Die Beteiligten des IG Metall-Podiums zur Bundestagswahl  Foto: Lück

Das war schon ein Knallhart-Check für Saskia Esken (SPD), Sara Haug (Grüne), Klaus Mack (CDU), Thomas Hanser (Linke), Michael König (FDP) und Klaus Mack (CDU). Alle wollen in den Bundestag. Doch wer kann die Arbeitnehmer-Vertreter überzeugen?

Horb - Die Hohenberghalle am Mittwochabend. Die IG Metall-Delegierten aus den Landkreises Rottweil, Freudenstadt und Calw machen den Wahl-Check. Aus gutem Grund: Die Energiewende mit dem "Abschied vom Verbrennungsmotor" und der Lockdown setzen die Beschäftigten schon jetzt enorm unter Druck.

Dorothee Diem, 1. Bevollmächtigte der IG Metall: "Wir sind in massiver Auseinandersetzung zu allem mit Arbeitgebern, man will uns runterdrücken. Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Arbeitgeber sich stark gefühlt haben. Es gibt Mittelständler, die sagen: Jetzt müssen wir denen mal den Zahn ziehen. Und obwohl die Arbeitgeber größtenteils in Verlautbarungen gestehen, dass sie sogar im letzten Sommer riesige Gewinne gemacht haben, wird jede Gelegenheit genutzt, die IG Metall in die Ecke zu drängen!"

Zoff um die RenteIG Metall Jugendvertreter Jannek sagt im Video: "Der Staat hat gesagt, wenn ich in die Renten einzahle, wird später mein Ruhestand finanziert. Jetzt wird immer deutlicher: Ich werde dann in Armut leben. Absurd – du musst jetzt überlegen, was du in 40 Jahren machst."

Die Grüne Sara Haug: "Wir möchten eine Garantierente, in die Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir wollen das Rentenniveau erst mal bei 48 Prozent stabilisieren und dann auf 50 Prozent hochgehen. Durch einen höheren Mindestlohn von zwölf Euro gibt es höhere Einzahlung in die Rentenkasse.

Hanser: Helmut Kohl "krasser Kommunist"Thomas Hanser (Linke): "Die Rente mit 70 geht vielleicht im Büro. Aber auf dem Bau nicht. Jeder sollte spätestens mit 65 mit 1200 Euro Mindestrente gehen können. Wir wollen das Niveau auf 53 Prozent des letzten Nettos heben. Wie bei Helmut Kohl, der bekannterweise krasser Kommunist war."

Klaus Mack (CDU): "Ich bin mit den Linken selten einig. Es ist natürlich ein Unterschied, wo ich arbeite – ob im Büro oder auf der Baustelle. Vielleicht sollte man zu flexibleren Lösungen kommen."

König: Nach 15 Jahren Aktien immer GewinnMichael König (FDP): "Wir möchten, das jeder Mensch für die Altersvorsorge in den Kapitalmarkt investiert. Wer länger als 15 Jahre in Aktienmarkt einzahlt, hat immer einen Gewinn. Schweden, Schweizer und Norweger leben es vor – dort haben die Rentner mehr als in Deutschland. Wenn mehr Gruppen in die gesetzliche Rente einzahlen, muss die Kasse mehr auszahlen. Da ist nicht so viel gewonnen."

Saskia Esken (SPD): "Aus Erwerbsarbmut entsteht Altersarmut. Wenn jemand ein Leben lang im Niedriglohnsektor arbeitet, reichen weder 48 noch 53 Prozent vom Nettto aus. Die Löhne müssen hoch. Tarifverträge müssen allgemeinverbindlich sein –ohne Tarif gehört verboten."

Betriebsrat: "Fühlen uns als Leistungsträger verarscht!"Ralf Kühnle, Betriebsrat von Boysen: "In der Vergangenheit habe ich oft CDU gewählt. Nach den Antworten von Armin Laschet zur Rente werden sie meine Stimme nicht mehr bekommen. Wir sind die Leistungsträger in diesem Land. Erzählen sie denen mal, die sollen sich Aktien kaufen. Die lachen sich einen Ast ab. Wovon, wenn am 20. der Kühlschrank leer ist. Die Leute haben die Schnauze voll und werden verarscht!"

Mack: "Wenn weniger Menschen geboren werden und mehr älter werden, muss man ehrlich drüber reden. Ich stehe zur Rente mit 67 und einer betrieblichen und privaten Vorsorge. Aktien sind die dritte Säule – sonst wird es nicht finanzierbar sein."

Michael König: "SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz setzt auch auf die Aktien, soweit ich weiß. Wir sind als FDP die einzige Partei, die Verbrennermotor mit synthetischen Kraftstoffen will."

Ein Fragesteller hakt nach: "Wie soll die zusätzliche. Säule bei CDU und SPD aussehen? Wird das eine Mogelpackung wie bei Riester, dass man alles selber zahlen muss?"

Esken: "Vom Kollaps der Rente zu reden, spielt allen in die Hände, die es privatisieren wollen. Mit höheren Löhnen bekommen wir die finanzieren. Wir garantieren 48 Prozent vom Netto und keine Erhöhung des Rentenalters."

Klaus Mack: "Man kann viel erzählen, das muss aber auch umsetzbar sein. Ihre Pläne bedeuten, den Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zu erhöhen."

