Die Not in Sachen Kinderbetreuung ist aufgrund fehlender Fachkräfte vielerorts groß. Ostelsheim muss nun Einschnitte machen. Foto: Oksana Kuzmina – stock.adobe.com

Für berufstätige Eltern gleicht es einer Katastrophe: Statt theoretisch angebotenen zehn Stunden Kinderbetreuung pro Tag werden in Ostelsheim bis auf weiteres nur noch sechs Stunden täglich machbar sein – und das bereits ab Juni.

Ostelsheim - In Sachen Kinderbetreuung durchleben Eltern, Erzieher und die Träger der Einrichtungen seit längerem schwere Zeiten. Ursache ist in erster Linie der generelle Fachkräftemangel in diesem Bereich. Die Gemeinde Ostelsheim muss nun zu drastischen Maßnahmen greifen: Ab dem 1. Juni wird es vorerst keine Ganztagesbetreuung mehr geben. Statt von 7 bis 17 Uhr können die Kinder dann nur noch von 7.30 bis 13.30 Uhr in die Kita gebracht werden.

Ein Missstand, den in der jüngsten Sitzung des Ostelsheimer Gemeinderats ein betroffener Vater ansprach, dem erst dieser Tage ein Schreiben ins Haus geflattert war, in dem genau dieser Schritt angekündigt wurde – und der auch bereits seine Schatten auf das folgende Kindergartenjahr wirft.

Nicht völlig überraschend

Gewiss: Völlig überraschend kommt die Entwicklung nicht. Krankmeldungen, Elternzeit und Mutterschutz sowie der bereits angesprochene generelle Fachkräftemangel sorgen unter anderem in Ostelsheim für Schwierigkeiten. Eine Betreuung bis 17 Uhr? Davon war schon seit einiger Zeit nur noch theoretisch die Rede. Zwei Mal die Woche wurde um 15 Uhr, an drei Tagen sogar bereits um 13.30 Uhr geschlossen.

Und in der April-Sitzung des Gemeinderats hatten mehrere Mütter unter anderem gefordert, wenigstens die Betreuungsgebühren zu reduzieren, wenn die versprochene Leistung nicht erbracht werde. Immerhin müssten die Eltern bei einer Einschränkung des Angebots Betreuungs-Alternativen bezahlen.

"Mehr können wir nicht anbieten"

Der Lösung des Problems ist man in Ostelsheim seitdem nicht näher gekommen. Im Gegenteil. So versicherte Bürgermeister Jürgen Fuchs zwar, dass geprüft worden sei, "was maximal machbar ist" – allerdings mit nicht gerade zufriedenstellendem Ergebnis. Denn das Maximum seien momentan eben jene sechs Stunden von 7.30 bis 13.30 Uhr. "Mehr können wir nicht anbieten", erklärte Fuchs.

Das liege am gesetzlich festgeschriebenen Personalschlüssel, mit dem geregelt wird, wie viele Erzieher für wie viele Kinder welchen Alters jeweils eingesetzt werden müssen. Gibt es zu wenig Personal für das angestrebte Angebot, muss letzteres abgespeckt werden. "Wir dürfen schlicht nicht mehr machen", bekräftigte der Bürgermeister.

Fachkräfte-Markt weiterhin leer gefegt

Versuche, weiteres Personal zu gewinnen, gab es indes einige in der Vergangenheit, unter anderem mit großen, bunten Bannern an den Ortseingängen. Wirklich verbessert hat sich die Situation, die Fuchs im April als "extremst angespannt" bezeichnet hatte, seitdem nicht. Der Fachkräfte-Markt ist weiterhin leer gefegt.

Dem betroffenen Vater, der in der jüngsten Sitzung das Wort ergriffen hatte, hilft das freilich nicht. Gerade für Eltern, die im Schichtbetrieb arbeiten, seien solch massive Einschränkungen des Betreuungsangebots "unmöglich zu stemmen". Und "die Kurzfristigkeit ist auch ein Unding" ärgerte er sich.

"Die Problematik ist uns klar", betonte Fuchs. Die bittere Wahrheit, so scheint es dem Bürgermeister, sei jedoch: "Die Politik hat zu viel versprochen."

"Wirklich mal auf die Hinterfüße stehen"

Christine Schweizer (FWV) sprang dem Schultes bei. "Ich sehe die Not der Eltern, aber es kann nicht sein, dass alles nur auf den Schultern der Erzieher und der Gemeinde abgeladen wird", bekräftigte sie.

Schweizer, die selbst als Kindergartenleiterin in Deckenpfronn tätig ist, sind die Schwierigkeiten nur allzu vertraut. Sie appellierte an die Eltern, sich zusammenzuschließen, "wirklich mal auf die Hinterfüße zu stehen" und sowohl Arbeitgeber als auch die "große" Politik in die Pflicht zu nehmen.

Ernst-Martin Gehring (FWV) betonte: Vonseiten der Gemeinde liege es nicht am Willen, Betreuung anzubieten, "das muss ganz klar rauskommen". Und Michael Dürr (FWV) fügte hinzu, man könne sich die Fachkräfte schließlich "nicht backen".

Fast schon resigniert brachte es Bürgermeister Fuchs abschließend auf den Punkt: "Sorry, ist leider so. Es nervt uns genauso wie sie."

Kommentar: Möglichkeiten

Von Ralf Klormann

Nur noch halbtags statt ganztags: Die massive Kürzung der Kinderbetreuungszeiten in Ostelsheim zeigt deutlich die bittere Realität des Fachkräftemangels, die sich so schnell nicht ändern wird. Bürgermeister Jürgen Fuchs hat Recht: Die Politik hat zu viel versprochen. Doch nicht nur die kann etwas tun. Zielführend scheint da der Appell von Rätin Christine Schweizer zu sein, auch Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Wer, wenn nicht sie, könnte in misslicher Betreuungs-Lage Erleichterung verschaffen, beispielsweise mit flexibleren Arbeitszeiten oder Homeoffice? Dass das ziemlich oft möglich ist, wenn es sein muss, kann niemand mehr leugnen: Corona hat es bewiesen. Und Arbeitgebern sollte bewusst sein: Wer sich grundlos weigert, macht sich unattraktiv. Sicher keine gute Idee. Bei den meisten steht der Fachkräftemangel bereits vor dem eigenen Firmentor.