte ich ihn auch frei wählen dürfen“, sagt Völkel.

Scheinheilig sei das, entgegnet Juso-Mitglied Kaiser: „Die Junge Union hat sich noch vor nicht allzu langer Zeit für die Studiengebühren eingesetzt. Die ist mit 500 Euro viel teurer als der Beitrag für die Verfasste Studierendenschaft.“

„So etwas braucht kein Mensch“

Doch der Jungen Union geht es nicht nur ums Geld. „Auch wenn zehn Euro für manch einen Studenten auch viel sein können“, sagt Völkel. Unnötig seien auch die Dimensionen der neuen Organisation. „Das ist jetzt eine übergeordnete Vertretung für ganz Baden-Württemberg“, sagt er. „So etwas braucht kein Mensch.“ Seiner Meinung nach würden die neuen Strukturen einer aktiven Beteiligung der Studenten eher im Weg stehen. Zudem seien die Sitze in der Studierendenschaft stark begrenzt auf etwa zwölf Plätze für 25.000 Studenten in Stuttgart. „Bis jetzt hatten viele Hochschulen Allgemeine Studierendenausschüsse (Asta) oder Verwaltungsräte. Das wird jetzt alles zusammengestrichen.“

Für das Ministerium sei es einfacher, alles auf ein Gremium zu straffen und unter grün-roter Hand an den Universitäten zusammenzuhalten.

Alles keine Argumente, die gegen die neuen Strukturen sprechen, sagen die Jusos. Schließlich ist Baden-Württemberg schon das 15. Bundesland, das die Verfasste Studierendenschaft eingeführt hat. Besser als bisherige Strukturen sei die neue Verfasste Studierendenschaft durch die neue Organisationssatzung. „Sie bringt Finanzhoheit, Satzungsautonomie und die Stellung als Körperschaft öffentlichen Rechts“, sagt Raimund Kaiser.

Die Studenten könnten den Beitrag nun einsetzen, wofür sie wollen. „Vorher hat immer der Rektor ein Wort mitzureden gehabt. Das ist jetzt nicht mehr so“, sagt Kaiser. Das Geld könne nun etwa für das Semesterticket oder neue Tutorien eingesetzt werden. Alles schöne und gute Argumente der Jusos, sagt Student Dominik Schlechtweg. „Aber sie haben immer ganz laut nach der VS geschrien und beim Ausarbeitungsprozess waren sie nicht in einer Sitzung.“

Ob sich an der Uni Stuttgart die Wogen glätten, wird sich wohl erst zeigen, wenn die neuen Strukturen greifen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Im Juni soll der Wahlkampf zum Studentenparlament beginnen. Am Ende des Sommersemesters sollen die Studenten die Gremien wählen. Dann erst, im August, soll das Parlament entscheiden, wie hoch der Beitrag sein wird, den jeder Student pro Semester zahlen muss.