Herbert Saurugg Foto: Hochschule

In Österreich wird die Debatte schon länger geführt, jetzt kommt sie auch in Deutschland an: Welche Gefahren drohen der Stromversorgung, welche Folgen hat ein Blackout für die Gesellschaft, und wie kann jeder Einzelne vorsorgen? Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge und Lektor an der Fachhochschule Technikum Wien, referierte online im Studium Generale der Hochschule Furtwangen. 

Furtwangen - Zum Start gab es ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, der Strom fiele in diesem Moment aus – und komme für Stunden, womöglich Tage nicht wieder. "Hilfe von außerhalb ist nicht möglich", sagt Saurugg, denn bei einem echten Blackout, also einem großflächigen Stromausfall, seien ja alle anderen Menschen genauso betroffen. 

Warnung vor der "Truthahn-Illusion"

Eine müßige Überlegung? Nicht, wenn man Saurugg folgt. Er warnt vor der "Truthahn-Illusion": Mit jedem Tag, an dem der Truthahn sein Futter bekommt, gewinnt er mehr Vertrauen, dass das schöne Leben immer so weitergehen werde. Just am Tag bevor er geschlachtet wird, ist sein Vertrauen am größten, weil die Fütterungsperiode schon am längsten währt. 

Wann und ob auf absehbare Zeit ein Blackout kommt, weiß natürlich auch Saurugg nicht. Aber er weiß, wie ein solcher ablaufen dürfte. Läden können nichts mehr verkaufen ohne ihre Kassensysteme, die Wasserversorgung bricht bald ebenso zusammen wie die Telekommunikation und das Geldsystem abseits der Barzahlung. Wer das Buch „Blackout“ gelesen hat, den Roman von Marc Elsberg, dem kommt bekannt vor, was Saurugg schildert: Nach vier Tagen hat ein Drittel der Menschen nichts mehr zu essen, nach sieben Tage sind bereits zwei Drittel der Bürger ohne Vorräte. 

Für 14 Tage Lebensmittel und Medikamente aufbewahren

Das ist dann die wohl wichtigste Botschaft, die Saurugg in seinen Vorträgen immer im Gepäck hat: Jeder Haushalt sollte über Vorräte für 14 Tage verfügen, also Lebensmittel und eventuell auch nötige Medikamente, ferner eine Taschenlampe und ein Radio mit Batterie. Denn das Radio dürfte in einer solchen Situation die wichtigste Informationsquelle werden. Dahinter steht auch der Gedanke: Nur wer seine unmittelbaren Bedürfnisse trotz Notlage gestillt hat, kann auch anderen helfen. Die Gesellschaft zerfalle in Kleinststrukturen, Nachbarschaftshilfe werde die einzige sein, die noch funktioniere.  

Nun können die Auslöser von Krisen vielfältig sein. Eine, die wohl nur wenige so erwartet hatten, ist mit der Corona-Pandemie eingetreten. Eine andere könne durch Turbulenzen der Finanzwelt ausgelöst werden. Sein Hauptaugenmerk legt Saurugg jedoch stets auf die Stromversorgung, die er in Europa an einem kritischen Punkt sieht. 

Stromversorgung könnte anfälliger werden

Mehrere Stressfaktoren macht er in der Stromversorgung aus, und Deutschland spiele dabei für ganz Europa eine zentrale Rolle. "Die nächsten Monate sind bereits sehr kritisch", ist einer der wenigen Sätze, bei denen er dann doch ein wenig alarmierend klingt. Da dem Atomausstieg nun auch der Kohleausstieg folgt, sieht er das System anfälliger werden. Weitere Faktoren kämen hinzu: eine alternde Infrastruktur, etwa in Form von 50 Jahre alten Transformatoren im deutschen Netz; die volatile Erzeugung aus erneuerbaren Energien; der steigende Stromverbrauch durch Elektromobilität, elektrische Heizsysteme und die Digitalisierung. Nicht zuletzt berge der Strommarkt selbst Risiken, da er immer komplexer wurde, nachdem Kraftwerke, Netze und Stromhandel im Zuge der Liberalisierung getrennt wurden und nun jeder Akteur sein betriebswirtschaftliches Optimum sucht und nicht mehr im Gesamtsystem denkt. So spricht der inzwischen vielgefragte österreichische Krisenexperten von "Komplexitätsüberlastung".  

"Das Problem sind wir selbst"

Sein Ziel ist jedoch nicht, Panik zu schüren – im Gegenteil. Saurugg will durch seine Warnungen dazu beitragen, dass die Gesellschaft Krisen zu meistern lernt. Was aber nur gelinge, wenn jeder Einzelne mitdenkt und selber vorsorgt: "Das Problem sind wir selbst, weil wir glauben, solche Krisen gibt es nicht."