Lacramioara-Cerasela Miclaus mit ihrem »angel-husband« beim Interview mit dem Schwarzwälder Boten. Foto: Breitmaier

Lacramioara-Cerasela Miclaus ist die Nachfolgerin von Horst Richter. Hausärztliche Versorgung in Waldachtal ist gesichert.

Waldachtal-Lützenhardt - Lützenhardt hat eine neue Ärztin. Lacramioara-Cerasela Miclaus ist die Nachfolgerin von Horst Richter. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten erzählt die Rumänin ihre Geschichte. Ein Neckermann-Katalog und Niveacreme sind unter anderem dafür verantwortlich, dass die hausärztliche Versorgung in Waldachtal heute gesichert ist.

Freitagmittag, Lützenhardt, der Ort ist ausgestorben, grauer Frühherbst, der von den Abschiedsstrahlen der Spätsommer-Sonne durchlöchert wird. Wir treffen Dr. Lacramioara-Cerasela Miclaus in der Praxis von Dr. Horst Richter – in genau der Praxis, die eigentlich noch dieses Jahr hätte schließen müssen. Die rumänische Ärztin ist der Grund, warum es nicht dazu kommt.

Miclaus macht heute früher Schluss. Es geht 500 Meter den Berg hoch. "Da oben gibt es eine schöne Konditorei", sagt Miclaus in etwas gebrochenem Deutsch. Sie beschäftigt sich erst seit zwei Jahren intensiver mit der deutschen Sprache. Insgesamt sind es fünf, die sie beherrscht: Deutsch, Englisch, Französisch, ihre Muttersprache Rumänisch und ein wenig Spanisch.

"Alle hier sind so freundlich, ich fühle mich so willkommen." Wenn Miclaus von ihrer neuen Heimat erzählt, wird sie fast überschwänglich. Hinter dem knapp über 1,60 Meter großen Energieball, steckt aber nicht nur ihre einnehmende Persönlichkeit, sondern auch eine bewegte Geschichte.

Rumänien in den 1960er-Jahren. Dort, wo die Donau endet, ist Miclaus aufgewachsen. Tulcea, eine Stadt mit 100 000 Einwohnern, zehn Kilometer entfernt vom Schwarzen Meer. Der Kalte Krieg und das kommunistische Diktat sind hier weit weg. Miclaus erzählt von einer friedlichen und glücklichen Kindheit. Klavier spielen, Tanzen, Singen – sie erinnert sich gern zurück. Acht Jahre Grundschule. Danach aufs College für Mathematik und Physik, ähnlich dem deutschen Gymnasium.

Geschichten über das Medizinstudium einer Lehrerstochter haben sie neugierig gemacht

Ihr Vater war bei der Marine, ihre Mutter Verkäuferin, "eine leidenschaftliche Frau".

Das erste Schlüsselerlebnis für ihre spätere Profession hatte sie in der elften Klasse. Der Lehrer erzählt von seiner Tochter, von ihrem Leben als junge Medizinstudentin. Miclaus wurde aufmerksam: "Ich musste einfach mehr wissen." Je mehr der Lehrer erzählte, desto näher kam Miclaus ihrem Entschluss. "I have to do it!", erzählt sie auf Englisch: Auch sie musste es einfach tun. Doch zwischen ihr und dem Medizinstudium steht nicht etwa ein Numerus Clausus. Dazwischen stehen sieben Wälzer, die man für die Aufnahmeprüfung der Uni auswendig lernen muss. Vor allem bei den Jungs gab es damals den einen oder anderen Nervenzusammenbruch während des Lernens.

Doch nicht für die ehrgeizige junge Schülerin. Sie schafft es. Sechs Jahre Studium und dann auf in die große Stadt. Sie macht 1991 ihren Abschluss und fängt in Bukarest als Assistenzärztin in einer Klinik an. Im Jahr 1993 kommt ihre Tochter zur Welt. Sie beginnt eine Ausbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin. Während der Ausbildung hat sie auch die Chance, für einige Monate auf dem Land zu praktizieren.

Es ist ein anderes Arbeiten für die junge Ärztin – näher am Menschen. Hier lernt sie einen "ganzheitlichen Ansatz der Medizin" zu schätzen, weg von der hektischen Fließbandarbeit in der Klinik. "Es ist wichtig, auch auf die psychologischen Aspekte von Menschen eingehen zu können. Das geht nur, wenn man seine Patienten richtig kennenlernt."

Es folgen einige schwere Jahre: Die Trennung von ihrem ersten Mann, ein Neuanfang im Norden. Zeitweise hat die junge Ärztin sogar in einer Bücherei gearbeitet, doch selbst über diese Zeit sagt sie: "Es hat Spaß gemacht, weil ich für Menschen arbeiten konnte."

In ihrer neuen Heimat in Baia Mare erhält sie das Angebot, als Betriebsärztin für einen Stromerzeuger zu arbeiten. Nach einer zweiten gescheiterten Beziehung lernt sie in Baia Mare auch ihren jetzigen Ehemann kennen, bei dessen bloßer Erwähnung ihre Augen leuchten: "He’s an angel!"

