Bürgermeisterin Grassi scheut auch vor unangenehmen Wahrheiten nicht zurück. Foto: Wagner

Sparen heißt die Botschaft des ersten Waldachtaler Bürgerdialogs. Kommt jetzt die zentrale Verwaltung?

Waldachtal - Die Gemeinde Waldachtal lud zum ersten Bürgerdialog ins Haus des Gastes in Lützenhardt ein. Bürgermeisterin Annick Grassi stand hierbei den zahlreich erschienenen Bürgern Rede und Antwort zu sämtlichen Themen.

Das Interesse der Bürger war erfreulich hoch, denn nur wenige Plätze im Haus des Gastes blieben unbesetzt. In ihrer Begrüßung teilte Grassi mit, dass die Gemeinde Waldachtal im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) als Schwerpunktgemeinde anerkannt wurde und vom Land Baden-Württemberg fördervorrangig bei Investitionen behandelt werde. Heike Finkbeiner vom Bauverwaltungsamt ging anschließend ausführlich auf das Thema ELR ein. Die Anerkennung als Schwerpunktgemeinde ist auf Gemeinden im ländlichen Raum beschränkt und erfordert die Leistung eines besonderen Beitrags zur Umsetzung der landespolitischen Ziele. Als Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb der Schwerpunktgemeinden muss im Vorfeld ein umfassendes Entwicklungskonzept der Gemeinde erarbeitet werden. Dies geschah in Waldachtal unter anderem im Rahmen von Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung, die von Februar bis April vergangenen Jahres abgehalten wurden. Hierbei beteiligten sich die Einwohner an der Entwicklung zukunftsfähiger Lösungen für nachhaltige und strukturelle Verbesserungen innerhalb der Gemeinde. Die Anerkennung zur Schwerpunktgemeinde verschafft Waldachtal nun erhöhte Chancen, bestimmte Fördermittel des Landes zu erhalten und dies fördervorrangig und nachhaltig bis ins Jahr 2022. Ebenso wird der Gemeinde ein erhöhter Fördersatz von 40 auf 50 Prozent für gemeinwohlorientierte Projekte gewährt.

Deutlich wurden die Vorteile im Vergleich mit den Anträgen und Bewilligungen im vergangenen Jahr: Aus fünf Anträgen erfolgte eine einzige Bewilligung mit einem Zuschuss von 20 000 Euro. In diesem Jahr ergingen aus 13 Anträgen zehn Bewilligungen mit einer Bezuschussung von insgesamt 420 000 Euro. In den Schwerpunkten sieht das ELR vor, die Bereiche Wohnen, die Grundversorgung, den Arbeitsmarkt und Gemeinschaftseinrichtungen zu fördern. Hierbei ergeben sich Fördermöglichkeiten für private und gewerbliche Bauvorhaben. Die Antragstellung erfolgt über die Gemeinde Waldachtal. Wichtig hierbei ist unter anderem, dass die Unterlagen zum Bauvorhaben möglichst "vollständig" bis Ende September jeden Jahres eingereicht werden und dass mit der Umsetzung der Maßnahme noch nicht begonnen wurde. Die Gemeinde nimmt anschließend eine Priorisierung sämtlicher Anträge vor und legt diese dem Landratsamt und Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe vor. Das RP erstellt ebenfalls eine Prioritätenliste auf Ebene des Landkreises und gibt einen Einplanungsvorschlag an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ab. Die Förderentscheidung und Bewilligung erfolgt im März oder April des darauf folgenden Jahres.

