Wilhelm Walter im eigenen Reich vor Baumstämmen. Foto: Meinert

Waldbesitzer Wilhelm Walter spricht über die Holzpreisentwicklung, die Trockenheit und den Käferbefall.

100 Hektar Tannen und Fichten sind sein eigen, 300 Bäume habe er dieses Jahr gefällt – eigenhändig. Dennoch könne er vom Holz allein nicht leben. Zu Besuch bei einem Waldbesitzer.

Loßburg-Schömberg - Der "Walter Hof" ist ein Idyll. Auf der Wiese vor dem Bauernhaus in Hinterrötenberg grasen die Pferde, gleich dahinter beginnt der Wald. Wilhelm Walter beschreibt mit der rechten Hand einen Bogen, als wolle er über die Gipfel der Tannen und Fichten am Horizont streichen. "Das gehört alles zum Hof."

Fast 100 Hektar Wald, Familienbesitz seit mindestens acht Generationen. "Unser Hof ist ein Kleinod, das es ansonsten so gut wie nicht mehr gibt", erklärt er. "Wir haben den Wald noch an einem Stück. Um den Hof rum ist der Wald, mittendrin der Hof."

Soweit das Idyll. Doch Walter ist kein Romantiker, auch kein Waldromantiker. Zum Beweis liefert er ein paar Zahlen. Diesmal hebt er beide Hände, als wolle er etwas an den Fingern abzählen. "Nur, um einmal die Relationen vor Augen zu führen", beginnt er seinen Exkurs.

"Während meiner Jugend konnte man vom Erlös eines Festmeters Holz einen Handwerker über eine Woche lang beschäftigen." Kurze Pause. "Vor zwei, drei Jahren konnte man den Handwerker vom Preis pro Festmeter knapp zwei Stunden beschäftigen."

Nochmals kurze Pause. "Heute kann ich den Handwerker eine Stunde beschäftigen – wenn ich Glück habe." Soweit zur wirtschaftlichen Realität in Sachen Waldbesitz im Jahr 2020.

Schon ganz andere Krisen durchlebt

Doch trotz Borkenkäfer, Trockenheit und Preiszerfall ist Walter keine Verzweifelter – schließlich hat er schon andere "Waldkrisen" erlebt. Walter ist ein Mann von 69 Jahren, er trägt robustes Schuhwerk, geht noch heute fast jeden Tag in den Wald. Seine Bäume fällt er nach wie vor eigenhändig, mit der Hilfe eines Kollegen.

Vom Waldbau hat er klare und feste Vorstellungen: "Waldbau ist eine Generationen übergreifende Aufgabe, was wir heute ernten, ist die Arbeit unserer Vorfahren. Wir stellen heute die Weichen für das Einkommen kommender Generationen." Walter ist auf dem Hof aufgewachsen, hat das Gymnasium in Freudenstadt besucht und hätte sich durchaus auch einen anderen Beruf vorstellen können. "Ich bin ein Technikfreak."

Mehr als 90 Prozent sind Tannen und Fichten

Doch der Vater war herzkrank, da habe er als Sohn schlicht keine andere Wahl gehabt als den Hof zu übernehmen. 1973 habe er die landwirtschaftliche Meisterschule beendet – drei Tage später ist der Vater gestorben. Das war 1973, vor 47 Jahren also – Walter war knapp 22 Jahre alt. Seitdem habe er sogar noch ein paar Hektar Wald zugekauft, sagt er. 100 Hektar nennt Walter heute sein eigen, "das sind rund 140 Fußballfelder", sagt er, um einmal einen anschaulichen Begriff von der Größe zu geben.

Mehr als 90 Prozent seien Tannen und Fichten, der Rest Buchen. Um die sinkenden Einnahmen durch den Holzverkauf zu kompensieren, habe er früh auf "zusätzliche Standbeine" gesetzt: Die Familie vermietet Ferienwohnungen, hält Pensionspferde im Offenstall und dann gibt es da seit einigen Jahren die Schnapsbrennerei. Die Haupteinnahmen liefere aber nach wie vor der Wald – trotz aller Probleme.

Dann platzt es förmlich aus Walter heraus: "Ich habe dieses Jahr noch keinen gesunden Baum gefällt." Rund 700 Festmeter habe man geschlagen, das seien rund 300 Bäume gewesen – kein einziger sei ganz ohne Schaden gewesen. Fast jeden Tag gehe er hinaus in seinen Wald, begutachte die Lage.

"Die Schäden sind überall sichtbar", am besten aber von oben. "Ein Baum stirbt vom Wipfel hinab. Mitunter seien die bodennahen Stämme noch intakt, doch in der Höhe beginne der Verfall. Um die Schäden möglichst im Frühstadium zu erkennen, habe er sich eigens eine Drohne zugelegt. "Kostet zwar eine Menge Geld." Aber den Wald von der Luft aus zu beobachten, sei von enormem Vorteil. "Wir fliegen den Wald einmal die Woche ab."

Eine Drohne fliegt das Gelände ab

Die Gelb- oder Rotfärbung der Baumkronen sei ein untrügliches Zeichen des nahenden Todes. Die Drohne habe eine derart ausgeklügelte Software, dass sie die Grenzen des eigenen Waldes nicht überfliege.

Allerdings sind es nicht die ersten dramatischen Zeiten für den Wald, die Walter derzeit erlebt. Er erinnert sich an den "sauren Regen" in den 80er-Jahren, als Experten und Umweltschützer schon praktisch das Aus des Waldes an die Wand gemalt haben. "Der Käferbefall ist bei uns zumeist Folgeschaden anderer Kalamitäten", so Walter, "sei es Trockenheit, Schneebruch oder saurer Regen".

Der Preisverfall, unter dem man derzeit leide, habe auch ganz andere Gründe: "Wir werden vollgefüttert von Holz aus anderen Regionen, aus der Pfalz und von Gott weiß woher." Viel ist derzeit vom "neuen Wald" die Rede, von angepassten Baumsorten, die der Trockenheit und dem Borkenkäfer trotzen.

Walter ist da eher skeptisch. "Wenn die mir sagen, was die genau meinen." Vor Jahren habe es geheißen, Tannen würden die Trockenheit besser überstehen als Fichten. "Dieses Jahr sind 80 Prozent der abgestorbenen Bäume Tannen gewesen." Schon heute gebe es mehr gemischte Wälder als früher, zudem gebe es hier im Schwarzwald noch vergleichsweise hohe Niederschläge.

Misstrauen gegenüber den Voraussagen

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir auf die Dauer vorwiegend Laubbäume haben." Buchenholz etwa tauge nicht als Bauholz, "das muss Nadelholz sein". Dann Gretchenfrage an den Waldbesitzer: Könnte er denn allein vom Wald leben? Da fällt Walter spontan eine Begegnung mit dem früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth ein. Mit dem sei er in den 80er Jahren gemeinsam gewandert. Der habe ihm damals schon gewarnt: "Von 100 Hektar Wald kann man in absehbarer Zeit nicht mehr leben."

Nein, vom Wald allein würde es heute nicht mehr gehen, meint Walter. Deshalb die Ferienwohnungen, die Pensionspferde, die Schnapsbrennerei. Dann fügt Walter noch hinzu: „Deshalb hat mein Sohn auch einen anderen Beruf erlernt." Der sei Wirtschaftsingenieur und zur Zeit zum Masterstudium in Los Angeles. Den Wald, den Hof wird er später in Nebenerwerb bewirtschaften. "Ich habe niemals erwartet, dass er den Hof als Vollzeitberuf übernimmt." Das gehe in diesen Zeiten einfach nicht mehr.