Eine Spezialität des fischerAbiturientenforums sind die Abstimmungen des Publikums zu Entscheidungsfragen. Foto: fischer

Europäische Union Thema beim fischer-Abiturientenforum. Diskussion mit Experten aus Politik, Presse und Wirtschaft.

Waldachtal - Über 200 Schüler und Auszubildende nahmen am Mittwoch am 7. fischer-Abiturientenforum zum Thema "Europa 2017 – Krise oder Aufbruch" teil. Sie diskutierten mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Bereits im März hatten sich die Schüler angesichts der Krisen in Europa bei der Abstimmungssitzung für dieses Thema entschieden. Marc-Sven Mengis, Geschäftsführer Personal des Unternehmens, hob in seiner Begrüßung hervor, dass die jungen Leute damit wieder ein besonders wichtiges und aktuelles Thema ausgewählt hätten. Ob Griechenlandkrise, Brexit, Flüchtlingsproblematik aber auch die Sorge um Terror und um innere Sicherheit bewegen die Menschen in Europa.

In einem Videoclip hatten Schüler der Heinrich-Schickhart-Schule Stimmen gesammelt, in denen deutlich wurde, dass viele Menschen Europa eher kritisch gegenüber stehen. Und auch in der Online-Umfrage der Arbeitsgruppe am Otto-Hahn-Gymnasium Nagold überwogen negative Einstellungen, wenn auch sehr knapp.

Diese eher kritische Grundhaltung gab Moderator Carsten Knop, leitender Redakteur bei der FAZ, Gelegenheit, die Einschätzung der prominenten Podiumsgäste zu erfragen.

Evelyne Gebhardt ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments und inzwischen dessen Vizepräsidentin. Die gebürtige Französin lebt in Schwäbisch Hall und vertritt die deutschen Sozialdemokraten im Parlament. "Ich lebe Europa und bin Europäerin."

Sie wies auf die Erfolge von Europa mit Blick auf den Frieden, den Wohlstand und die Sicherheit hin. Sie konnte eindrucksvoll berichten, wie sich das Zusammenleben, das Arbeiten oder auch das Reisen in den letzten Jahrzehnten vereinfacht habe.

Maria Dietz ist seit Jahren in der Leitung der GFT SE tätig, ein weltweit erfolgreich agierender Dienstleister für digitale Prozesse in der Finanzbranche mit Hauptsitz in Stuttgart. Für sie ist Europa zunächst "ein ganz wunderbares Friedensprojekt", in dem man unkompliziert leben und arbeiten könne. Sie konnte am Beispiel ihres Unternehmens belegen, welche Rolle der internationale Handel spielt: 80 Prozent seines Umsatzes erzielt das Unternehmen außerhalb Deutschlands, 75 Prozent davon innerhalb der EU. Ohne den Binnenmarkt hätte das Unternehmen – das einst mit 30 Köpfen in St. Georgen begonnen hatte – mit heute über 5000 Mitarbeitern diese Erfolgsgeschichte nicht schreiben können.

Ulrich Eith, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Freiburg, beleuchtete die komplexen Themen von der wissenschaftlichen Seite. Er wies auf das Dilemma hin, in dem die europäische Politik häufig steckt: Einerseits die Notwendigkeit und die Erwartung von schnellen Entscheidungen, andererseits die aufwendigen und langwierigen Abstimmungsprozesse in den Institutionen.

Am Beispiel der EU-Außengrenzen stellte er dar, dass es bisher keinen organisierten und legitimierten europäischen Grenzschutz gäbe. Angesichts der Verhältnisse im Mittelmeer, der Flüchtlingsbewegungen und der Schlepperorganisationen sei dies bislang ein ungelöstes Problem. Auch deshalb müsse Europa weiterhin die Frage nach einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die Agenda nehmen.

Seitens der angehenden Abiturienten saßen Tara Rehm, Jeremy Teutsch und Esther Vogt auf dem Podium. Sie sahen als Grund der europakritischen Haltung vieler Bürger die Vielschichtigkeit und den Umfang der Herausforderungen. "Europa ist ein extrem dickes Brett, das keine einfachen Entscheidungen ermöglicht", so Tara Rehm vom Kepler-Gymnasium.

Auf die Frage, ob das Thema Europa im schulischen Unterricht genügend Beachtung findet, ergab die Schülerumfrage ein differenziertes Bild. Insgesamt wünschen sich die Schüler eine breitere Behandlung der Europa-Thematik. Positiv wurde die Praxis im Fremdsprachenunterricht und in den Neigungsfächern Geschichte und Gemeinschaftskunde hervor-gehoben.

Noch besser als alle Theorie, so das einhellige Meinungsbild, sind die konkreten Begegnungen mit anderen europäischen Ländern im Rahmen von Austauschprogrammen.

Eine Spezialität des fischer Abiturientenforums sind die Abstimmungen des Publikums zu einzelnen Entscheidungsfragen. Moderator Carsten Knop ließ die Schüler zu wichtigen Zukunftsfragen der europäischen Entwicklung abstimmen. Diese votierten mit deutlicher Mehrheit für die Möglichkeit, die EU zu erweitern. Die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollen die Schüler angesichts der aktuellen Verhältnisse dagegen unterbrechen.

Breiten Raum nahm die Diskussion über die Identitäten ein, die sich jedem Einzelnen stellen. Hier galt lokal vor global, in erster Linie fühlen sich die jungen Menschen mit ihrer engeren Umgebung verbunden – Europa wird dagegen eher abstrakt und weniger greifbar empfunden.

Im Verlauf der zweieinhalbstündigen zugleich vielfältigen und konzentrierten Diskussion neigte sich die Stimmung zusehends Richtung Aufbruch für ein starkes und handlungsfähiges Europa. Maria Dietz sprach vielen aus dem Herzen als sie an die zukünftigen Wähler appellierte, sich zu engagieren, Initiativen zu ergreifen und somit die Zukunft der EU aktiv mitzugestalten. "Europa braucht die Mitwirkung aller, um zu gelingen", so lautete ein Fazit.

Bereits zum siebten Mal hat das Waldachtaler Unternehmen für die angehenden Abiturienten der umliegenden Gymnasien das Forum angeboten. Gemeinsam wurde in mehreren Sitzungen das Thema ausgewählt und dann in Arbeitsgruppen ausgearbeitet. Beteiligt sind seit Beginn der Veranstaltungsreihe das Gymnasium Dornstetten, die Eduard-Spranger-Schule, die Heinrich-Schickhardt-Schule, das Kepler-Gymnasium - jeweils Freudenstadt, das Martin-Gerbert-Gymnasium Horb sowie das Otto-Hahn-Gymnasium Nagold. Dieser Beitrag wurde von der AG Presse mit den Schülern Laura Genkinger, Elisa König und Vincent Seeger vom Gymnasium Dornstetten mit Unterstützung der Unternehmenskommunikation der Unternehmensgruppe fischer verfasst.