"Wir haben in Gefängnissen gesungen, um den Menschen zu helfen"

2004 und 2005 kommen ihre beiden Söhne zur Welt. Sie geht drei Jahre in Elternzeit. Die gläubige Christin erzählt gern von diesem Abschnit ihrer Geschichte: "Wir haben mit den Kindern Kranke besucht und gesungen, wir waren sogar in Gefängnissen." Miclaus wird aber nicht müde, ihren Horizont zu erweitern. Sie beginnt eine weitere Facharzt-Ausbildung für Epidemiologie – allerdings zu einem Hungerlohn. Sie muss drei Jobs annehmen, um mit ihrem Mann und den Kindern über die Runden zu kommen: Nachtschichten im Krankenwagen, Hotelärztin und dann noch die Ausbildung. Irgendwann war das zu viel. Ein Tag mit den Kindern in der Woche war zu wenig. "Ich musste mich nach etwas anderem umsehen. Das konnte nicht fünf Jahre so weitergehen." Es steht zum ersten Mal die Frage im Raum: Warum nicht ins Ausland gehen?

2010, das Telefon klingelt. Irgendwie, so sagt Miclaus, ist sie in einer internationalen Datenbank für Ärzte gelandet, und eine Vermittlungsagentur hat ihren Namen herausgefischt.

Das erste Angebot war eine Stelle in Irland. Doch dann fragt die Stimme am anderen Ende der Leitung, ob es denn auch Deutschland sein könnte. "Ich dachte zuerst: Oh Gott, ich spreche doch überhaupt kein deutsch, aber der Mann von der Agentur hat mir dann Mut zugesprochen und immer wieder betont: Sie werden sie lieben. Sie werden Ihnen helfen."

Die Entscheidung für Deutschland fiel auch aufgrund eines Kindheitserlebnisses, damals in Tulcea: Über Umwege gelangt ein deutscher Neckermann-Katalog in die Hände der kleinen Lacramioara-Cerasela. Kinderaugen werden weit: "Ich war unglaublich beeindruckt, wie perfekt die Deutschen waren." Vor allem die Niveacreme hat es ihr angetan, die sie heute noch ständig benutzt. Seitdem gibt es bei Miclaus den Traum, nach Deutschland zu gehen. Die Chance bestand, den Traum wahr zu machen und Miclaus greift zu. Sie macht Deutschkurse – hängt sich richtig rein. "Jede Woche kam der Anruf von der Agentur, die mich nach meinen Fortschritten fragte."

Dann der erste Kontakt mit Waldachtal: Bewerbungsgespräch in der Zauberwald- Klinik in Lützenhardt. Die Zweifel, ob die Sprachkenntnisseausreichen, fegt der neue Arbeitgeber in der Mutter-Kind-Klinik vom Tisch: "If you have love for the kids, it will work", hieß es: "Wenn Sie die Kinder lieben, dann wird das funktionieren." Es folgt der Umzug nach Herzogsweiler, der Umzug in eine neue Welt.

Doch die Reise ist noch nicht zu Ende: In der Zauberwald-Klinik lernt sie einen Allgemeinmediziner aus Lützenhardt kennen: Dr. Horst Richter. Er wird ihr ein Jahr später eine entscheidende Frage stellen.

Die wissenshungrige Ärztin sieht aber nach ein paar Monaten eine echte Chance, ihr medizinisches Portfolio ein weiteres Mal zu erweitern: Die Onkologische Klinik in Hallwangen macht ihr ein Angebot. Für Miclaus besonders interessant: Die Klinik bietet seltene Alternative Therapien. Ihren ganzheitlichen Ansatz der Medizin kann sie hier erweitern: "Ich habe viel gelernt. Man sieht jeden Tag die kleinsten Veränderungen. Es war wirklich eine bereichernden Erfahrung. Ich bekam tiefe Einblicke in das deutsche Gesundheitssystem."

Horst Richter: "Zusammen werden wir das Schaffen – Schritt für Schritt."

Doch der tägliche Kontakt mit sterbenskranken Patienten hat seinen Preis: "Ich war zu nahe dran, als manche von ihnen starben." Als sie sich erneut Gedanken um ihre Zukunftsplanung machen muss, erinnert sie sich an einen Arzt, den sie in der Zauberwald Klinik kennengelernt hatte: "Und ich hatte den Mut ihn anzusprechen", sagt Miclaus, grinst und nippt an ihrem Milchkaffee – Dr. Horst Richter.

Was Miclaus zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß. Richter ist gezwungen, nachdem die Praxis 33 Jahre Teil der Familie war, den Laden dicht zu machen. Er sucht keine Kollegin, er sucht eine Nachfolgerin: "Sind Sie bereit das zu übernehmen?" Miclaus ist sich noch nicht ganz sicher, aber Richter spricht ihr Mut zu: "Zusammen werden wir das schaffen – Schritt für Schritt." Die angebotene Übergangszeit räumt die Zweifel aus und für Miclaus heißt es seitdem: "I’m here and I’m ready to do it."