Unter anderem in der Biergasse in Salzstetten hat der Fahrer mit dem Stapler mehrere Schäden angerichtet. Foto: Walter Maier

Ortsvorsteher Friedrich Hassel gibt Entwarnung: "Müssen uns in Salzstetten nicht sorgen."

Waldachtal-Salzstetten - Etliche Einwohner in Salzstetten wurden in der Nacht von Montag auf Dienstag aus dem Schlaf gerissen. Woher kommt der große nächtliche Lärm? Manche vermuteten, dass dieser mit einem Militärmanöver zusammenhängt, weil auch ein Hubschrauber zu hören war. Andere dachten, es wäre eine Suchaktion der Polizei.

Doch kaum jemand bekam es wirklich mit, welch Schreckliches in der Nacht geschehen ist: Eine wutentbrannte Gewaltfahrt durch den ganzen Ort mit einer großen Sachschadenssumme von mehr als 100.000 Euro, der einen Großeinsatz der Polizei auslöste. Glücklicherweise kamen keine Personen zu Schaden. Dass der mutmaßliche 20-jährige Täter alkoholisiert war, wurde noch in der Nacht durch eine Blutprobe bestätigt und von der Polizei bekannt gegeben.

Die Bilanz der Randale-Fahrt: Neun beschädigte Autos. Davon sind fünf Totalschaden. Nach Recherchen unserer Zeitung rastete ein junger Pferdepfleger aus, der erst seit Kurzem in Waldachtal arbeitet, als ihm auf sein Verlangen hin die Autoschlüssel zu dem VW-Polo nicht ausgehändigt werden, der neu für die Mitarbeiter der Reitanlage angeschafft worden ist. Grund: Sein alkoholisierter Zustand.

Schaufel verloren

Birgit Engel-Eisele konnte es am Dienstag noch gar nicht fassen, was in der Nacht geschehen war: "Ich hatte keine Vorstellung." Am Dienstagmorgen sagte sie kurz vor dem Eintreffen des Abschleppwagens: "Mein weißer Golf, mein ganzer Stolz, ist kaputt." Noch in der Nacht waren Gäste zu einer Familienfeier im Haus. Ihre Tochter ist gegen zwei Uhr wach geworden und hat aus dem Fenster geschaut. Es war alles stockdunkel. Nur weiter unten in der Waldgasse fuhr ein Fahrzeug. Nichts ahnend schaute sie nicht auf den eigenen Hof vor dem Wohnhaus, wo der motorisierte Täter ja schon zwei Autos der Familie mutwillig beschädigt hatte. Sie dachte nur für sich: "Wer fährt denn da?" Ihre Mutter Heidi Engel ist traurig, dass ihr roter Opel Astra sehr ramponiert wurde. Ein Totalschaden. In der Waldgasse vor dem Wohnhaus der Familie Siegbert Eisele und Birgit Engel-Eisele hat der Gewaltfahrer die Schaufel des Teleskop-Gabelstaplers verloren oder zurückgelassen. Martin Walz aus der Waldgasse, dessen Passat mit frischem TÜV auch in Mitleidenschaft gezogen wurde, erzählt: "Meine Freundin ist durch den Lärm auf der Straße wach geworden. Wir haben dann noch den Hubschrauber gesehen."

Bernhard Ewert und seine Frau Beate hatten sich am Montagnacht schon schlafen gelegt, weil sie anderntags früh aufstehen und nach Skandinavien verreisen wollten. Sie freuten sich auf einen Angel-Urlaub in Schweden. Bernhard: "Nachts habe ich noch etwas wie Auflade-Geräusche vernommen, wie wenn eine Schaufel auf die Straße schlägt." Aber nicht im Traum konnten sich die Ewerts vorstellen, dass sie davon betroffen sind. Gleich zwei ihrer Autos, welche in der Anliegerstraße Biergasse vor dem Haus geparkt waren, wurden erheblich beschädigt.

Ein Handwerker aus dem Bereich Ortsmitte stand gestern in der Biergasse vor den beschädigten Autos: "Was gibt es auch für Spinner. Ist das möglich? Was gibt es für Verrückte!"

Salzstettens Ortsvorsteher Friedrich "Freddy" Hassel, als Bundespolizist ein Mann vom Fach, meint am gestrigen Mittwoch: "Aus meiner Sicht handelt es sich nicht um eine Amok-Tat, da sich diese primär gegen Menschen richtet. Denn: Der Täter hat angekündigt, dass er einen großen Sachschaden anrichten möchte." Andererseits könne man die Tat gegenüber Amok nicht ganz abgrenzen, da in den zertrümmerten Autos ja auch Menschen hätten sitzen können.

Kontakt gesucht

Der 52-Jährige relativiert: "Wir leben in Zeiten, wo Gewalttaten und Amokläufe weltweit passieren, aber in Salzstetten sind wir noch nicht soweit, dass wir uns derart sorgen müssten." Das auf diese Stufe zu stellen, würde ihm zu weit gehen. Nicht nur als Polizeihauptkommissar, sondern auch in seiner neuen Aufgabe als Ortsvorsteher und Ortspolizei möchte er "immer am Brennpunkt" sein. Als er am Dienstagmorgen um 7.30 Uhr erfahren hat, dass jemand in der Nacht mit einer Ausraster-Fahrt Verwüstungen angerichtet hat, suchte er gleich den Kontakt zu den Betroffenen. "Ich war froh, dass ich gleich draußen bei den Leuten war. Da habe ich erfahren, was es heißt, dass man sein Auto für den Urlaub gepackt hat und die Pläne plötzlich über den Haufen geworfen werden."

Angesichts der erheblichen Sachschäden im Ort stelle er sich die Frage nach der Belastbarkeit der heutigen Jugend. Der 20-Jährige sei ja ein Heranwachsender. Es könne sein, dass der Täter noch dem Jugendstrafrecht unterliege. Salzstettens Ortsvorsteher und Polizeihauptkommissar Hassel stellt Fragen in den Raum: "Wie kommt ein junger Mensch darauf, aufgrund einer persönlichen Enttäuschung und Frustration so eine Tat zu begehen? Man rächt sich doch nicht an der Bevölkerung? Haben wir ein soziales Problem?" Er kommt zu dem Entschluss, dass die Gesamtsituation für die Jugendlichen heute schwieriger sei als früher. "Da sind auch wir Älteren in der Verantwortung, etwas zu verändern", meint Hassel.