Eine Wandergruppe des TuS Ergenzingen entdeckt auf einer mehrtägigen Tour durch das Ahrtal die Schönheit der Region, sieht aber auch viele bis heute bestehenden Zerstörungen durch die Flut. Sie treffen Menschen, die berichten, wie es ihnen drei Jahre nach der Katastrophe geht.
Für 14 Wanderinnen und Wanderer des TuS Ergenzingen ging es mit zwei Kleinbussen ins Ahrtal. Wanderleiter Karl Schäfer hat alles organisiert. Er war mit seiner Spendenaktion für Fußballvereine bereits öfters im Ahrtal. Bei der Aktion wurden 30.000 Euro und Sachspenden von mehreren Tausend Euro gespendet.
Im Ahrtal war der Ansprechpartner der Kreisvorsitzende der Kreise Rhein/Ahr, Dieter Sesterheim aus Adenau. Dies war auch das erste Ziel der Wandergruppe. Das Ehepaar Sesterheim berichtete über die schlimme Flut am 14. und 15. Juli 2021. Er ging noch auf die Fußballvereine ein, die von der Flut betroffen waren. Zahlreiche Fußballplätze und Vereinsheime wurden beschädigt oder zerstört.
In den vergangenen drei Jahren wurden erst drei Sportplätze wieder hergestellt, wobei die SG Ahrtal in Insul mit dem Bau eines neuen Kunstrasenplatzes und einem Kleinspielfeld mit Flutlichtanlage die neueste Anlage bekam. Die Einweihung war vor zwei Monaten. Die Kosten beliefen sich auf 3,6 Millionen Euro. Karl Schäfer überreichte an Dieter Sesterheim noch 17 neue Sporttaschen und einen Geldbetrag von 275 Euro. Dieser Betrag wurde von der Radsport- und der Wandergruppe gespendet.
Keine Toten oder Vermissten in Fuchshofen
Nach der Stärkung führte die Fahrt in den kleinen Ort Fuchshofen, wo die Wanderer in der Eifelpension „Brückenschenke“ ihr Quartier hatten. Karl Schäfer berichtet: „Die Besitzer sind ein holländisches Ehepaar. Die Pension war von der Flut sehr stark betroffen und dies konnte man an zahlreichen Fotos und Zeitungsberichten sehen. Das ganze Erdgeschoss stand unter Wasser. Der Ort Fuchshofen hatte trotz allen Ausmaßes das große Glück, keine Toten oder Vermissten beklagen zu müssen. Es gab eine unglaubliche Hilfsbereitschaft der Menschen, die den Betroffenen zur Hilfe geeilt sind und mit angepackt haben, Wasser aus den Kellern zu pumpen, die Häuser und Straßen von Schlamm zu befreien, zerstörte Einrichtungen aus den Häusern zu entfernen und alle weiteren notwendigen Maßnahmen in der Folgezeit mit beispielhaftem Engagement unterstützt haben. Viele Wochen gab es kein Festnetz, kein Internet und auch keine Adenauer Nachrichten.“
Auf dem Fürstin Margaretha-Weg
Am Nachmittag stand die erste Wanderung auf dem Programm. „Wir haben uns den Fürstin Margaretha-Weg herausgesucht und zwar die Familienrunde über circa zehn Kilometer. Es war ein schöner Rundwanderweg der von Antweiler, Eichenbach, Aremberg wieder nach Antweiler führte. Wir wanderten durch wunderschöne Mischwälder und es gab herrliche Aussichten über das Obere Ahrtal. Kleine Kirchen und Heiligenhäuschen säumten die Strecke. Beeindruckend war die St. Nikolaus-Kirche in Aremberg, die im Jahre 1783 erbaut wurde“, berichtet der Wanderleiter.
Ziel ist der Rotweinwanderweg
Ziel am nächsten Tag war der berühmte Rotweinwanderweg. Die Gruppe fuhr mit Autos durch das Ahrtal bis nach Altenahr. Auf der Strecke von 20 Kilometern waren immer noch Schäden von der Flut zu sehen, aber neue Häuser wurden zwischenzeitlich gebaut beziehungsweise wieder saniert.
Schäfer berichtet: „Vor Altenahr mussten wir eine größere Umleitung fahren, da am Ortseingang größere Baustellen eingerichtet sind. Am Parkplatz beim Bahnhof sah man noch das Ausmaß der Flut. Es wird mit Hochdruck am Wiederaufbau der Bahnstrecke zwischen Ahrbrück und Walporzheim gearbeitet. Der offizielle Spatenstich der 14 Kilometer langen Ahrstrecke war im Sommer 2023. Die verschiedenen Bauteams mit mehreren hundert Arbeitern werden unter anderem 13 Brücken neu bauen und acht Brücken sanieren. 16 Kilometer Gleise müssen neu verlegt werden. Sechs Bahnstationen werden neu gebaut. Eine Mammutaufgabe, die bis Ende 2025 fertig sein soll.“
Zerstörung noch sichtbar
Dort an der Mittelahr hat die Flut sehr hohe Schäden angerichtet. „Bei unserer Wanderung durch den Ort Altenahr sah man noch zahlreiche Häuser, Restaurants und Hotels, wo die Zerstörung noch sichtbar ist. In der Verbandsgemeinde Altenahr mit vier Ortschaften kamen bei der Flut 39 Menschen ums Leben. Wir machten noch einen Stopp in der Kirche, die etwas höher liegt und von der Flut nicht betroffen war. Die Mesnerin erzählte uns, dass in der Flutnacht die Kirche voll mit Menschen war und sich vor der Flut gerettet haben. Wochenlang stapelten sich gespendete Anziehsachen, Hygieneartikel und Spielsachen. Nur die vorderen Bänke waren freigeräumt für den sonntäglichen Gottesdienst. Die Kirchengemeinde war eine wichtige Anlaufstelle für die Betroffenen der Flut“, schreibt Schäfer.
