Erst im Juli hatten sich die Gemeinderäte darauf verständigt, die Anzahl der Wahlplakate zu beschränken. Die Stadt kommt jetzt mit einem ganz anderen Vorschlag.
Zum Thema Wahlplakate hatte es von mehreren Fraktion Anträge beziehungsweise Vorstöße gegeben. Denn die negative Seite der Plakatierung im Vorfeld von Wahlen ist eine Vermüllung von Straßen und Plätzen. Im Juli diesen Jahres beschloss daher der Gemeinderat, dass jede Partei pro Wahltermin insgesamt höchstens 300 Plakate im Stadtgebiet von Villingen-Schwenningen anbringen darf. Und dies auch dann, wenn auf einem Wahltermin mehrere Wahlen fallen.
Die Anbringung von Wahlplakaten im öffentlichen Straßenraum ist in einer städtischen Sondernutzungssatzung geregelt. Jetzt kommt die Verwaltung mit dem Vorstoß, die Anzahl von Wahlplakaten gar nicht mehr zu begrenzen. Begründet wird dies mit rechtlichen Bedenken. Die habe die Verwaltung bereits beim Beschluss im Juli geäußert. Der Gemeinderat entschied anders – und jetzt legt die Verwaltung nach.
Das Thema sollte in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 8. Oktober in Schwenningen vorberaten werden. Bürgermeister Detlev Bührer nahm es aber kommentarlos von der Tagesordnung. Hintergrund ist offenbar, dass es in einigen Fraktionen Irritationen über diese geplante Kehrtwende gibt und man sich darüber noch intensiver abstimmen will. Das bedeutet, dass die Wahlplakatierung in der Sitzung des Gemeinderates am Mittwoch, 15. Oktober, in der Neckarhalle (Beginn: 16 Uhr) behandelt wird.
Abgestufte Chancengleichheit
Die Festlegung auf höchstens je 300 Plakate je Partei, Wählervereinigung oder Einzelbewerber je Wahltermin verstößt nach Auffassung der Verwaltung gegen das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Prinzip der abgestuften Chancengleichheit. Denn kleinere Parteien, die lediglich bei der Europawahl antreten, dürften für diese Wahl 300 Plakate aufhängen, „während etablierte Parteien, die bei der Europa- und den Kommunalwahlen vertreten sind, für alle Wahlen insgesamt lediglich 300 Plakate anbringen dürften“. Das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit bedeute im Ergebnis, dass eine Abstufung bei der Gewährung öffentlicher Leistungen nur in engen Grenzen zulässig sei. „Wirksame Wahlwerbung muss für alle kandidierenden Parteien möglich sein, und das bestehende Stärkeverhältnis der Parteien darf nicht bestätigt und verfestigt werden.“
Eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten liegt nach Darstellung der Verwaltung nicht nur vor, wenn die Gemeinde eine bestimmte Anzahl an Stellplätzen für Wahlwerbung bereithält, sondern auch, wenn jede Partei lediglich eine bestimmte Anzahl von Wahlplakaten zur Verfügung hat. „Die formale Gleichbehandlung, jeder Partei eine Anzahl von 300 Wahlplakaten pro Wahltag zu gewähren, würde damit das Recht der größeren Parteien auf Achtung ihrer Chancengleichheit zugunsten der kleineren Parteien und damit zugleich das Neutralitätsgebot der Träger öffentlicher Gewalt im Wahlkampf verletzen.“ Damit setze sich die Stadt der Gefahr einer erfolgreichen Wahlanfechtung aus.
Mehrarbeit für das Bürgeramt
Hinzu komme: Die Festlegung einer Höchstgrenze führte in der bisherigen Praxis zu mehr Verwaltungsaufwand. Aufgrund von Beschwerden aus den Reihen der Bevölkerung sowie von Mitbewerbern, dass sich verschiedene politische Parteien nicht an die vorgegebene Höchstzahl an Plakaten halten, sah sich das städtische das Bürgeramt veranlasst, regelmäßige Streifengänge des Kommunalen Ordnungsdienstes und sogar Zählungen vorzunehmen. „Infolgedessen mussten weitere Maßnahmen zum Abhängen zu viel angebrachter Wahlplakate in die Wege geleitet und umfassende Stellungnahmen an die Beschwerdeführer verfasst werden.“ Wende man das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit an, würde dies noch mehr Arbeitsaufwand bedeutet, heißt es.
Erster Test bei der Landtagswahl
Daher will die Stadt die bisherige Höchstzahl für Wahlplakate, für Dreieckständer in der Innenstadt von Villingen und Schwenningen sowie für Großwerbetafeln aufheben. Die Vorgaben, an welchen Standorten im Stadtgebiet bei Wahlen nicht plakatiert werden darf, blieben bestehen. Die Möglichkeit, dass unbeschränktes Plakatieren zu einer Vermüllung und Verschandelung des Stadtbildes führt, sieht man bei der Stadtverwaltung auch. Glaubt aber, „dass sich aus Kostengründen die Anzahl der Plakate je Partei in gewissen Grenzen hält“. Sollte die Höchstgrenzen für Wahlplakate aufgehoben werden, will man die Auswirkungen bei der Landtagswahl am 8. März 2026 beobachten.