Beruf: 17-jähriger Brendan Hampel ist als Mann in der Erzieherausbildung eine Ausnahme / Orientierungsjahr in Salzstetten

Wie Kinder in Familien ihren Vater brauchen, so bedarf es männlicher Erzieher in Kindergärten. Aber in Deutschland liegt deren Anteil bei lediglich 5,8 Prozent und die EU möchte die Quote auf 25 Prozent hochschrauben.

Waldachtal-Salzstetten. Ein Beispiel: Brendan Hampel macht beim Kindergarten im Bildungshaus in Salzstetten gerade ein Praktikum. Der junge Mann aus Freudenstadt-Wittlensweiler kommt donnerstags und freitags und ist noch bis zum Sommer dort beschäftigt. "Seit ich Zehn bin, wurde mir gesagt, dass ich es gut mit Kindern kann", sagt der 17-Jährige heute.

Nach seinem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) am Justinus-Kerner-Kindergarten in Freudenstadt hat er seine vierjährige Ausbildung zum Erzieher im Oberlin-Haus Freudenstadt begonnen. In seinem ersten Orientierungsjahr ist er beim Kindergarten "Blinkender Sonnenstern" Salzstetten tätig, wo derzeit 54 Kindergartenkinder und acht Krippenkinder von zehn pädagogischen Fachkräften betreut werden. Was ist denn der Hauptunterschied zwischen dem städtischen Kindergarten in Freudenstadt und dem ländlichen in Salzstetten? Antwort Brendan: "In Freudenstadt haben alle Kindergartenkinder Hochdeutsch gesprochen, in Salzstetten eigentlich nur Schwäbisch."

Fest integriert

Beim "Blinkenden Sonnenstern" sind ausschließlich Erzieherinnen im Einsatz, aber: "Wir haben öfters männliche Praktikanten hier", berichtet Leiterin Doris Wössner. "Kindergarten und Grundschule sind so frauenbetont. Es ist gut, dass da Männer hineinkommen." Ob kreativ Modelle bauen mit Fischertechnik oder Action im Turnbereich. Wössner bestätigt: "Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht." Brendan sei fest integriert in die Gruppe der Vorschüler. Hier sammle er Erfahrungen im Umgang mit den Kindern sowohl in pädagogischer als auch in psychologischer Hinsicht. Er sei in Projekte eingebunden, so zuletzt in Sachen Verkehrserziehung.

S eine Mentorin Andrea Kaupp mit ihrer fast 30-jährigen Erfahrung als Erzieherin befürwortet es, dass im Team im Kindergarten Salzstetten auch ein männlicher Praktikant tätig ist. "Mir ist wichtig, dass ein Praktikant viel lernt", sagt seine Anleiterin. Sie gebe Einblicke in verschiedene Lernfelder, gebe Tipps und reflektiere die Arbeit in Gesprächen. Der Morgenkreis der Kinder beginnt mit einem Begrüßungslied. Die vierjährige Emilia meint: "Der Brendan kann ganz toll singen." Im Kindergarten wird jeden Tag gesungen. Dann gehen die Kinder in die Funktionsräume: Empfangsraum mit Tischspielen, Bau-, Puppen-, Lese-Ecke, Turnraum, Atelier, Freispiel.

Talente einsetzen

Kinder können ihre Bewegungsaktivitäten frei wählen. Hier kann sich der Praktikant in vielerlei Hinsicht einbringen. "Brendan ist musikalisch. Er soll seine Talente einsetzen", erläutert Andrea Kaupp. Sie bestätigt: "Wir arbeiten schon lange mit dem Oberlinhaus zusammen. So bekommen wir Nachwuchskräfte." Die Kinder reagieren unterschiedlich auf den männlichen Erzieher. Jungs fordern ihn mehr, wie zu Hause den Vater. Der 17-Jährige fühlt sich wohl in dieser Einrichtung: "Es macht mir unfassbar viel Spaß. Mit Kindern ist das ideal für mich." Er brauche einen sozialen Beruf. "In einer Fabrik würde ich es nicht aushalten. Mit einer Maschine kann man nicht sprechen", erklärt Hampel seine berufliche Orientierung. Es ist für ihn ein sinnvoller Berufsalltag. Mitten in seinem Praktikumsjahr in Salzstetten erklärt er im Brustton der Überzeugung: "Ich würde nochmals diesen Weg einschlagen. Ich brauche soziale Kontakte und da ist der Kindergarten die richtige Option gewesen." Dafür nimmt er auch weniger Verdienst in Kauf. Es ist seine Vision, später etwas mit Jugendlichen zu machen.

Hampel hat nach der Mittleren Reife in der Falken-Realschule Freudenstadt den sozialen Beruf bewusst gewählt. In den Schulklassen, so Brendan, sind nur sieben männliche bei 45 weiblichen Auszubildenden. Der Weg zum Erzieher dauert vier Jahre. "Die Praxis ist der interessantere Teil, auf jeden Fall", bestätigt er. Pädagogen, Eltern und Politiker sind sich schon lange einig: Kitas brauchen mehr Erzieher. Es wurde erkannt: Es bedarf der männlichen Bezugsperson für das Kind auch im Kindergarten analog dem Vater in der Familie. In Großstädten beträgt der Anteil männlicher Erzieher teilweise schon über zehn Prozent. Das Gefälle zum Land erklärt sich durch dort eher traditionelle Geschlechtervorstellungen. Doch nach wie vor wollen zu wenige Männer in den Job, trotz jahrelanger Kampagnen. Das will die EU mit einem erneuten Anlauf ändern.

Übrigens: Am Donnerstag, 28. März, ist wieder Boys’ Day im Bildungshaus in Salzstetten. Im Rahmen der bundesweiten Aktion ermöglicht es Jungen Einblicke in sozialpädagogische Berufe. Schüler kommen an diesem Tag ins Bildungshaus.