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Sonntags früh aufstehen und dann auch noch in die Kirche gehen? Stuttgarter Ministranten verraten, warum sie dem Pfarrer helfen.

Stuttgart - Was haben Stefan Raab, Xavier Naidoo und Jogi Löw gemeinsam? Sie alle waren früher Ministranten in ihrer Gemeinde. Jugendliche aus Stuttgart erzählen, warum auch sie sich dafür entschieden haben, im Gottesdienst zu helfen.

Hell erklingen die Töne der Orgel und spielen eine getragene Melodie. Die Bankreihen in der Konkathedrale St. Eberhard sind an diesem Sonntag nur spärlich besetzt. Während weitere Gläubige in die Kirche hasten, beginnt der Gottesdienst mit dem Einzug des Pfarrers. Ihm voran gehen drei Ministranten. Sie sind in die klassischen weißen Gewänder gehüllt. Der einzige männliche Ministrant geht mit dem Vortragekreuz voran. Er wird von zwei weiblichen Ministrantinnen flankiert, die jeweils eine Kerze tragen. Ihnen folgt der Pfarrer in seinem hellgrünen Messgewand. Den Abschluss bildet wieder eine Ministrantin. Mit gemessenen Schritten wandert die Prozession Richtung Altar. Das Kreuz wird aufgestellt. Der Gottesdienst beginnt.

Während der nächsten Stunde helfen die Ministranten dem Pfarrer mit Handreichungen. Einer von ihnen ist Magnus Weik, 14, Schüler am Albertus-Magnus-Gymnasium in Stuttgart. Er verbringt seine Freizeit in der Kirche, weil er sich für die Gemeinschaft und die Gemeinde engagieren möchte. Deswegen kandidiert er auch für den Jugendrat. Bei Flavia Hennig, ebenfalls 14, ist die Motivation eine andere. "Ich ministriere, weil der Gottesdienst manchmal langweilig ist und ich sonst eher nicht in die Kirche gehen würde", sagt die Schülerin vom Mädchengymnasium St. Agnes.

Mit Flavias Aussage erklärt sich vielleicht auch, warum außer den Messdienern lediglich zwei Jugendliche und wenige kleine Kinder zum Gottesdienst gekommen sind. Alle anderen Besucher sind Erwachsene. Bindet das Ministrieren junge Menschen an die Kirche?

"Innerhalb der katholischen Jugendorganisationen haben die Ministranten die geringsten Nachwuchssorgen", bestätigt Ernst Kusterer, Pfarrer der St.-Eberhard- Gemeinde. "In Stuttgart und überhaupt in der Diözese nimmt die Zahl der Ministranten zu."

Auch deutschlandweit ist die Zahl der Messdiener in den vergangenen Jahren gestiegen. Bei einer Zählung in den katholischen Kirchengemeinden kam die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz 2009 auf rund 436.000 Jungen und Mädchen - 43.000 mehr als fünf Jahre davor.

Matthias Aufheimer (22) erlebt das in seiner Gemeinde anders. Der Lektor und Ministrantenleiter der St.-Theresia-Gemeinde in Weilimdorf sieht vielmehr einen Rückgang an Ministranten in den letzten Jahren. "Die wenigsten ministrieren lange. Ich denke, vielen fällt das frühe Aufstehen schwer." Außerdem hat er festgestellt, dass der Sonntagsgottesdienst oft mit Fußballspielen und anderen Vereinsterminen kollidiert.

An den Angeboten der Ministrantengruppe kann das geringe Interesse nicht liegen. Der Zusammenhalt und die Gemeinschaft werden durch wöchentliche Treffen gestärkt. Über das Jahr verteilt unternimmt die Gruppe bis zu sechs größere Ausflüge, etwa in den Europapark. Allerdings nur mit Jungs.

Denn im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden dürfen in der St.-Theresia Gemeinde keine Mädchen ministrieren - der Pfarrer wünscht es nicht. "Ich habe nichts dagegen, dass Mädchen auch ministrieren, aber ich kenne es aus meiner Gemeinde eben nicht", sagt Aufheimer.

Blickt man dagegen in den Gottesdienst in der Konkathedrale St. Eberhard, so fällt auf, dass dort nur ein Junge und drei Mädchen ministrieren. Pfarrer Kusterer sagt dazu: "In unserer Zeit gibt es kaum noch Gemeindepfarrer, die nur Jungs als Ministranten wünschen. Ministrantinnen sind mittlerweile meist in der Überzahl." Unter den rund dreißig Ministranten in St. Eberhard gibt es bei den älteren mehr Jungs, bei den jüngeren mehr Mädchen. "Insgesamt ist die Verteilung aber halb-halb", sagt Flavia.

Nach dem Ende des Gottesdienstes schreitet sie zusammen mit den anderen Messdienern wieder feierlich hinaus. Im Umkleideraum schlüpfen sie aus ihren Messgewändern und verlassen wenige Minuten später die Kirche als ganz normale Jugendliche mit Jeans und Turnschuhen.