Das Wasserwerk am Sipplinger Berg mit Blick auf den Bodensee Foto: Bodenseewasserversorgung

Wenig Regen und trockene Sommermonate haben dazu geführt, dass in Bayern das Wasser knapp wird. Das Bundesland will nun reagieren und hat als Lösung des Problems das Wasser aus dem Bodensee im Blick.

Lindau - In Bad Königshofen erreichen die Zuckerrüben nur noch Tennisballgröße, auf den Äckern finden sich im vertrockneten Boden 70 Zentimeter tiefe Risse. Nach vier Monaten habe es zum ersten Mal wieder nennenswert geregnet, berichtete der Bayerische Rundfunk dieser Tage aus dem Rhön-Grabfeld-Kreis. Der Klimawandel ist in Bayern angekommen. In 40 Landkreisen, vor allem im Norden des Freistaats, herrsche Wassermangel.

 

Als Problemlösung hat der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) jetzt den Bodensee entdeckt. Gegenwärtig würden "Handlungsoptionen entwickelt", bestätigt ein Sprecher seines Ministeriums. Kernpunkt ist ein neues Leitungssystem, das die bestehenden Fernwasserversorger in Bayern verbinde, heißt es. Ziel sei "eine überregionale Wasserspange". Sie soll über die fränkischen Regierungsbezirke bis nach Niederbayern reichen und am Bodensee beginnen. Ein Ingenieurbüro sei mit einer Studie beauftragt.

Bisher gab es noch keinerlei Gespräche

Vorbild ist eine alte Idee aus Baden-Württemberg, die Bodenseewasserversorgung (BWV) in Sipplingen. Dort reagiert man auf die bayerischen Pläne zurückhaltend. "Es hat bisher keinerlei Gespräche mit uns gegeben", sagt die Unternehmenssprecherin Teresa Brehme. "Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das auf uns hätte."

Ähnlich äußert sich das Stuttgarter Umweltministerium. Man erwarte, "dass Bayern zunächst die Anrainerstaaten am See und insbesondere die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) als zuständige Stelle informiert beziehungsweise konsultiert." Die Geschäftsstelle der IGKB ist gegenwärtig turnusgemäß beim Bayerischen Landesamt für Umwelt in Augsburg angesiedelt. Selbst dort weiß man nicht viel, räumt der dortige Sprecher Stefan Bleisteiner ein. Das Thema stehe im November bei der nächsten Sitzung des internationalen Gremiums auf der Tagesordnung. Dann werde man sich eine erste Meinung bilden können.

180 Gemeinden gehören zum Versorgungsgebiet

Noch ist nicht bekannt, in welchem Umfang Bayern – mit 18 Kilometer Uferlänge der kleinste Anrainer – Bodenseewasser überhaupt nutzen möchte. Auch die Partner im österreichischen Bundesland Vorarlberg und in den Schweizer Anrainerkantonen St. Gallen und Thurgau haben sich noch nicht positioniert. Schon bisher gibt es 17 Stadtwerke und Zweckverbände, die Trinkwasser aus dem Bodensee fördern. 75 Prozent der Gesamtentnahme entfällt allein auf die BWV. 180 Gemeinden, vor allem in Württemberg, gehören zum Versorgungsgebiet.

Einfach dürfte der Aufbau eines mehrere Hundert Kilometer langen Leitungssystems nicht werden. "Man muss für den Bau eine 40 Meter breite Schneise durch das Land schlagen. Wir sind froh, dass unsere Leitungen schon liegen", sagt Brehme. In Baden-Württemberg wurde das Netz bereits in den 1950er- Jahren angelegt. Das meiste geschah innerhalb von 24 Monaten. Heute wäre so etwas undenkbar und auch wesentlich teurer. Allein der Bau einer zweiten Wasserentnahmestelle nebst Verbindungsleitung zum Wasserwerk auf dem Sipplinger Berg verschlinge gerade mehrere Hundert Millionen Euro, sagt Brehme.

Hängt sich Bayern an baden-württembergisches Netz an?

Denkbar ist, dass Bayern darauf hofft, sich an das baden-württembergische Netz anhängen zu können. Eine Auskunft dazu gibt es nicht, allerdings würde dies erklären, warum die Spange vom Bodensee über Franken nach Niederbayern verlaufen soll und nicht umgekehrt. "Technisch wäre das möglich", sagt Brehme. Schon jetzt reichen die baden-württembergischen Leitungen bis knapp an die Landesgrenze nach Bayerisch-Franken. Auch schöpft die BWV bisher meist nur die Hälfte ihrer genehmigten Entnahmerechte aus. Allerdings ist die komplette Menge durch die Mitgliedskommunen gebucht und muss bei Bedarf geliefert werden.

Städte, die sich neu um eine Mitgliedschaft bewerben, werden regelmäßig zurückgewiesen. Es wäre schwierig, ein ganzes Land aufzunehmen. Aber: was gegenwärtig abgezapft wird, lässt den Wasserspiegel des Bodensees gerade mal um 1,5 Zentimeter sinken. Europas größter Trinkwasserspeicher könnte auch den bayerischen Durst löschen – unter den bisherigen Bedingungen. Zuletzt hatte der Bodensee jedoch aufgrund von wenig Regen und der Trockenheit der vergangenen Sommerwochen mit Niedrigwasser zu kämpfen.

Pro Sekunde werden 5500 Liter entnommen

Pro Sekunde werden dem Bodensee im Schnitt 5500 Liter Wasser entnommen. Der Löwenanteil entfällt dabei mit 4120 Litern pro Sekunde auf die Bodensee-Wasserversorgung. Die Regionale Wasserversorgung St. Gallen fördert als zweitgrößter Nutzer nur 290 Liter pro Sekunde.

In der Gesamtwasserbilanz fällt das kaum auf. Im Schnitt fließen dem See jede Sekunde 347200 Liter durch seine 200 Zuflüsse zu, die Niederschlagsmenge über dem See beträgt pro Sekunde im Schnitt 14300 Liter, gleichzeitig verdunsten statistisch gesehen 9200 Liter.

Die Bodensee-Wasserversorgung

ein Leitungsnetz von 1700 Kilometern Länge verteilt die BWV nach Angaben auf ihrer Website jährlich etwa 130 Millionen Kubikmeter Trinkwasser in Baden-Württemberg. Das Wasser wird dabei über zwei Hauptleitungen transportiert. Die erste Hauptleitung reicht vom Bodensee bis nach Ludwigsburg.

Vom Wasserwerk Sipplinger Berg wird das Wasser zum Scheitelbehälter Liptingen, südlich von Tuttlingen, gepumpt. Von dort fließt das Trinkwasser im natürlichen Gefälle entlang der Schwäbischen Alb in den mittleren Neckarraum. Die zweite Hauptleitung verbindet das Wasserwerk Sipplinger Berg mit Stuttgart und dem Norden des Landes. Das Kernstück, der Albstollen, unterquert die Schwäbische Alb mit einen Durchmesser von 2,25 Metern auf einer Länge von 24 Kilometern.

In der Region sind nach Angaben der BWV unter anderem Villingen-Schwenningen, St. Georgen, Triberg, Rottweil, Albstadt, Burladingen, Hechingen, Bisingen, der Zweckverband (ZV) Wasserversorgung Hohenzollern sowie auch der ZV Wasserversorgung Zollernalb Mitglieder des ZV Bodensee-Wasserversorgung.