Der künftige Daimler-Forschungschef Ola Källenius posiert in Hamburg vor einer neuen C-Klasse Foto: dpa

Dieter Zetsche geht nach zehn Jahren an der Konzernspitze in die Verlängerung. Hinter dem Daimler-Chef laufen sich seine potenziellen Nachfolger warm.

Stuttgart - Vor genau drei Jahren war Dieter Zetsche als Daimler-Chef angezählt. Statt eines Fünf-Jahres-Tickets an der Spitze von Deutschlands traditionsreichstem Automobilkonzern hatte ihm der Aufsichtsrat nur eine Platzkarte für weitere drei Jahre gewährt. Die Arbeitnehmerfunktionäre im Aufsichtsrat wollten den gebürtigen Istanbuler Zetsche wegen seines harten Sanierungskurses gleich ganz loshaben, und auch die Zahlen waren mau. Besonders in der prestigeträchtigen Autosparte schrumpften die Gewinne.

Drei Jahre später hat sich das Bild komplett gewandelt. Zetsche, der einst von Daimler in die USA entsandt wurde, um den kriselnden Neueinkauf Chrysler auf Vordermann zu bringen, ist der Mann der Stunde. Am Dienstag verlängerte der Aufsichtsrat des Stuttgarter Autobauers den Vertrag des 62-Jährigen um drei Jahre. „Daimler ist erfolgreich wie nie zuvor“, sagte Daimler-Chefkontrolleur Manfred Bischoff. Zetsche verfolge „die richtige Strategie“, und es gelinge ihm, „die Mitarbeiter des Unternehmens für anspruchsvolle Ziele zu gewinnen“. Ihn im Amt zu halten sichere „den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens“.

Externe Beobachter der Autobranche sehen das ähnlich. „Kompetent und souverän“ führe Zetsche den Konzern, sagt Willi Diez, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen. Der Duisburger Experte Ferdinand Dudenhöffer sprach jüngst sogar von Zetsche als Manager, der „übers Wasser gehen“ könne.

Zetsche verhilft Daimler zu neuem Glanz

Tatsächlich sind die Leistungen des promovierten Ingenieurs unumstritten. Mit fast 150 Milliarden Euro Umsatz ist Daimler im vergangenen Geschäftsjahr zu nie gekannter Größe gewachsen. Dank neuer Modelle wurden 2015 erstmals mehr als zwei Millionen Autos mit dem Stern verkauft. Der Gewinn sprudelt, und im wichtigsten Zukunftsmarkt China wächst Daimler seit Monaten viel schneller als seine Erzrivalen aus München und Ingolstadt. Nachdem er Daimler zu neuem Erfolg geführt habe, sei es nun Zetsches Ehrgeiz, den Konzern auch in den kommenden Jahren oben zu halten, sagt Autofachmann Diez.

Drei Jahre hat er nun dafür Zeit. Danach – das ist schon heute so gut wie ausgemacht – wird ein anderer das Ruder übernehmen. Immer klarer wird, dass es sich dabei um Ola Källenius handeln könnte. Zeitgleich mit Zetsches Vertragsverlängerung bestellte der Aufsichtsrat den smarten Schweden zum neuen Forschungsvorstand. Zum Jahresbeginn 2017 folgt er auf Thomas Weber (61), der vertragsgemäß zum Jahresende „im gegenseitigen Einvernehmen und auf eigenen Wunsch“ ausscheidet.

Källenius ist zwar schon seit 20 Jahren bei Daimler, hat in letzter Zeit aber eine Art Blitzkarriere hingelegt. 2010 übernahm er bei der Daimler-Tuningtochter AMG den Chefsessel. Die Affalterbacher PS-Schmiede gilt als Durchlauferhitzer zukünftiger Topführungskräfte. Auch Zetsche, der amtierende Daimler-Lkw-Chef Wolfgang Bernhard und der aktuell sehr erfolgreiche China-Vorstand Hubertus Troska hatten hier jahrelang das Sagen. Höhere Weihen erhielt Källenius aber 2013, als ihn Zetsche zum Mercedes-Vertriebschef machte. Vor fast genau einem Jahr rückte er dann in gleicher Position ins Innerste des Konzerns auf.

Der gebürtige Schwede Ola Källenius gilt als autovernarrt

Der als „Car-Guy“ – also autovernarrt – geltende Vater dreier Kinder punkte mit „umfassenden Kenntnissen des Pkw-Geschäfts“, sagte Aufsichtsratschef Bischoff. Vor allem ist Källenius mit 46 Jahren aber auch deutlich jünger als alle anderen Vorstandskollegen. Sollte er in drei Jahren tatsächlich den Vorstandsvorsitz von Daimler-Chef Zetsche übernehmen, wäre er mit 49 in einem guten Alter für den Job, sagen Experten. Zufall oder nicht: Hauptkonkurrent BMW hievte im vergangenen Jahr den 49 Jahre alten Harald Krüger in den Chefsessel am Münchner Petuelring.

Fest steht: Källenius steht als Forschungschef vor großen Aufgaben. Zwar hat Daimler in den vergangenen Jahren technisch enorm aufgeholt, die gesamte Autobranche befindet sich aber durch die zunehmende Digitalisierung, den Trend zum autonomen Fahren und den Zwang zu neuen Antriebssystemen „in einer Phase, in der unglaublich weitreichende strategische Weichen gestellt werden müssen“, wie Ifa-Chef Diez betont. Das ist für Källenius Chance und Risiko zugleich – zumal mit den Mercedes-Produktions- beziehungsweise Einkaufschefs, Markus Schäfer und Klaus Zehender, weitere junge Führungskräfte im Konzern als ambitioniert gelten. Auch dem als sattelfest und durchsetzungsstark geltenden Wolfgang Bernhard werden trotz seines Alters von 55 Jahren immer noch Ambitionen nachgesagt, irgendwann seinem Vertrauten Zetsche nachzufolgen.

Strebt Zetsche Aufsichtsrats-Spitze an?

Auch für Zetsche selbst eröffnen die Aufsichtsratsbeschlüsse vom Dienstag Perspektiven über die kommenden drei Jahre hinaus. Mit 73 Jahren steht der amtierende Daimler-Aufsichtsratschef Manfred Bischoff noch maximal für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren bereit. Für Zetsche passt das gut. Nach Erfüllung seines Vertrags als Konzernchef und einer vorgeschriebenen Karenzzeit zwei Jahren könnte er nahtlos weitermachen – als Bischoff-Nachfolger und oberster Konzernkontrolleur.