Freie Fahrt je nach Verkehrslage: Die Anlagen rund um den Europa Park gelten als vorbildlich in Sachen moderne Verkehrssteuerung. Foto: StN

Grün-Rot hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Ein Vorzeigeprojekt in Sachen Infrastruktur unweit der A 5 droht nun zur Blamage zu werden. Der Rechnungshof hat den Fall geprüft.

Stuttgart/Rust - Der Europa Park ist ein Magnet für Besucher und Touristen aus ganz Süddeutschland und der nahen Schweiz oder Frankreich. Wenn die Sonne lacht und es nicht gerade Bindfäden regnet, ist das Interesse an Deutschlands größtem Freizeitpark mit täglich bis zu 40 000 Besuchern so groß, dass die Autoschlange schon mal bis auf die A 5 reichen kann. Nicht selten meldet der Verkehrsdienst dann mehrere Kilometer Stau vor der Ausfahrt Rust. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund entschieden schon der frühere Verkehrsminister Heribert Rech (CDU) und das Regierungspräsidium bereits vor Jahren, die Zufahrt von der A 5 zum Park gezielt zu steuern – durch eine so genannte Wechselverkehrszeichenanlage. Nun aber gibt es heftigen Wirbel um das Projekt, das Grün-Rot intern gerne als Sinnbild für nachhaltige Verkehrspolitik verkauft. Denn offenbar haben die Straßenbauabteilung von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und das Regierungspräsidium in Freiburg im November 2011 bei der Genehmigung gravierende Fehler gemacht.

Um was geht es? Eine Ampelanlage sorgt dafür, dass auf der dreispurigen Straße zwischen Autobahn und Freizeitpark am Vormittag zwei Spuren für die Anreise der Besucher freigeschaltet werden. Im Umkehrschluss werden am Abend – wenn die Gäste wieder gehen – zwei Spuren für die Abreise reserviert. Kostenpunkt  für den Straßenausbau und der Ampelanlage: rund 3,9 Millionen Euro. Seit knapp einem Jahr ist die Verkehrssteuerungsanlage in Betrieb. Roland Mack, Chef im Europa Park, will sie nicht mehr missen. „Diese Maßnahme ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sie hat auch verkehrstechnisch voll eingeschlagen.“ Die Zahl der Unfälle habe deutlich abgenommen, es gebe kaum noch Staus auf der Anfahrt, geschweige denn Rückstaus auf die A 5. Auch der Verkehrsminister selbst zeigte sich vor Ort hoch zufrieden mit dem High-Tech-Projekt.

Bau der Ampelanlage hätte so nie genehmigt werden dürfen

Allein, der Rechnungshof sieht das anders. Monatelang haben die Finanzkontrolleure des Landes das Projekt unter die Lupe genommen und kommen in ihrer Prüfungsmitteilung, die unserer Zeitung vorliegt, zu einem für die Landesbehörden wenig schmeichelhaften Ergebnis: Der Bau der Ampelanlage hätte so nie genehmigt werden dürfen. Zum einen habe das Regierungspräsidium Freiburg den ursprünglichen Ausbau der Straße zwischen Autobahn und Freizeitpark „nicht fristgerecht" abgerechnet. Zum anderen hätten die Straßenbauabteilung des Verkehrsministeriums und die Fachleute des Regierungspräsidiums nicht zulassen dürfen, dass die Verkehrssteuerungsanlage als Zusatzmaßnahme zum dreispurigen Straßenausbau obendrauf erlaubt wird. Bilanz des Rechnungshofs: Dieser so genannte Erhöhungsantrag ist zu widerrufen.

Da nun aber weder das Land noch das Regierungspräsidium, geschweige denn der Ortenaukreis daran denken, die Bagger auffahren zu lassen, um das allseits gelobte Projekt wieder abzureißen, ist hinter den Kulissen hektische Betriebsamkeit ausgebrochen, wie das Problem zu lösen ist. Fakt ist: Der Rechnungshof will Anfang Juli, wenn er seine jährliche Denkschrift in Stuttgart vorstellt, den Fall offenbar publik machen und damit einen Beleg liefern, wie unsauber die Verwaltung manchmal arbeitet.

Allein am Ortenaukreis, auf dessen Gemarkung der Park liegt, könnte bei Widerruf des Projekts im schlimmsten Fall zwei Millionen Euro Kosten hängen bleiben. Doch Landrat Frank Scherer winkt schon ab: „Ich weiß nicht, was der Rechnungshof in seiner Denkschrift zu dem Projekt sagen wird. Aber für mich ist völlig klar, dass man dem Ortenaukreis kein Fehlverhalten vorwerfen kann.“ Im Gegenteil, man habe sich auf die Planung des Landes verlassen und „einen großen, wegen der Bedeutung angemessenen Beitrag zu diesem allseits als vorbildlich anerkannten Straßenbauprojekt geleistet“.

Verkehrsministerium um Schadenbegrenzung bemüht

Beim Rechnungshof selbst gibt man sich einsilbig. Man gebe zu dem Fall „derzeit keine Stellungnahme ab“, sagte ein Sprecher am Dienstag. Im Verkehrsministerium ist man offensichtlich um Schadenbegrenzung bemüht. Möglicherweise habe das Regierungspräsidium Freiburg bei der Bewilligung des Projekts im Herbst 2011 „nicht alle maßgeblichen förderrechtlichen Vorgaben eingehalten“, so eine Sprecherin von Minister Hermann. Derzeit prüfe das Ministerium „die vom Rechnungshof beanstandeten Sachverhalte“, in der „zweiten Jahreshälfte“ werde man den Fall dann bewerten.

Die Aufregung dürfte sich deshalb aber nicht legen. Zumal völlig offen ist, wer am Ende nachträglich zur Kasse gebeten wird. Europa-Park-Chef Mack, der die Baumaßnahme mit einer Millionenspritze unterstützt hatte und sich derzeit auf Dienstreise in den USA befindet, warnte im Telefonat mit unserer Zeitung vor dem gefährlichen Signal dieser Debatte: „Ich kann nicht nachvollziehen, das eine Baumaßnahme, die voll eingeschlagen hat, jetzt plötzlich in Zweifel gezogen wird.“ Der Standort Deutschland brauche eine funktionierende Infrastruktur, sonst würden Investoren zunehmend verschreckt und Arbeitsplätze gefährdet.

Beim Landkreistag und dem Städtetag wird der Fall von Rust inzwischen aufmerksam beobachtet, da solche Erhöhungsanträge im kommunalen Alltag nicht selten sind. Die Sorge um die Frage, wie verlässlich die Bewilligungen der Landesbehörden eigentlich sind, wächst deshalb. „Es kann nicht sein, dass das Land Fehler bei den Planungen macht“, sagt ein Insider, „und die Kreise das dann ausbaden müssen“.