Unter anderem mit Bohrungen wird der Rottweiler Hochturm untersucht. Foto: Stadt Rottweil

Vom Millionen-Grab zum aussichtsreichen Wahrzeichen – für den seit 2019 eingerüsteten Hochturm gibt es eine Sanierungslösung, die Hoffnung macht. So ist das, wenn Mut und gesunder Menschenverstand zusammenkommen.

Seit Sommer 2019 ist der Rottweiler Hochturm eingerüstet. Und lange sah es nicht so aus, als ob sich das absehbar ändern würde. Zuletzt hatte ein Statiker ein ebenso erschreckendes wie ernüchterndes Bild gezeichnet: das Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert – nicht weniger als eines der Wahrzeichen Rottweils – sei einsturzgefährdet. Die Liste der vorgeschlagenen Maßnahmen sah schon ohne Kalkulation extrem kostspielig aus.

Unter diesen Vorzeichen war der Sachstandsbericht zu den neuesten Untersuchungsergebnisse von den Rottweiler Stadträten mit entsprechend großer Neugier erwartet worden. Nikolai Ziegler vom Planungsbüro AeDis aus Ebersbach goß dann am Mittwochabend in der Sitzung des Gemeinderats weiteres Öl ins Feuer. Es gehe um ein „spannendes Thema“ mit vielen Details, die „Sie so sicher nicht erwartet hätten“, befeuerte er den Wissensdurst der Gremiumsmitglieder. Und – soviel gleich vorweg – Ziegler versprach den Räten nicht zuviel.

„Das sieht dramatisch aus“

Die Bestandsaufnahme bekräftigte zunächst, was bereits aus dem vorherigen Gutachten bekannt war: Auf den ersten 40 bis 50 Metern Höhe ist der Hochturm schwer gezeichnet: durch teilweise mehrere Millimeter breite Risse, große Verformungen, Steine, die sich mit bloßer Hand in kleine Stücke zerlegen lassen. Überdies Bis in diese Höhe neige sich der Turm 7,5 Zentimeter Richtung Westen. „Das sieht dramatisch aus, da sind die vorgeschlagenen großen Maßnahmen der Statiker nachvollziehbar“, sagte Nikolai Ziegler zunächst. Er legte dann aber gleich nach: „Wir sind jetzt mit gesundem, alternativem Menschenverstand rangegangen.“

Das Team im AeDis-Planungsbüro stellt eine „kühne Theorie“ auf – und ist sich dabei sicher genug: Bei den festgestellten Schäden an dem weithin sichtbaren Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert handelt es sich um ein historisches Schadensbild – 800 Jahre alt. Der obere, weniger alte Teil des Turms weise nämlich weder Neigung noch Verformungen auf. „Der Turm ist so schwer, dass er in das Erdreich eintaucht. Klar, dass er sich verformt“, meint Ziegler und legt dann die Karten auf den Tisch: Der AeDis-Vorschlag für die Sanierung sieht „kleinere, intelligente Maßnahmen“ vor. Risse sollen oberflächig verschlossen, Schäden überschlämmt und verbandelt werden. Von Ankern und Bleiblech an kritischen Mauervorsprüngen ist zudem die Rede. Restaurator Stefan Widmer unterstützt die Ausführungen. Minimalinvasive Eingriffe im Vergleich zu den zuletzt diskutierten.

Zu verschmerzen

Von den Stadträten, mitunter selbst vom Fach, gab es dafür Applaus. Die Aussicht, in zwei bis drei Jahren fertig zu sein und sich zur Landesgartenschau nicht mit eingerüstetem Hochturm präsentieren zu müssen, sorgte für zufriedene Gesichter. Auch Oberbürgermeister Christian Ruf verschmerzte, dass die Untersuchungen nicht zur „Pisastudie“ wurden. Die 7,5 Zentimeter Neigung sind dann eben doch noch nicht die 3,9 Meter, die der bekannte schiefe Turm in Italien aufweist.