Linke Demonstranten protestieren vor dem Bürgerzentrum in Waiblingen gegen den Landesparteitag der AfD. Foto: Schmidt

Landesparteitag: Meuthen hält 30 Prozent bei Bundestagswahl für realistisch. Prüfbericht schockt Mitglieder.

Waiblingen - Die AfD sieht sich in der politischen Normalität angekommen – trotz der Proteste beim Parteitag. Ein großer Schock ist für viele Mitglieder der Bericht des Rechnungsprüfers.

Beflügelt vom 15,1-Prozent-Erfolg bei den Landtagswahlen sahen sich manche Mitglieder bei ihrem Parteitag in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) auf der Siegerstraße. Lothar Maier, AfD-Landesvorsitzender, wähnte seine Partei bei der Bundestagswahl 2017 sogar in der Nähe von 30 Prozent. Die Rechtskonservativen sehen sich also aufgrund des Wählervotums in der politischen Normalität des Landes angekommen. Dass dies nicht der Fall ist, zeigte sich vor den Türen des Bürgerzentrums in Waiblingen. Der Parteitag konnte nur unter massivem Polizeischutz stattfinden. Rund 200 AfD-Gegner demonstrierten friedlich gegen die Veranstaltung. Es wurden Slogans gerufen wie "Rassisten vertreiben, Flüchtlinge bleiben".

Heterogene Gruppe

Im voll besetzten Saal des Bürgerzentrums versuchte unterdessen AfD-Chef Jörg Meuthen die Marschroute der Partei für die Zukunft zu skizzieren. Auch er hält ein Ergebnis von 30 Prozent bei der Wahl im Bund für realistisch. Allerdings warnte er davor, sich auf dem Erfolg auszuruhen. "Im März haben wir einen immensen Vertrauensvorschuss bekommen", sagte der Politiker und ergänzte: "Den müssen wir durch überzeugende Arbeit in den Parlamenten einlösen. Wir dürfen die Menschen nicht enttäuschen."

Allerdings wurde auch deutlich, dass die AfD politisch noch immer eine sehr heterogene Partei ist und sich programmatisch in einigen Punkten nach wie vor auf der Suche befindet. So sah sich Parteichef Meuthen genötigt, den 310 anwesenden Mitgliedern ausdrücklich zu versichern, dass die AfD seine politische Heimat sei: "Mein Projekt ist die AfD, und es wird in meinem politischen Leben kein anderes geben." Offensichtlich gilt er vielen AfD-Mitgliedern noch immer als Anhänger von Bernd Lucke, dem im Streit ausgeschiedenen AfD-Gründer.

Auch der Frage, wohin sich die Partei in ihrer sozialpolitischen Ausrichtung wenden wird, gab Meuthen viel Raum. "Die AfD bekennt sich zu freiem Wettbewerb, sozialer Marktwirtschaft und Bürokratieabbau", erklärte er. Das heiße, dass die Partei nicht nur die oberen Einkommensschichten anspreche. Auch für den "kleinen Mann" sei die AfD wegen der Forderungen nach einem gerechten Steuersystem attraktiv.

Immer wieder wurde auch über die Rolle des Islams in der Gesellschaft diskutiert. Meuthen unterstrich allerdings, dass die Religionsfreiheit ein hohes Gut und auch ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Kultur sei. Die Millionen Muslime hätten natürlich das Recht, ihren Glauben zu leben, doch müssten sie sich dabei an die deutsche Gesetzgebung halten.

Chaotische Belegwirtschaft

Neben der politischen Arbeit stand auch der harte Parteitagsalltag auf dem Programm – und der barg eine große Überraschung. Wie ein Schock wirkte der Bericht des Rechnungsprüfers auf viele Mitglieder. Manfred-Josef Himmelsbach gab einen Einblick in die völlig chaotische Belegwirtschaft der AfD in den vergangenen Jahren. Viele Ausgaben seien nur über Ersatzbelege nachvollziehbar, es fehlten Angaben zum Anlass von Bewirtungskosten und zur Zahl bewirteter Personen. Nach seinen Worten gingen 2014 aus der Kasse des Landesverbandes 43 000 Euro, für die keine nachprüfbaren Belege vorlagen. Etliche aus Sicht Himmelsbachs nicht nachvollziehbare Ausgaben gingen demnach auf den ehemaligen Landeschef Bernd Kölmel zurück. Dieser hat aber mittlerweile die Partei verlassen und die AfD-Abspaltung Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) mitgegründet. Himmelsbach empfahl, auf eine Entlastung des Vorstands zu verzichten, weil nur noch wenige damalige Mitglieder dem Gremium angehörten – vor allem nicht mehr der einstige Schatzmeister Jan Rittaler, der wie Kölmel zur Alfa wechselte. Der Parteitag folgte seinem Rat.