Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kann weiter regieren. Nun ist zu klären, ob er auch das BSW als Partner akzeptieren würde.
Beifall und ein vielstimmiges „Juhu!“ – zufrieden-moderater Jubel brach bei der CDU-Wahlparty im Saal 600 des Landtages in Dresden aus, als am Sonntagabend die erste Hochrechnung die CDU als stärkste politische Kraft auswies: „Wir haben unsere gute Wirtschaft in den Vordergrund gestellt, das brachte uns den Erfolg“, sagt das CDU-Mitglied Erik Bodendieck inmitten der fröhlichen Menge junger Leute vom „Team Kretschmer“, die sich um die Stehtische mit den schwarzen Plastikentchen und dem CDU-Slogan „Nicht quaken – machen!“ versammeln.
Seit 1990 regiert die CDU in Dresden und wieder einmal ist es Michael Kretschmer, Ministerpräsident seit 2017, der wie schon bei der Landtagswahl vor fünf Jahren, als er einen Umfragerückstand gegenüber der AfD wettmachte, als „Retter der CDU“ gilt.
Unermüdlich unterwegs im Wahlkampf, ständig am Grill mit Bürgern, fünf Termine am Tag absolvierend, leutselig, bürgernah, ein Zuhörertyp: Mit dem Rezept hatte der 49-jährige Ministerpräsident die Wähler auf seine Seite gezogen, ein probates Mittel gegen den spröde und bieder wirkenden Wasserbauingenieur Jörg Urban (60), den Spitzenkandidaten der AfD. Dessen Partei liegt trotzdem nahezu gleichauf mit der CDU – ein großer Erfolg.
Ein relativer CDU-Erfolg
Der somit relative CDU-Erfolg vom Sonntag trage nur einen Namen, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Geert Mackenroth: „Michael Kretschmer.“ Der kommt später in den Saal 600, wo die Weingläser mit Scheurebe aus Meißen schon klirren, und spricht lieber von einer Gemeinschaftsleistung der CDU: „Hinter uns liegen fünf harte Jahre. Wir alle wissen, wie enttäuscht die Menschen von dem sind, was in Berlin passiert.“ Aber das hier in Sachsen sei keine Protestwahl gewesen, die Menschen im Land hätten der CDU vertraut: Man sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, es könne gelingen, eine stabile Regierung zu bilden.
Als „situativ anschmiegsam“ hat ein landespolitischer Beobachter Kretschmer einmal bezeichnet, Kritiker sprechen von einem Opportunisten und seine in der CDU einsame Forderung nach einer Verhandlungslösung mit Moskau und eine Rückkehr zu russischem Gas werten einige als „populistische Antwort auf Populismus“. Kretschmer ist konfliktfähig, er will sich „weder von Brüssel noch von Berlin“ was sagen lassen und propagiert den „sächsischen Weg“, er ist flexibel und nicht prinzipienstarr.
Mehrere Regierungsoptionen
Wendig wird er auch bei der Suche nach einer Regierungsoption sein müssen. Eine Koalition mit der Alternative für Deutschland schließt er aus, Björn Höcke nennt er einen Neonazi. Eine Minderheitsregierung möchte er auch nicht, mit der wolle doch „keiner reden“ und ein Projekt wie die vier Jahre lang eingefädelte Ansiedlung der TSMC-Fabrik in Dresden (2500 Jobs, fünf Milliarden Euro Subventionen) sei mit der nicht machbar. Die bisherige Kenia-Koalition mit SPD und Grünen war schon vor der Wahl angeknackst.
Ob eine Koalition mit dem Bündnis von Sahra Wagenknecht (BSW) möglich ist, steht in den Sternen. „Ich kenne die Truppe nicht“, pflegte Kretschmer über das BSW zu sagen. Ausgeschlossen hat er das Zusammengehen nicht. Für die konservative Sachsen-CDU wäre es eine fette Kröte, die da zu schlucken wäre. Es bestehe „mehrheitlich eine Ablehnung“ gegen das BSW in der Partei, so der CDU-Fraktionschef Christian Hartmann kürzlich in einem Podcast der „Sächsischen Zeitung“. Am Wahlabend hielten sich die CDU-Funktionäre bedeckt. Auch Kretschmer lässt sich da nur wenig entlocken: „Es wird ergebnisoffene Gespräche geben.“
Erleichterung bei den Sozialdemokraten
Bei der BSW-Wahlparty im Dresdner Mittelklasse-Hotel „Penck“ war der Jubel über das zweistellige Ergebnis groß. „Wir feiern jetzt erst mal“, erklärte Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann. Wichtig seien dem BSW neben dem Thema Frieden die illegale Migration und die Bildung – und da sei man mit der CDU „nicht so weit auseinander“.
Stellvertretend für die Ampelparteien Grüne und FDP, die Verluste hinnehmen mussten, sagt Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne), man habe derzeit „krasse Herausforderungen“ an die Politik: „In einer solchen Situation zerlegt sich unsere Bundesregierung auf offener Bühne – das schlägt natürlich auch auf uns in Sachsen nieder.“ Trotzdem wollen die Grünen die Kenia-Koalition gern fortsetzen, sagt er am frühen Abend: Kretschmer müsse sich entscheiden, „ob er mit Putin-Freunden zusammenarbeiten wolle“ oder weiter mit den verlässlichen Grünen. Aber solche Träume sind unrealistisch, da die Linken in Leipzig zwei Direktmandate holten und damit in den Landtag kommen.
Erleichtert sind die Sozialdemokraten, die nicht die erwartet großen Verluste erleiden. Ihre Spitzenkandidatin, die populäre 66-jährige Gesundheitsministerin Petra Köpping, zeigt sich gesprächsbereit mit CDU und BSW. Sondieren will auch Jörg Urban von der AfD: „Wir sind offen für Gespräche mit jeder Partei.“