In seiner Sommerserie beschäftigt sich der Schwabo mit dem heimischen Wald. "Wir wissen als Jäger, dass Wald und Wild zusammengehören. Wir sind alle in einem Boot und müssen mithelfen", sagt Kreisjägermeister Hans-Jürgen Schneider aus Gutach.
Gutach - Schneider bezieht sich dabei auf die massiven Folgen des Klimawandels, die Wald, Wild und die Jagd vielfältig beeinflussen und macht das anhand der Entwicklung der Wildschweinbestände deutlich.
Diese explodierten sozusagen. Die Schwarzwildbestände hätten früher unter der Kälte im Februar und März gelitten. Da die Zeit der Schwarzwildgeburten in diese Wintermonate fällt, sind viele neugeborene Frischlinge der Kälte zum Opfer gefallen. "Dieses Risiko ist heute fast auf null", so Schneider.
Dazu komme, dass sich die Nahrungssituation für die Wildschweine massiv verbessert habe. Bei Eichen und Buchen gebe es mittlerweile nicht mehr alle sieben bis acht Jahre ein sogenanntes Mastjahr, sondern alle zwei bis drei Jahre. Mastjahre sind Jahre, in denen ein Großteil der Nahrung des Baums für die Samenbildung aufgewendet wird. Das Holzwachstum geht dabei stark zurück.
Es seien Bucheckern und Eicheln in solchen Mengen da, dass die jungen Wildschweine bereits in ihrem ersten Lebensjahr 20 bis 25 Kilo Gewicht erreichen und somit geschlechtsreif werden, informiert der Kreisjägermeister. Die Folge ist, dass es teilweise zweimal im Jahr Frischlinge gibt. Die Wildschweine richten großen Schaden auf den Wiesen und Äckern an, die sie auf der Suche nach Nahrung durchwühlen.
Hinzu komme der Vormarsch der Afrikanischen Schweinepest (ASP), die sich nach wie vor eklatant ausbreite, informiert der Kreisjägermeister. In Brandenburg ist sie im Juli zum ersten Mal in Hausschweinbestände übergegriffen, ist auf der Webseite des dortigen Landwirtschaftsministeriums zu lesen. "Man kann nicht sagen, dass die Seuche eingedämmt ist, es ist eine Frage der Zeit, wann sie in die hiesigen Regionen kommt", so Schneider.
Ein Problem sei, dass die an ASP verendeten Wildschweine möglichst rasch gefunden und aus dem Habitat entfernt werden müssen, da auch die nackten Knochen von erkrankten Wildschweinen ein Jahr lang infektiös blieben. Daher gilt es auch für Jäger bei der Kadaversuche mitzuhelfen und ihre Hunde zu eben dieser zu trainieren.
Afrikanische Schweinepest auf dem Vormarsch
Und obwohl im Zeitraum 2019/2020 56 Prozent mehr Wildschweine erlegt wurden als im Zeitraum 2018/2019 reiche das nicht. "Ich habe in den vergangenen acht Wochen fünf Schweine erlegt", berichtet Schneider, "aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein". Wildschweinjagd bedeute Nachteinsatz, das dauere den ganzen Abend und die Nacht durch. Dabei kommt es auch vor, dass man eine Nacht auf einem Hochsitz beobachtet und am nächsten Morgen feststellt, dass die Schweine an anderer Stelle großen Schaden angerichtet haben.
Der Gesetzgeber hat der explosiven Vermehrung der Wildschweine insofern Rechnung getragen, dass in Baden-Württemberg seit Sommer 2020 die Nutzung von Nachtsichtaufsatz- und Vorsatzgeräten zur Schwarzwildbejagung zulässig ist.
Während das Schwarzwild, also die "Allesfresser" Wildschweine, hauptsächlich der Landwirtschaft schaden, schadet das wiederkäuende, sich pflanzlich ernährende übrige Schalenwild dem Forst und der Landwirtschaft. Schalenwild ist die weidmännische Bezeichnung für zu den Paarhufern zählende Wild-Arten wie beispielsweise Rot-, Dam-, Reh-, Elch-, Muffel-, Gems-, Stein- und Schwarzwild.
Manche Förster würden hoffen, dass Wolf und Luchs insbesondere das Schalenwild reduzieren, das trete jedoch nicht ein, so der Jäger aus Gutach: "Wolf und Luchs als Beuteopportunisten bedienen sich dort, wo es bequem ist und wenn die Jagd auf Schalenwild zuviel Mühe macht, greifen sie auf oft leichter zu erbeutende Nutztiere zu."
Wolfssichere Zäune hätten den Nachteil, dass sie die Landschaft wie beispielsweise große, zaungesicherte Verkehrswege zerschneiden. Nicht nur die Nutztiere würden dadurch eingeschränkt, sondern auch das Wild. In Hessen sei bereits bei Rotwild nachgewiesen worden, dass so Inzucht entstehen kann, der Genpool werde eingeschränkt und die Population verarme genetisch.
Günstiger Erhaltungszustand für den Wolf erreicht
Rehe hätten durch viele Wolfszäune beispielsweise keinen freien Zugang zu den Wiesen mehr und würden dann nur noch im Wald stehen und sich dort vermehrt von jungen Bäumen und Trieben ernähren.
In Deutschland sei der "günstige Erhaltungszustand" für den Wolf längst erreicht, schätzt Schneider die Situation ein, die Population wachse und wachse. Daher gebe es zu Recht vermehrt die Forderung, Wölfe unter das Jagdrecht zu stellen. Das bedeute nicht automatisch, dass Wölfe erlegt werden dürften, so Schneider, aber es wäre im Fall einer notwendigen Entnahme einfacher zu Handhaben. Die Grünen lehnen es beispielsweise rigoros ab, den Wolf unter das Jagdrecht zu stellen.
"Einige sind der Meinung, die Jagd solle komplett abgeschafft werden. Es wird aber zu wenig über die Konsequenzen nachgedacht. Wer soll die Überbestände denn regulieren, das funktioniert auf natürliche Weise nicht mehr ›automatisch‹ wie in Urzeiten", ist sich Schneider sicher. Früher habe die Jagd als Nahrungsquelle gedient, ohne Rücksicht auf Muttertierschutz. Heute sei die Jagd erforderlich, um das Gleichgewicht zu halten und obliegt zu Recht den strengen Vorgaben des Tierschutzes.
"Wir haben den Wald zur Holzproduktionsstätte umgewandelt, er ist aber doch weit mehr", zieht der Jäger ein Fazit. Der Wald binde CO2, produziere Sauerstoff und diene der Erholung. Er fordert, bestimmte Waldgebiete unter Schutz zu stellen, auch vor dem überbordenden Betreten durch Menschen. "Mountain-Biker und sogar Quadfahrer würden mittlerweile durch die dichtesten Bestände fahren und Heerscharen von Radfahrern gelangen heute – unterstützt vom Elektromotor – bis in die entlegensten Winkel", ärgert sich der Kreisjägermeister.