Möhrle: Rentnern droht nächster EinschnittRentenversicherungsberater Arnold Möhrle: "81 Prozent der Rente sind derzeit steuerpflichtig. Das Schlimmste: Jede Erhöhung nach Rentenbeginn ist zu 100 Prozent steuerpflichtig. So kommen alle in Steuerpflicht sein. Deshalb ist das Rentenniveau nicht 48 Prozent, sondern niedriger. Wenn es so kommt, dass der Zusatzbeitrag in 2022 steigt, wird es die Arbeitnehmer und Rentner erheblich treffen!"

Saskia Esken: "Die Rente wird finanzierbar sein durch höhere Löhne, aber auch durch Zuschuss durch Bundeshaushalt. Die Finanzierung durch die Allgemeinheit ist die gerechteste, die es gibt. Zur Einkommenssteuer. Wir werden sie so verändern, dass der Mittelstandsbauch entlastet wird und die starken Schultern mehr tragen."

Mack fragt: "Mit wem würden sie koalieren?" Esken: "Darüber sprechen wir nach der Wahl." Mack lächelt: "Das war zu erwarten."

Wer soll das bezahlen?

SPD, Linke und Grüne wollen bei der Einkommenssteuer von oben nach unten umverteilen. Bei FDP, Union und AfD sollen Familien mit zwei Kindern, alleinverdienend, ab 300 000 Euro kräftig mehr absahnen, so die Grafik der IG Metall (Quelle: ZEW).

Saskia Esken will auch eine Vermögenssteuer: "Da sind nur Details nach dem Verfassungsgerichtsurteil zu ändern – das kriegen wir hin." Auch eine höhere Erbschaftssteuer ist geplant.

Sara Haug (Grüne) sagt, dass ihre Partei Familienunternehmen verschonen will.

Michael König: "Alles, was wir an Gewinn machen, investieren wir in unsere Firma. Wir sind mit sieben Beschäftigten gestartet und haben jetzt 60. Ich bin strikt gegen eine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Es gibt Immobilienbesitzer über Familiengeneration – die Immobilien können nicht mehr weitergeführt werden, weil die Erbschaftssteuer nicht bezahlt werden kann."

Wie teuer wird Benzin und Miete noch?

Energiewende, CO2-Steuer, hohe Mieten, Ebbe im Portemonnaie. Alle Kandidaten waren sich einig, das die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien beschleunigt werden müssen.

Ein Rottweiler Arbeitnehmervertreter fragt ganz konkret nach: "Es wird immer über die Riesen-Investitionen für die Energiewende und die Transformation geredet. Viele Väter und Mütter fragen sich: Wie viel Kinder können wir uns noch leisten? Ich brauche eine größere Wohnung. Im Landkreis Rottweil sind die Mieten um 20 Prozent gestiegen. Der Lohn nur um 10 Prozent – wenn überhaupt.

Jetzt droht noch die drastische Erhöhung der CO2 Steuer. Wie soll ich noch zur Arbeit fahren? Schon jetzt sind es 1,60 Euro pro Liter. Wie soll ich da zwei Euro zahlen? Was soll ich meinem Chef sagen, wenn ich eine Gehaltserhöhung möchte und er sagt: Ich habe auch höherer Logistikkosten?"

Die Antworten – fast alle an der Frage vorbei. Sara Haug, Grüne, sprach immerhin von 75 Euro Klimazuschuss am Anfang des Jahres für jedes Familienmitglied. Ansonsten antworteten alle ungefähr dasselbe: mehr bauen, mehr Sozialwohnungen. SPD und Linke versprechen kostenlose Bildung und Kitas. Und mehr Geld im Geldbeutel durch die Einkommenssteuerreform ihrer Partei.

Große Jobangst

Dorothee Diem: "Das Handelsblatt titelt: 410 000 Arbeitsplätze durch die Energiewende gefährdet. Wir haben schon jetzt in der Corona-Krise erlebt: Die Arbeitgeber nutzen das brutal aus und haben ihre Transformations- und Entlassungspläne umgesetzt. Das Hoch des Arbeitsplatzabbau kommt noch. Wie schaffen wir die Transformation fair und ohne Entlassungen?"

Michael König: "Meine Partei setzt auf Verbrennermotor und synthetische Kraftstoffe als der Teil der Energiewende. Die Politik forderte Elektro, und leider sind Hersteller dem gefolgt."

Klaus Mack: "Ich fahre privat Diesel, im Wahlkampf E-Auto. Ich finde es schade, dass die Diskussion nicht technologieoffen geführt wird. Es wird einen Mix geben. Im Umbauprozess gibt es Innovationen. Da gibt es schon erste dezentrale Forschungszentren auch bei uns im Nordschwarzwald, damit alle hier profitieren. Da müssen Sie als Arbeitnehmer in diesem Prozess dabei sein."

Esken: Hoffnung auf ArbeitsplätzeSara Haug von den Grünen verweist auf den Zukunftsdialog, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit der Autoindustrie und Zulieferern begonnen hat.

Saskia Esken: "Es wird gerne ein Menetekel an die Wand geworfen. Im Ergebnis sehen wir in der Vergangenheit: Es sind eher noch Arbeitsplätze durch Umbrüche entstanden. Natürlich muss die IG Metall als Fachverband an dem Zukunftsprozess beteiligt werden!"

Dann wird über das Internet abgestimmt, welcher Kandidat die IG Metall Delegierten überzeugt hat.

Esken überzeugt IG Metaller

Ergebnis: 19 Stimmen für Esken, vier für Haug und Linke, drei für König und eine für Mack. Trotzdem reicht Diem Mack die Hand: "Wir wollen den Austausch vor Ort. Mit Saskia Esken hatten wir den sehr intensiv. Die IG Metall laden wir sie unabhängig vom Wahlergebnis ein, dabei zu sein."