Damit auch in Zukunft effektive Medikamente gegen bakterielle Infektionserkrankungen verfügbar sind, werden Antibiotika benötigt, die andere Zielstrukturen der Bakterien adressieren als alle Wirkstoffe, die bereits klinisch verwendet werden (Symbolfoto). Foto: Imago/Panthermedia

Um Antibiotikaresistenzen zu überwinden, werden Medikamente mit neuartigen Wirkmechanismen dringend benötigt. Forscher haben nun den Wirkmechanismus einer vielversprechenden Naturstoffklasse – den Chlorotonilen – entschlüsselt.

Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto schneller entwickeln Krankheitserreger Mechanismen, um sich deren Wirkung zu entziehen. Die Folge sind resistente Erreger, denen gebräuchliche Antibiotika nichts mehr anhaben können.

 

Effektive Medikamente gegen bakterielle Infektionserkrankungen

Damit auch in Zukunft effektive Medikamente gegen bakterielle Infektionserkrankungen verfügbar sind, werden Antibiotika benötigt, die andere Zielstrukturen der Bakterien adressieren als alle Wirkstoffe, die bereits klinisch verwendet werden.

Einen solchen Kandidaten entdeckten Forscher am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HIPS) bereits im Jahr 2008 im Bodenbakterium Sorangium cellulosum: Die Naturstoffklasse der Chlorotonile zeigt eine starke Wirkung gegen die Krankenhauskeime Staphylococcus aureus und Enterococcus faecium sowie den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum und nutzt dabei einen bislang unbekannten Wirkmechanismus.

Staphylococcus aureus Foto: Imago/BSIP
Enterococcus faecium Foto: Imago/Dreamstime
Plasmodium falciparum Foto: Imago/piemags

In der im Fachjournal „Cell Chemical Biology“ veröffentlichten Studie konnten Forscher unter Leitung von Jennifer Herrmann und Rolf Müller den neuartigen Wirkmechanismus der Chlorotonile aufdecken.

Chlorotonile greifen Erreger kombiniert an

Dabei konnten sie zeigen, dass Chlorotonile die bakteriellen Erreger, im Gegensatz zu den meisten anderen Antibiotika, mit einem kombinierten Ansatz angreifen:

Zum einen binden sie an Membranlipide und destabilisieren so die bakterielle Membran.

Weiterhin hemmen sie zwei Enzyme, die an der Synthese von Zellwand und Proteinen beteiligt sind.

Die weltweite Gesundheit ist Teil des globalen Wandels. Die zunehmende Antibiotika-Resistenz dabei ein besonders gravierendes Problem. Foto: Imago/Depositphotos

Erstautor Felix Deschnererklärt, wie genau die Chlorotonile ihre Wirkung entfalten: „Wenn Chlorotonil an die Zellmembran bindet, können Kaliumionen unkontrolliert aus der Zelle austreten. Dadurch gerät das Zellinnere aus dem Gleichgewicht.

Das elektrische Potenzial der Membran verändert sich, der osmotische Druck fällt rapide ab und essenzielle zelluläre Prozesse werden gestört.“ Letztlich wird die bakterielle Zelle so massiv in ihrer Funktion gestört, dass letztendlich der Zelltod einsetzt.

Völlig neues Wirkprinzip

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Chlorotonile ein völlig neues Wirkprinzip verfolgen und gleich mehrere kritische Strukturen in der Bakterienzelle angreifen“, erklärt Herrmann. „Das macht sie zu potenziellen Game-Changern im Kampf gegen multiresistente Keime und eröffnet die Möglichkeit, gezielt nach weiteren Wirkstoffen mit einem ähnlichen Mechanismus zu suchen.“

Aktuell arbeiten die Forscher an der Weiterentwicklung der Chlorotonile, um deren Wirksamkeit und Sicherheit zu optimieren.