Gut besuchte Infoveranstaltung zur Abschaffung der Ortschaftsverfassung / Junge Bürger scheint das Thema nicht zu interessieren
Von Eberhard Wagner
Waldachtal-Tumlingen. In einer vom Tumlinger Ortschaftsrat (OR) organisierten Infoveranstaltung am Donnerstag im Gemeindesaal legte Bürgermeister Heinz Hornberger den anwesenden Bürgern seine Ideen zur schrittweisen Abschaffung der Ortschaftsverfassung (OVerf) und Zusammenlegung der drei Bürgerbüros von Tumlingen, Lützenhardt und Hörschweiler offen.
Dabei gab sich der Schultheiß betont emotionslos und erklärte dabei auch, dass er diese Aufgabe aus dem vom Gemeinderat einstimmig beschlossenen Gemeindeentwicklungsplan 2025 entnommen habe, in dem die Abschaffung der OVerf für alle fünf Teilorte als Ziel definiert ist. Waldachtal besitzt keinen "dominanten" Hauptort, obwohl Hornberger das Gebiet "Himmelreich", wo derzeit das Kinderhaus entsteht, als Zentrum Waldachtals ansieht. Er gab zu, dass die Zusammenführung aller Verwaltungen und Bürgerbüros unbedingt bauliche Investitionen voraussetze, wobei auch er den Neubau eines Rathauses als unrealistisch ansehe. Ortsvorsteher Rudolf Emele machte zuvor noch einmal deutlich, dass die Entscheidung zur Abschaffung der OVerf ganz in der Kompetenz des Rates liege. Es werde keine Abstimmung unter den Bürgern angestrebt.
Rund 60 Bürger interessierten sich für das Thema, das derzeit zumindest die Gemüter der drei betroffenen Orte bewegt. Als enttäuschend muss die Tatsache angesehen werden, dass die jüngeren Generationen bis zum Alter von 30 Jahren der Veranstaltung ausnahmslos fern blieben und somit ihr Desinteresse für Kommunalpolitik deutlich zum Ausdruck brachten.
Die anwesenden Bürger nutzten die Gelegenheit ausgiebig, ihre Meinung zu äußern. Viele sehen dabei nicht ein, warum eine funktionierende "Denkfabrik" und Triebfeder des Ortes abgeschafft werden soll. Die Zeit sei noch nicht reif dafür, meinten einige. Keinesfalls jedoch dürfe man die Demokratie "Im Kleinen" abschaffen.
Hornberger weiß, dass die Integrität des Waldachtals sehr zu wünschen übrig lässt, und die Bürger setzten noch einen obendrauf: Salzstetten entwickle sich weitgehend selbstständig, unterhalte eine eigene Infrastruktur mit Schule, Kindergarten und Feuerwehr und entferne sich so stetig vom übrigen Waldachtal. Eine Abschaffung der OVerf in nur drei Orten sieht der Bürger eher als "Aufreißen eines zusätzlichen Grabens" zwischen den Orten als förderlich für die Gemeinsamkeit an. Die ehemaligen Räte Hartmut Romann und Ralf Bohnet brachten es auf den Punkt: "Tumlingen war nie gegen eine Zusammenlegung der Verwaltungen und der Abschaffung der OVerf. Wir sind nur dann dagegen, wenn nicht endlich alle Orte zu diesem Schritt bereit sind."
"Eiserner Wille" zum Zusammenwachsen im Strategiepapier vermisst
Romann geht sogar noch weiter und fordert im Zuge einer kompletten Abschaffung der OVerf auch die Entfernung der Unechten Teilortswahl (UTOW), um endlich der Demokratie mehr Raum zu verschaffen: "Die Bürger wählen dann ohne ortsbezogene Listen die Kandidaten für den Gemeinderat."
Romann als auch Bohnet vermissen in Hornbergers Strategiepapier den "eisernen Willen" zum Zusammenwachsen. Ihre Meinung wurde unter großem Applaus der anderen Bürger bestätigt.
Der Ortschaftsrat tat gut daran, den Bürger zu Wort kommen zu lassen. Für viele der Besucher wird Demokratie nur dann gelebt, wenn sie zu Wort kommen dürfen und ihre Meinung auch gehört wird. Die Frage, ob eine Dorfgemeinschaft oder ein Bürgerverein den OR auf Dauer ersetzen kann, wurde nicht geklärt. Für viele Bürger stellt sich diese Frage erst gar nicht, weil sie auf die Institution des OR setzen und sich auf sie verlassen. Darin sieht OV Emele eine Art Bequemlichkeit und sogar eine "psychologische Hemmschwelle" für die Bürger, sich nicht für bürgerschaftliches Engagement begeistern zu müssen. Aber genau dies will Emele, der mit seinen Räten oft bis auf die rühmlichen Einsätze seiner "schaffigen Rentner" alleine dasteht, wenn es um Planung und Durchführung innerörtlicher Projekte geht.
Auf Anfrage der Bürger äußerten sich die Räte Kurt Kübler und Hartmut Johannsen, keinen Sinn in einem Alleingang dreier Teilorte erkennen zu können. Rätin Gertrud Krämer und Rat Joachim Rothfuß heißen die "kleine Reform" jedoch gut, da diese endlich ein Anfang im ersten, kleinen Schritt darstelle. Inzwischen seien die Ortschaften weiter voneinander entfernt als vor 39 Jahren, meinten beide unisono. Das Stimmungsbild der Bürger war den Räten wichtig, denn bis Oktober 2013 soll nach Ankündigung Emeles die Entscheidung im Rat fallen.
Hornbergers Strategiepapier, mit den drei zentralen Orten des Waldachtals zumindest eine kleine Reform als ersten Schritt für ein gemeinsames Waldachtal durchzubringen, wurde von der Mehrheit der Bürger als unausgereift verstanden. Die Tumlinger wehren sich auch gegen mögliche Vorwürfe, sie verhinderten das Zusammenwachsen der Gemeinde und werfen vielmehr dabei ungewollt die brisante Frage auf, ob es nicht die Gremien in Salzstetten und Cresbach sind, die eine längst akzeptierte und auch vom Bürger gewollte Reform in der Gesamtgemeinde blockieren.