Sie feiern das seltene Ehejubiläum der Gnadenhochzeit: Irma und Walter Dettling in SalzstettenFoto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Gnadenhochzeit: Jubelpaar lebt seit 70 Jahren gemeinsam in Salzstetten und Sindelfingen / Bekannt für Humor und Musikaffinität

Walter und Irma Dettling feiern in Salzstetten am morgigen Karfreitag, 10. April, ihre Gnadenhochzeit. Das ist ein einmaliges Ereignis, das es zuvor im Ort noch nicht gegeben hat.

Waldachtal-Salzstetten. Seit 70 Jahren sind sie ein Ehepaar. Ein seltenes Glück für die beiden Salzstetter Urgesteine. Bekannt ist das Jubelpaar für seinen goldenen Humor und seine Musikaffinität. Geistig sind sie noch fit. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters – Walter ist 89 und Irma 94 Jahre alt – werden sie im Alltag jedoch von einer Haushaltshilfe unterstützt.

Jubiläumstag für das Ehejubiläum ist heuer der Karfreitag. Es war ein Ostermontag, als sie am 10. April 1950 nach der standesamtlichen Trauung durch Bürgermeister Vinzenz Wollensak und die kirchliche Hochzeit in der katholischen Kirche St. Agatha mit Pfarrer Vinzenz Härle im Gemeindesaal ihre öffentliche Hochzeit feierten. Da Walters Vater Eugen 45 Jahre lang die Salzstetter Musikkapelle dirigierte und Irmas Vater Matthias viele Jahre als aktiver Musiker mitwirkte, war es eine Selbstverständlichkeit, dass die Kapelle den Hochzeitszug zur Kirche St. Agatha begleitete. Zur Verstärkung wurden noch Musiker aus Altheim und Rexingen engagiert. Kronenwirt Wilhelm Stehle richtete die Hochzeit im Gemeindesaal aus. Die Dettlings mussten selbst noch Lebensmittel beisteuern. Der geistig vitale 89-Jährige schaut dankbar zurück: "Als Frühstarter habe ich mir meine Irma geangelt."

Das Jubelpaar hat den gleichen Nachnamen. Beide sind sie in Salzstetten aufgewachsen und sie haben denselben Stammbaum. Sie blicken auf 600 Jahre Familiengeschichte Dettling zurück. Die meisten ihrer Vorfahren seien in Salzstetten beerdigt worden, so wollten sie es auch. Der Name verbindet: Walter und Irma gehören seit rund 30 Jahren auch der Familiengemeinschaft Dettling mit weltweit mehr als 100 Mitgliedern an, deren Präsident Dieter Dettling ist und dessen Vorfahren aus Salzstetten stammen. "Wir waren und sind immer noch begeistert dabei", erklären sie mit Blick auf ihre Dettling-Gnadenhochzeit.

Was die beiden Jubilare verbindet, ist die Liebe zur Musik. Walter spielte aktiv das S-Horn in der Musikkapelle seiner Heimatgemeinde Salzstetten und wirkte später zehn Jahre als Posaunist bei den Altmusikanten. Beide kommen aus musikalischen Elternhäusern. "Das Miteinander zählt", blicken der 89-Jährige und die 94-Jährige auf sieben Jahrzehnte gemeinsame Zeit zurück. Der Kopf mache noch gut mit, aber der Körper lasse in den fortgeschrittenen Lebensjahren eben nach. "In dem Alter muss man es nehmen, wie es kommt. Heute weiß man nicht, was morgen sein wird", sagte Irma Dettling schon vor fünf Jahren bei der Eisernen Hochzeit. Und heute erklärt das Jubelpaar: "Wir warten jeden Tag auf den Abschied."

Sie festen nur im engsten Familienkreis mit den Familien ihrer beiden Kinder Rolf aus Reutlingen und Ingeborg aus Sindelfingen. Es gratulieren auch drei Enkelkinder und zwei Urenkel.

In Sohn Rolf, Jahrgang 1951, lebt die musikalische Ader weiter: Er dirigierte den Musikverein Salzstetten nach der Ära Günter Klück und 20 Jahre lang den Musikverein Oberschwandorf und machte sich mit den "Musketieren" aus Salzstetten einen Namen.

Anfangs wohnten die Eheleute im Seeweg in Salzstetten, bevor sie sich in der sogenannten Pendler-Siedlung in Sindelfingen im Jahr 1956 ein Reihenhaus bauten, wo heute Tochter Ingeborg mit Familie lebt. Ihrer Heimatgemeinde Salzstetten waren sie stets verbunden. So bauten sie 1978 in Salzstetten ein neues Einfamilienhaus. Seit 1992 pendeln sie zwischen ihrem eigentlichen Wohnort Sindelfingen und ihrer Heimatgemeinde.

