Die Wrackteile werden nach Braunschweig gebracht, wo sie in einem Hangar untersucht werden. Foto: dpa

Wrack der nahe Ravensburg abgestürzten Cessna wird in Braunschweig von Experten akribisch untersucht.

Waldburg/Braunschweig - Am Abend des 14. Dezember, ein Donnerstag, ist noch gut was los am Himmel über Süddeutschland. Auf der Karte der Internetplattform "Flightradar 24" drehen und bewegen sich viele kleine Flugzeugsymbole. Ein regelrechtes Gewusel ist das. Eines der Zeichen ist die Maschine mit dem Kennzeichen OE-FWD, eine Cessna 510 Citation Mustang.

Der zweistrahlige Business-Jet befindet sich auf dem Heimweg von Frankfurt-Egelsbach nach Friedrichshafen. An Bord: Adi A. (45), Chefpilot der Sky Taxi GmbH in Bregenz, Bäderkönig Josef Wund (79) und ein zweites Besatzungsmitglied (49).

Kurz nach 18 Uhr überquert der etwa 600 Stundenkilometer schnell Jet bei Albstadt in 3000 Metern Höhe die Schwäbische Alb. Der Pilot ändert hier den Kurs; holt aus, um auf der vorgeschriebenen Route in den Luftraum des Regionalflughafens zu gelangen. Fünf Minuten später zerschellt die Maschine rund 15 Kilometer vor der Landung in einem Waldstück bei Siebenratsreute im Kreis Ravensburg. Niemand überlebt.

Noch am Abend machen sich zwei Gutachter der vom Verkehrsministerium kontrollierten Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) in Braunschweig auf den Weg nach Oberschwaben. Gegen 2  Uhr früh treffen sie an der Unglücksstelle ein, um sich ein möglichst exaktes Bild zu machen und die "Endlage" zu dokumentieren. Stürzte die Maschine ab oder flog die Besatzung ganz allmählich in den Tod, ohne es zu bemerken? Lage des Wracks, Spuren an den Bäumen, die Größe des Gebiets, in dem die Trümmer der Citation verteilt sind – all das liefert Erkenntnisse über die Umstände des Unglücks. Der Auftrag der BFU-Experten: herausfinden, was passiert ist.

Nach Angaben von BFU-Unfalluntersucher Jens Friedemann soll die Bergung der Maschine am Wochenende abgeschlossen sein. Anschließend werden die Wrackteile nach Braunschweig gebracht, wo sie in einem Hangar untersucht werden. Eine Obduktion der Crew-Mitglieder ist ebenfalls geplant, um herauszufinden, ob medizinische Gründe bei dem Unfall eine Rolle gespielt haben. Die Maschine war genau zehn Jahre alt – für ein Flugzeug kein Alter. Ansonsten hält sich die BFU zum jetzigen Zeitpunkt traditionell extrem bedeckt mit Aussagen.

Für Laien ist es schwer vorstellbar, wie sich in dem Chaos von verbogenem Metall, abgerissenen Kabelsträngen und geborstenem Verbundkunststoff überhaupt irgend etwas erkennen lässt. Doch Friedemann widerspricht: "Es lässt sich sogar jede Menge herauslesen." Ein Gewaltbruch durch einen Absturz könne gut von einem Ermüdungsbruch unterschieden werden. In welcher Stellung sich Fahrwerk und Landeklappen befunden haben, ist anhand der Antriebsmechanik feststellbar, selbst wenn die Bauteile beim Aufschlag abgerissen wurden. Eine "Blackbox" und einen Stimmenrekorder, die Flugdaten und die Gespräche der Besatzung aufzeichnen, gebe wahrscheinlich nicht – sie sind für diese Maschine nicht vorgeschrieben. Womöglich lässt sich aber der Speicher des GPS-Navis an Bord auslesen.

Etliche Daten werden mühevoll ausgewertet

Ansonsten werden die BFU-Gutachter alles zusammentragen, was sie beschaffen können: Lotsenkontakte, Radar- und Wetterdaten, die Wartungshistorie der Maschine, oder Papiere des Piloten. Erste Daten seien bereits gesichert, sagt Friedemann.

Am Ende soll Gewissheit stehen: ein Abschlussbericht, extrem sachlich im Tonfall, in dem die Ursache geklärt wird. Manchmal auch nur die wahrscheinliche. Nur eines wird die BFU nicht beantworten: die Schuldfrage. "Das ist nicht unsere Sache", sagt Friedemann, "unser Thema ist ausschließlich die Flugsicherheit". Sollte ein Technikversagen zum Absturz geführt haben, sind die Ergebnisse auch für die Hersteller von großem Interesse.

Bis der Bericht veröffentlicht wird, dauert es erfahrungsgemäß etwa ein Jahr, denn die Analyse ist extrem aufwendig. "Außerdem ist die BFU eine relativ kleine Behörde", sagt Friedemann. Rund 40 Mitarbeiter arbeiten in Braunschweig, die Hälfte davon Unfalluntersucher – darunter Berufspiloten, Ärzte, Ingenieure oder Fluglotsen. Im Schnitt nehmen rund 190 Fälle pro Jahr unter die Lupe – Unfälle oder "schwere Störungen im Luftverkehr". Das können Beinahe-Kollisionen sein oder Fälle, in dem beispielsweise eine Maschine über die Landebahn hinausschießt.