Arthrose ist eine Art Volkskrankheit. Darüber informierte der Lörracher Chefarzt Okba Al Marhi beim Vortrag im Kreiskrankenhaus. Das Interesse war riesig.
Der Saal der Cafeteria im Kreiskrankenhaus quoll nahezu über. Der Vortrag des Chefarztes für Orthopädische Chirurgie, Okba Al Marhi in der Reihe „Gesundheitsforum“ stieß auf riesiges Interesse, vor allem bei der etwas älteren Generation.
„Wer hat hier alles Gelenkprobleme?“, wollte der Arzt eingangs wissen. Klar, gingen quasi alle Hände hoch – seine auch. Wo aber fangen leichte bis mittlere Knorpelschäden an? Wann sind sie nicht mehr zu operieren? Wann gehen sie in Arthrose über? Und welche modernen Behandlungsmethoden gibt es?
All diesen Fragen wollte der Mediziner in seinem gut verständlichen, strukturierten und sehr sympathisch präsentierten Vortrag nachgehen.
Sein Leitsatz dabei: „Was wollen wir? Nicht voreilig operieren!“ Ein Motto, das viele der Interessierten sichtlich gerne hörten.
Wie ein Reifenschaden
Zunächst sorgte der 40-Jährige für eine klare Unterscheidung zwischen einem Knorpelschaden, beispielsweise durch eine Verletzung, und einer Arthrose. „Ich vergleiche das mal mit einem Reifenschaden: Steckt ein Nagel im Reifen, kann man den reparieren; hat er kein Profil mehr, muss man ihn wechseln.“
Die Knorpelzelltransplantation
Thema war daher auch die Knorpelzelltransplantation, die den Erhalt des natürlichen Gelenks in den Vordergrund stellt, ebenso wie die Möglichkeit von Achskorrekturen. Methoden, die indes nur bei lokal begrenzen Knorpelschäden gute Ergebnisse erzielten.
Sei der Knorpel großflächig abgenutzt, äußere sich das: „Es gibt Bewegungseinschränkungen, bei Arthrose im unteren Körperbereich fällt beispielsweise das Schuhebinden schwer. Es kann zu Rötungen und Schwellungen kommen.“
Schleichender Prozess
Die Arthrose sei ein schleichender Prozess, erläuterte der Chefarzt: Es beginne mit morgendlichen Schmerzen, wobei sich gute und schlechte Phasen abwechselten. Irgendwann setze indes ein dauerhafter Belastungsschmerz ein – inklusive Ruheschmerz oder belastenden Stellungen. „Die schmerzfreie Gehstrecke verkürzt sich zusehends“, erklärte er als Beispiel für Hüft- und Kniearthrose. Die Folge: Die Betroffenen bewegten sich weniger, verlören Muskelmasse oder belasteten ihre gesunden Gelenke einseitig, was Folgeschäden nach sich ziehe. „Dagegen kann man etwas tun. Man muss nicht gleich operieren“, so der Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie: Physiotherapie, Radfahren – und Dehnung. „Geben Sie Ihren Bewegungsumfang möglichst nicht auf“, so sein Appell.
Was helfen Spritzen?
Viele greifen in dieser Phase der Arthrose zu Spritzen. „Das hilft nicht gegen die Arthrose, aber gegen die Entzündung.“ Das Gelenk beruhige sich. Leider aber würden beispielsweise Hyaluron-Spritzen von den Krankenkassen in der Regel nicht bezahlt, da die Wirkung medizinisch nicht eindeutig belegt sei, so Marhi.
Angst vor der Operation
Der Arzt zeigte bei seinem Vortrag großes Verständnis für die Bedenken vor einer OP. Er stellte dabei neben dem Körper auch die Psyche in den Vordergrund. Auf der einen Seite gebe es große Ängste vor einem operativen Eingriff mit Narkose. Auf der anderen sei bei vielen Arthrose-Patienten der Leidensdruck irgendwann zu hoch. Er schlug einen Deal vor: „Solange Sie Ihr Aktivitätslevel halten können, Ihr Leben normal führen können, lassen Sie sich nicht operieren.“ Seien die Belastungen indes so hoch, dass Leben und Psyche stark eingeschränkt seien, riet er durchaus zu diesem Schritt. „Wir retten so zwar kein Leben, aber Lebensqualität“, brachte er es auf den Punkt.“
Zugleich sprach er das Alter an: Denn bei älteren Menschen werde der notwendige Muskelaufbau nach einer OP deutlich schwieriger als bei Jüngeren – also gelte es, nicht zu lange zu warten.
Schneller Muskelverlust
Okba Al Mahri ließ die Zuhörer raten: Wie viel Muskelverlust hat der Mensch nach sechs Wochen Liegen? Es sind tatsächlich 60 Prozent.
Was also ist zu tun?
Sein Rat: eine fachliche Abklärung beim Spezialisten; Muskelaufbau durch Radfahren oder Schwimmen; Gewicht reduzieren, vor allem bei Arthroseformen, die die unteren Extremitäten betreffen.
Ist doch eine OP nötig, so versuchte der Arzt zu beruhigen. Inzwischen gebe es minimalinvasive Zugänge, vorbei an den Muskeln. „Wir schleichen uns rein und raus wie ein Dieb“, meinte er anschaulich. Mittels eins Videos zeigte er den ermutigenden Fall einer Patientin: Am Abend der OP belastete sie bereits ihr Bein, einen Tag danach sieht man sie an Krücken laufen – strahlend.
25 Jahre halte beispielsweise ein künstliches Hüftgelenk, meist indes deutlich länger, machte er Mut. Ob Zement verwendet werden muss, werde erst während der Operation entschieden.
Die Anästhesie
Spontan hinzugerufen hatte der Chefarzt seinen Kollegen Andreas Rutherford, Chefarzt der Anästhesie. Denn auch hier bestehen erfahrungsgemäß viele Ängste. Letzterer versuchte diese zu nehmen, verwies auf die Möglichkeiten von Voll- oder Teilnarkose. Aber egal, für welche Narkose-Form sich der Patient gemeinsam mit dem Arzt entscheide: Es gebe während des Eingriffs garantiert keine Schmerzen.