Frage nach Kriterien

Ein Bürger Waldachtals stellte die Frage in den Raum, nach welchen Kriterien die Prioritäten der Baumaßnahmen festgelegt werden. Finkbeiner führte aus, die Gemeinde habe ursprünglich den Fokus auf gewerbliche Baumaßnahmen gerichtet – die Landes- und Regierungsebene priorisierte hingegen den privaten Wohnungsbau. Finkbeiner vermutete, dass der Wohnungsbau auch weiterhin vorrangig vom Land angesehen werde. Die Bürgermeisterin ging anschließend ausführlich auf die Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben der Gemeinde ein. Zu den Verpflichtungen der Gemeinde zählen unter anderem die Kleinkindbetreuung, Flüchtlingsunterbringung, der Gewässerunterhalt sowie die Errichtung und Unterhaltung der Straßenbeleuchtung. In die freiwilligen Aufgaben der Gemeinde fallen unter anderem die Vereinsförderung, Veranstaltungsräume oder auch der Breitbandausbau.

Hinsichtlich der Pflichtaufgaben gab Grassi Aufschluss über die Entwicklung in der Kleinkindbetreuung. Erfreulich sei zunächst, dass seit dem Jahr 2010 die Anzahl der Kinder in der Gemeinde ansteigende Tendenzen zeige, so Grassi. Dabei gehe der Trend seit 2014 immer deutlicher zur Ganztagesbetreuung und verlängerten Öffnungszeiten in den Kindergärten hin. Dies machte sich vor allem in den Ausgaben der Gemeinde bemerkbar, die diese Pflichtaufgaben stemmen muss: Im Jahr 2010 musste die Gemeinde noch 997 277 Euro an Ausgaben bei Einnahmen von 394 218 Euro tätigen. Im Jahr 2017 sind 840 300 Euro an Einnahmen und Ausgaben von 2 525 398 Euro im Haushalt eingeplant. Dies bedeutet ein Minus von 1 685 098 Euro und eine Steigerung des Defizits von 1 082 039 Euro seit dem Jahr 2010. Der Kostendeckungsgrad, der sich aus den zu zahlenden Beiträgen der Eltern ergibt, beläuft sich auf lediglich zehn Prozent. Hierbei spielen auch die Tariferhöhungen der Erzieherinnen und Erzieher eine kleine Rolle, gab Grassi zu verstehen. In der Gemeinde sind derzeit mehr als 40 Personen in der Kleinkindbetreuung in Voll- und Teilzeit beschäftigt, wobei nur wenige Stellen zu 100 Prozent besetzt sind, gab Grassi bekannt. Eine volle Belegung weisen der Kindergarten Lützenhardt mit 46 Plätzen und Salzstetten mit 48 Plätzen auf. Im Kinderhaus können von 90 Plätzen nur noch zwei freie Plätze bis zum Sommer diesen Jahres vergeben werden. Angesichts dieser Auslastung hat die Gemeinde kaum Spielraum für Einsparungen bei den Personalkosten in der Kleinkindbetreuung.

Unmögliche Aufgabe?

Um zukunftsfähig zu bleiben, muss die Gemeinde dringend die Ausgaben im Verwaltungshaushalt senken. Diese Aufgabe indes scheint vielen Bürgern unmöglich zu erscheinen – handelt es sich bei den geplanten Einsparungen um die stolze Summe von rund 1,5 Millionen Euro. "Der Verwaltungshaushalt muss erwirtschaften können, was im Vermögenshaushalt benötigt wird, sonst können wir keine Investitionen für unsere Gemeinde mehr vornehmen", erklärte Grassi den Bürgern.

Das größte Problem im Vermögenshaushalt stellen die Personalkosten dar – doch hier sieht die Gemeinde in Anbetracht ihrer Pflichtaufgaben keine Einsparmöglichkeiten mehr gegeben. Um den Pflichtaufgaben weiterhin nachkommen zu können, sieht sich die Gemeinde gezwungen, in ihren freiwilligen Aufgaben Einsparungen vorzunehmen. Grassi führte aus, dass die dezentrale Struktur der Gemeinde ebenfalls ein Problem darstellt. "Dies macht sich in allen Bereichen bemerkbar", verdeutlichte die Bürgermeisterin. Damit vertrat Grassi auch die Meinung von einigen anwesenden Bürgern. "Die Zentralisierung ist schon lange notwendig", bekräftigte einer der Besucher, woraufhin etliche im Saal diese Worte mit Applaus unterstrichen.