Warum Roland Tralmer so schnell Ritter wird – und warum die Demokratie ritterliche Verteidiger braucht: Die Kolumnistin verleiht den Burgnarren Straßberg den ersten Preis für Besonnenheit – und hofft auf dieselbe bei der Demo gegen Rechts in Balingen.
Noch kein Jahr im Amt, wird Oberbürgermeister Roland Tralmer schon zum Ritter geschlagen, und zwar von den Straßberger Burgnarren. Sein Vor-Vorgänger Jürgen Gneveckow musste 14 Jahre auf diese Ehre warten, seinem Vorgänger Klaus Konzelmann wurde sie nie zuteil. Tralmer indes kommt dazu wie die Jungfrau zum Kind – als Ersatz für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, den die Burgnarren um Dispens gebeten haben.
Verständlicherweise: Schließlich kommen am Schmotzigen Donnerstag Hunderte Narren nach „Spaßberg“, um dort den ersten Höhepunkt der Ortsfasnet, die Vergabe des Großen Falkenordens, zu erleben, darunter auch die bisherigen Träger, unter ihnen illustre Namen wie Winfried Kretschmann, Nicole Hoffmeister-Kraut und Thomas Strobl, die als Mitglieder der Landesregierung ohnehin besonders geschützt werden müssen vor Menschen, die ihren Frust nicht nur verbal äußern.
1000 Landwirte im beschaulichen Ort – das wäre nicht gut gegangen
Derzeit sind es die Landwirte, die mit großen Traktoren und Landmaschinen ihren Protest auf die Straße bringen. Das hätte ein sauberes Verkehrschaos gegeben, wenn der Bauernverband sich den Minister dort zur Brust genommen hätte, wo er leicht zu fassen wäre: im historischen Rathaus im beschaulichen Straßberg.
Aus einer glückseligen Fasnet samt humorvoller Laudatio auf den neuen Ritter und anschließender Schmodo-Party in der Schmeienhalle wäre dann nichts geworden – und alle, die am närrischen Feiertag die turbulenten politischen Ereignisse mal für ein paar Stunden zur Seite legen wollen, wären die Leidtragenden gewesen. Das wollen die Burgnarren um ihren Zunftmeister Daniel Nagraszus vermeiden. Der Mann ist im Ehrenamt Vorsitzender eines Vereins, der das Brauchtum pflegt, und wäre als Veranstalter verantwortlich, wenn auch nur einem Besucher etwas geschehen würde, wenn die Wut der Landwirte es nicht bei verbalen Ausbrüchen beließe. Dieses Risiko einzugehen – da hätte der Spaß ein Loch, meinen die Burgnarren, und schließlich wird im nächsten Jahr wieder ein Ritter geschlagen. Cem Özdemir wird noch Gelegenheit haben, den schönsten Ort am Strand der Schmeie kennenzulernen – aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Die Mehrheit meldet sich endlich zu Wort
Wut mit ganz anderen Ursachen wird sich – hoffentlich höchst friedlich – bereits am Samstag, 27. Januar, entladen: In Balingen demonstrieren alle, denen es langsam reicht mit den Ammenmärchen einer gewissen Partei, die ja angeblich gar nicht rechts außen spielt, gegen extremes Gedankengut, menschenfeindliche Deportationspläne und eine Politik, die spaltet, anstatt nach gemeinsamen Lösungen für die wirklichen Herausforderungen unserer Zeit zu suchen. Nicht wenige wundern sich schon lange, warum die große Mehrheit der Menschen in Deutschland – jene, die sich von rechtsextremen Umtrieben deutlich distanzieren – eigentlich bisher geschwiegen hat. Diese Zeiten sind nun vorbei, und es ist unserer Demokratie zu wünschen, dass die fleißigen Älbler diesen Samstag die Kehrwoche Kehrwoche und das Auto dreckig sein lassen und stattdessen nach Balingen fahren, um zu zeigen: „Wir sind mehr!“
Manche wechseln die Partei wie andere die Socken
Schließlich werden derzeit die Listen für die Kommunalwahl aufgestellt und gewisse Personen, die in ihrem Bemühen um ein öffentliches Mandat die Partei wechseln wie andere Menschen die Socken, laufen schon wieder mit der Schelle umher und tönen. „Hauptsache laut“ scheint für manche die Devise zu lauten. Falsch gedacht: Die lautesten Menschen haben zuweilen nicht die leiseste Ahnung, was sie durch Lautstärke nur wett machen wollen. Nur in der Fasnet, da wollen wir laut sein – auch in Spaßberg, und zwar die Narren, wie es guter Brauch ist. Allen eine glückselige Fasnet!