Acht Jahre lang war der Schauspieler Walter Sittler mit seinen beiden Erich-Kästner-Programmen „Als ich ein kleiner Junge war“ und „Prost Onkel Erich“ unterwegs, jetzt spielt er diese letztmals im Stuttgarter Theaterhaus.
Acht Jahre lang war der Schauspieler Walter Sittler mit seinen beiden Erich-Kästner-Programmen „Als ich ein kleiner Junge war“ und „Prost Onkel Erich“ unterwegs, jetzt spielt er diese letztmals im Stuttgarter Theaterhaus.
Stuttgart - Herr Sittler, am kommenden Montag spielen Sie letztmals im Theaterhaus Ihre beiden Erich-Kästner-Programme „Als ich ein kleiner Junge war“ sowie „Prost Onkel Erich“. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Zunächst einmal liegt es nicht daran, dass ich keine Lust mehr auf diese Stücke habe, sie sind nach wie vor höchst aktuell und es ist immer noch ein großes Vergnügen, diese zu spielen. Aber es gibt auch noch andere Dinge auf dieser Welt. Die Nachfrage ist sehr groß, obwohl es inzwischen mehr als 400 Vorstellungen von beiden Stücken in den vergangenen acht Jahren gegeben hat. Deshalb ist das letzte Wort auch noch nicht darüber gesprochen. Vielleicht gibt es noch einzelne Aufführungen im kleineren Rahmen, denn die beiden Abende gehören zum Schönsten, was ich in meinem Theaterleben gemacht habe. Aber große Tourneen über zwei oder drei Monaten gibt es definitiv nicht mehr.
Für Sie dürfte der anhaltende Erfolg sehr reizvoll sein, denn Ihre Filmprojekte sind ja in der Regel nicht so nachhaltig auf Jahre angelegt.
Auch im Film kenne ich über Jahre andauernde Projekte, etwa „Girl Friends“ mit Mariele Millowitsch sowie die Comedyserie „Nikola“ mit ihr. Solche Vorhaben mag ich, denn wenn solche Konzepte in sich stimmig sind, entwickeln sie sich im Lauf der Zeit immer besser. Aber es kommt auch der Punkt, an dem der Höhepunkt vorbei ist und man in eine andere Richtung schauen will. Wobei Kästner unsterblich ist. Und das Schöne an ihm ist, dass auch andere an anderen Orten dies spielen können.
Wie viel Biografisches steckt in den Kästner-Texten?
Speziell bei Kästner sind die Texte so wahnsinnig schön, gut und reich, dass man gar nicht damit aufhören möchte, an diesen zu feilen. Da ergeben sich immer neue Interpretationsmöglichkeiten. Hinzu kommt das Besondere an Kästners Stil, der ja selbst gefordert hat, dass man möglichst genau hinschauen und präzise beschreiben soll, ohne zu erkalten, sondern immer mit einer großen Wärme für die Menschen und einer klaren Sicht auf die Dinge. Kästner selbst sagte, dass man alles möglichst lange anschauen muss, bis man begreift. Kästner hat das auf tragische Weise selbst erlebt: Er hat das Dritte Reich in Deutschland überlebt, hat darüber geschrieben und musste dann erleben, dass dieselben Leute, die ihn in der Nazizeit geärgert hatten, schon wieder in Amt und Würden sind. Diese Aufarbeitung kam dann zwar, war auch gründlich im Vergleich zu anderen Ländern, aber sie kam sehr spät.
Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?
Es ist ja verständlich, dass die Menschen nach dem Wiederaufbau sagten, dass es gut sein soll mit dem Rückblick. Aber das funktioniert nicht. Das erleben wir ja heute noch. Wenn man ein Problem unter den Teppich kehrt, kommt es irgendwann wieder zurück. Deshalb ist es besser, sich die Dinge genau anzuschauen und nicht gleich zu urteilen. Ich persönlich schaue lieber hin, weil ich nicht weiß, wie ich in der jeweiligen Situation gehandelt hätte. Daran hat sich in der Politik bis heute nicht viel geändert. Glücklicherweise leben wir heute im Vergleich zu damals in einem guten Staat mit einer gut funktionierenden Demokratie, auch wenn diese fraglos verbesserungswürdig ist.
Was kommt nach Kästner?
Das ist noch nicht spruchreif. In den vergangenen Jahren habe ich neben Kästner noch Komödien und die Kommissar-Serie gedreht. Das war so reich und erfüllend, dass ich theatralisch gar nicht nach Alternativen gesucht habe. Vielleicht benötige ich auch ein Jahr Pause. Kästner werde ich jedenfalls nicht beiseite legen.
Wie sehen Sie die politische Situation heute?
Ich gehöre ja weder einer Partei noch einer Richtung an, deshalb geht es mir um die Leute und die Frage, ob es ihnen möglich ist, ein freies Leben zu führen. Denn der Sinn der Demokratie ist die Freiheit, sein Leben so gestalten zu können, wie man es möchte, ohne Zwängen unterworfen zu sein. Das müssen alle Teile der Gesellschaft, also die Bürger, die Wirtschaft und die Politik, wissen. Und da gibt es derzeit ein Ungleichgewicht durch das Primat der Wirtschaft. Die Wirtschaft soll einen optimalen Handlungsrahmen haben, aber sie darf die Menschen und die Politik nicht aus den Augen lassen. Und aktuell frage ich mich, ob dieses Ungleichgewicht nicht weiter geführt wird, obwohl anderes versprochen wurde. Zumal ja auch eine andere Regierungsbildung möglich gewesen wäre. Dass eine Große Koalition 80 Prozent der Sitze haben soll, haben die meisten Bürger sicherlich nicht gewählt.
Werden Sie wieder als Stuttgart-21-Kritiker auftreten?
Diese Frage wird mir häufig gestellt. Ich weiß, was ich kann, und sage deshalb: Ich bin nicht für die Politik beruflich geeignet. Ich bin Bürger und versuche, wach zu sein und zu reden. Im Zentrum steht mein Beruf, das Schauspiel. Die schönste Rolle, die es leider real nicht gibt, ist die des Shakespeare’schen Narren, der dem König sagt, was Sache ist, und dieser hört zu. Was nicht gleich bedeutet, dass er entsprechend handelt.