Aufstieg zur Burg Are
Anschließend starteten die Wanderer die Rotwein-Wanderung. Der Weg hat insgesamt eine Länge von 35,6 Kilometern und geht von Altenahr bis nach Bad Bodendorf. Jährlich wandern rund eine Million Menschen auf diesem Wanderweg. Er wurde schon mehrfach als einer der schönsten Wanderwege in Deutschland ausgezeichnet. Das erste Ziel war die Burg Are. Der Steilaufstieg war für alle etwas anstrengend. Aber oben angekommen, bot sich eine herrliche Aussicht in die Schieferschlucht der Weinbergslage „Altenahrer Eck“.
Dann ging es weiter zum Altenahrer Eck, wo man die Steillagen bestaunen konnte. Weiter wanderten sie durch einen Mischwald Richtung Mayschoß. Der nächste Abschnitt auf dem Wanderweg führte nach Rech. „Wir wanderten zuerst auf einem steilen Treppenaufgang und dann durch die Weinbergslage „Herrenberg“und hatten einen schönen Blick auf das Tal. Immer waren auch laute Maschinen zu sehen und zu hören, die an der Ahrtalbahn arbeiteten.
Hotels sind geschlossen
In Rech angekommen, stehen am Ortsrand zwei wunderschöne Hotels, die seit der Flut geschlossen sind. In Rech stand auch einmal die berühmte Nepomukbrücke. Diese Brücke fungierte vor der Flut als Hauptverbindung der beiden Recher Ortsteile. Die Brücke galt als Wahrzeichen des Ortes und als historisches Bauwerk. In der Nacht der Flut wurde die Brücke stark beschädigt und zum Teil zerstört. Im Juni 2023 wurde sie abgerissen. Nun soll wieder eine neue Brücke gebaut werden, aber dies kann noch dauern. Es muss auch über einen neuen Standort noch entschieden werden“, berichtet Schäfer.
Weinberge bieten Ablenkung
In Rech unternahm die Gruppe eine Einkehr in einem Weingut. Die Besitzerin erzählte, wie die Flut hier in Rech ankam. Bei ihnen sei auch alles zerstört. Das Wasser sei meterhoch gestanden. Immer wieder kam der Satz, warum man von Seiten der Politik nicht früher den Notstand ausgerufen habe. Menschenleben hätte man retten können, meint sie. Fast täglich werde über die Flut gesprochen. Nur wenn sie in den Weinbergen ist, dann komme sie auf andere Gedanken. Aber es werden noch Jahre vergehen, bis vielleicht wieder ein normales Leben geführt werden könne, meint sie.
Weiter geht die Reise durch das Ahrtal: „Wir fuhren mit dem Linienbus wieder zurück nach Altenahr. Auf diesem Abschnitt sah man noch das ganze Ausmaß der Flut. In Mayschoß an der Hauptstraße sind es nur ganz wenige Häuser, die bewohnt sind.“
Flutkapelle gebaut
An einem der folgenden Tage fuhr die Gruppe mit dem Bus nach Walporzheim. Mitten in den Weinbergen wurde eine Flutkapelle gebaut. Zahlreiche Helfer aus dem süddeutschen Raum boten dem Freundeskreis der Kapelle St. Josef an, eine Kapelle zu stiften. Zahlreiche Handwerker auch aus Baden-Württemberg haben in mehreren Wochen hoch in den Weinbergen die neue Kapelle errichtet. Die Einweihung war am zweiten Jahrestag der Flut am 15. Juli 2023 und ist dem Heiligen Donatus geweiht, dem Schutzpatron gegen Unwetter, Blitz, Hagel und Feuer.
Arbeiter rund um die Uhr im Einsatz
Schäfer berichtet: „Wir wanderten hoch zur Kapelle und haben auch der vielen Flutopfer gedacht. Mit dem Bus fuhren wir wieder zurück nach Mayschoß. Auf dem Weg sah man die vielen Arbeiten entlang der Ahrtalbahn. Auf der ganzen Strecke verteilt sind die Arbeiter im Einsatz, zum Teil rund um die Uhr. Da stehen die höchsten Baukräne, um die Arbeiten für das erste Brückenbauwerk der neuen Ahrtalbahn zu unterstützen. Zum letzten Mal sahen wir auf der Strecke die vielen Gebäude, die zerstört wurden. Man kann dies einfach nicht glauben, was da in der Flutnacht passiert ist.“
Schäfer zieht ein Fazit zu den Tagen im Ahrtal: „Alle waren von den wunderschönen Wanderungen begeistert. Das Wetter hat mitgespielt. Wir hoffen alle, dass es im Ahrtal wieder aufwärts geht. In so einem schönen Tal so eine Katastrophe zu erleben, das können viele nicht verstehen.“