Walter Dettling gilt als erster Daimler-Arbeiter von Salzstetten. Mehr als 40 Jahre lang war er in dem renommierten Unternehmen Daimler-Benz beschäftigt, in das ihn Franz Wehle im August 1949 vermittelt hat. Er arbeitete in der Flaschnerei und später in der Kontrolle. Er erlebte den Wechsel von der V-Klasse, wo die Türen noch aus Holzrahmen gefertigt wurden, bis zum Beginn der S-Klasse, als der 170 S aus einer reinen Stahlkarosserie hergestellt wurde.

Genau an dem Tag, als Sohn Rolf am 18. Januar 1951 zur Welt kam, ist Walter Dettling zusammen mit dem Lützenhardter Busunternehmer Franz Schweizer beim Verkehrsministerium in Stuttgart vorstellig geworden, um eine Daimler-Pendler-Buslinie Lützenhardt-Sindelfingen zu erwirken. Ursprünglich erlernte Walter das Schmiede-Handwerk 1945 bei Obermeister Paul Ruggaber in Horb, wohin er oftmals zu Fuß laufen mußte. Als sein Vater aus zweijähriger Kriegsgefangenschaft 1947 zurückkam, absolvierte er den Rest seiner Lehre in der heimischen Schmiede seines Vaters Eugen, der als Schmiedemeister (1924) im Lettenberg in einem Brettergebäude eine eigene Schmiede betrieb. Walter Dettling erinnert sich, wie sein Vater mit weiteren 3000 deutschen Kriegsgefangenen von Nagold bis Dornstetten durch Salzstetten marschierte, wohin seine Mutter Maria den Tross begleitet hat.

Bei der Dampfkesselfabrik Gebrüder Wagner in Cannstatt, bei der schon Otto Singer (Bruder von Martin Singer) aus Salzstetten arbeitete, fand er zusammen mit Michael Kneißler aus Altheim 1948 eine Anstellung.

Der inzwischen 89-Jährige machte ab den Jahren 1946/47 Tanzmusik am Schlagzeug zusammen mit Heinz Luger (Akkordeon) und Heinz Wollensak (Akkordeon). Walzer übten sie in der Küche von Walter ein. Geboren wurde Walter in Schäfers Kellerhäusle in der Oberdorfstraße. Aufgewachsen mit seinen Geschwistern Helene, Siegfried und Irmgard ist er in der Hauptstraße, in einem Haus, das Bürgermeister Eugen Dausch gehörte. Seine Mutter Maria ist eine geborene Hirth aus Lützenhardt.

Irma war als Näherin beschäftigt bei "Sonnenfroh" in Lützenhardt und arbeitete zu Hause in der Landwirtschaft mit. Als Tännle-Setzerin verdiente sie sich im Spitalwald. Ihr Vater Matthias war weitum bekannt als Händler für Öl und Fette. Neben dem Arzt Hans Holl hat ihr Vater als einer der ersten im Ort ein Auto gefahren. Das sei wohl anfangs der 30er-Jahre gewesen, erinnert sie sich.

Ein Kuriosum gab es im Leben der heute 94-Jährigen: Sie war die einzige Soldatin von Salzstetten. Im Alter von 18 Jahren wurde sie für das Militär verpflichtet. Von Herbst 1944 bis April 1945 half sie auf dem Flugplatz in Memmingen, Jagdflieger instand zu setzen. Einen Tag bevor die Franzosen (Besatzungsmacht) am 17. April 1945 in Salzstetten einmarschierten, kam sie auf Umwegen wieder in die Heimat zurück. Erst vor fünf Jahren konnte Irma wieder Kontakt knüpfen zu einer Militär-Kameradin, die in Lombach lebt.

In Sindelfingen, ihrer zweiten Heimat, sind die Dettlings beliebt gewesen. Sie haben kein Fest ausgelassen. Dort wie in Salzstetten haben sie viel gesungen und gelacht. Einen goldener Humor haben sich beide Ehepartner bis ins hohe Alter bewahrt. Auch wenn der Alltag oftmals beschwerlich ist, nächstes Etappenziel für das Ehepaar Dettling in Salzstetten ist die Kronjuwelenhochzeit (75 Ehejahre).

Menschen, die 70 Jahre lang verheiratet sind, haben die meiste Zeit ihres Lebens gemeinsam verbracht. Dem christlichen Glaube zufolge, wird den Eheleuten Gottes Güte zuteil: Gottes Gnade hat ihnen ein langes, gemeinsames Leben beschert. Die Gnadenhochzeit ist auch als Platin- oder Kupferhochzeit bekannt.